17. September 1939:
Ein hinterlistiger Stalin überfällt Polen
Warschau
- "Ohne die Wahrheit gibt es keine Vergebung" - heisst die wichtigste Botschaft des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski, die
heute im Rahmen einer Feierstunde anlässlich des 70. Jahrestages des
sowjetischen Angriffs auf Polen, durch ihn persönlich verlesen werden wird. Am
17 September 1939 brach der sowjetische Diktator Josef Stalin einen bestehenden
polnisch-sowjetischen Nichtangriffspakt, die Rote Armee marschierte in
das
damalige Ostgebiet der Republik Polen ein, wodurch die Verwirklichung der
Ergebnisse des geheimen Zusatzprotokolls des Molotow-Ribbentrop-Paktes ihren
Lauf nahmen. Der Sowjetische Angriff auf Polen war also die Umsetzung des
Abkommens von Moskau, zu dessen Unterzeichnung sich am 23. August 1939 der
deutsche Reichsaussenminister Joachim von Ribbentrop und für die UDSSR der
Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten und Präsident des Rates der
Volkskommissare Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow in Anwesenheit Josef Stalins
und des deutschen Botschafters Graf von der Schulenburg, an einen Tisch gesetzt
hatten. Stalin und Hitler hatten beschlossen die Macht über Polen aufzuteilen.
Stalins
doppeltes Glück
Ein integraler Bestandteil des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt wurde ein
geheimes Zusatzprotokoll, welches u. a. enthielt, dass die im Ersten Weltkrieg
verlorenen Territorien Russlands ohne ein Eingreifen Deutschlands durch Stalin
okkupiert werden können. Estland, Finnland, Lettland sowie Polen östlich von
Narew, Weichsel und San fielen in das sowjetische Interessengebiet. Auch an das
südosteuropäische Bessarabien erklärte die Sowjetunion ihr Interesse. Eventuelle
auftretende Interessenkonflikte versprachen beide Regierungen auf jeden Fall
durch gütliche Einigungen regeln. Hierbei spielte auch die Frage nach der
Erhaltung eines unabhängigen polnischen Staat eine Rolle. Die Inhalte des
geheimen Zusatzprotokolles erreichten die polnische Führung damals nicht, obwohl
die Alliierten hierüber bereits Kenntnis hatten. Für Hitler war der
Molotow-Ribbentrop-Pakt von unschätzbarem Wert, denn er sicherte die Neutralität
Moskaus im Konflikt mit dem Westen. Auch Stalin sah hierin doppeltes Glück, er
hatte nun Zeit seine Armeen für den unvermeidlichen Kampf mit Hitlerdeutschland
aufrüsten, denn 1939 waren die Deutschen von keiner Armee der Welt zu schlagen.
Der von beiden Seiten gewünschte deutsch-sowjetische Krieg sollte dann auch
nicht sehr lange auf sich warten lassen.
Pakt-Schwächen Großbritanniens und Frankreichs helfen Sowjets
Nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht am 1. September 1939 auf Polen,
bemühten sich die Sowjets in den folgenden Tagen den Anschein der Neutralität zu
vermitteln. Der polnische Aussenminister Jozef Beck erinnert sich, dass
das Verhalten des sowjetische Botschafter in rein gar nichts zu wünschen übrig liess und er habe sogar den Wunsch geäussert, über eine Möglichkeit der
Zuführung bestimmter Waren aus der UdSSR zu sprechen. Der hinterlistige Stalin
wartete auf Ergebnisse des deutschen Angriffes auf Polen, um die
Widerstandskraft der polnischen Armee einschätzen zu können. Ebenso waren für
die geplante sowjetische Aggression gegen Polen, die unmittelbaren Reaktionen
Großbritanniens und Frankreichs von bedeutender Relevanz. Berlin hatte ab dem
dritten Tag des Krieges bereits Moskau aufgefordert, in die nach dem
Ribbentrop-Molotow-Pakt beschriebenen Gebiete Polens einzumarschieren. Doch
Stalin wartete noch und begnügte sich damit den Deutschen Rohstoffe zur
Waffenproduktion zu liefern und Bomber der Luftwaffe über Warschau einzuweisen.
Seit dem 24, August 1939 gab es aber schon in der Sowjetunion Anzeichen größerer
Truppenkonzentrationen in Richtung der polnischen Ostgrenze. Am 3. September
startete dann auch eine geheime Mobilisierung an den Fronten Weissrusslands und
der Ukraine. 620.000 Soldaten, mit mehr als 4.700 Panzer und 3.300 Flugzeugen
waren in Bereitschaft.
Das unverschämte Alibi für sowjetischen Einmarsch
Die polnischen Seite der Grenze zu UDSSR wurde auf einer Länge von 1.400
Kilometern nur durch wenige Einheiten des Grenzschutzes überwacht. Während sich
am frühen Morgen des 17. September die sowjetische Armee auf den Weg nach Polen
machte, bestellte Vladimir Potemkin, der Stellvertreter Molotows, Polens
Botschafter in Moskau Waclaw Grzybowski ein um ihm eine mit Hitler abgesprochene
Botschaft vorzulesen: "Aus den deutsch-polnischen Beziehungen ergab sich die
Insolvenz für Polen. Innerhalb der letzten zehn Tage verlor Polen alle
industriellen und kulturellen Zentren. Warschau als die polnische Hauptstadt,
existiert nicht mehr. Die polnische Regierung ist unorganisiert und zeigt keine
offensichtlichen Lebenszeichen mehr. Dies bedeutet, dass der polnische Staat und
seine Regierung nicht mehr wirksam bestehen. Damit sind auch alle bisherigen
Verträge zwischen der UDSSR und Polen abgelaufen. Angesichts dieser Tatsachen
kann die sowjetische Regierung nicht gleichgültig bleiben und russischen,
ukrainischen und weissrussischen Minderheiten auf polnischem Gebiet ihrem
Schicksal überlassen. Unter diesen Umständen wies die sowjetische Regierung das
Oberkommando der Roten Armee an, die Grenze zu überqueren und sorgen um das
Leben und Eigentum der Bevölkerung der westlichen Ukraine und im westlichen
Weißrußland zu schützen. Selbstverständlich beabsichtigt aber die sowjetische
Regierung auch, alles zu unternehmen, um die polnische Nation aus dem
unglücklichen Krieg herauszuführen in welchen sie durch eine törichte Regierung
hineingeführt wurde". Botschafter Grzybowski weigerte sich, diese sowjetische
Note zu akzeptieren.
NKWD marschierte mit
Zur gleichen Zeit startete die Rote Armee einen ersten Angriff auf Polen. Um 6
Uhr morgens waren die sowjetischen Truppen bereits über die gesamte Länge der
polnischen Grenze, in Verletzung des polnisch-sowjetischen Nichtangriffspakts,
im Nachbarland eingedrungen. Der Auftrag war, so schnell wie möglich zu den
wichtigen militärischen Einrichtungen der polnischen Verteidigung zu gelangen.
Schon in ihrem Gefolge operierten erste Einheiten des sowjetischen
Geheimdienstes NKWD. In der Tasche hatte sie Listen angeblicher
"antisowjetischer Elemente". Intensive Aktivitäten von Sabotage Gruppen und
diverse Ablenkungsmanöver mit Todesfolge für polnische Bürger, zeigten der
Bevölkerung, dass man sich nun auch mit den Sowjets im Krieg befindet. Insgesamt
marschierten so in den kommenden zwei Wochen etwa 1,5 Millionen Rotarmisten mit
6.000 Panzern und 1.800 Flugzeugen in Ostpolen ein. Die wenigen, zu diesem
Zeitpunkt noch gegen die Deutschen kämpfenden polnischen Truppen welche sich
noch nicht ergeben hatten, erkannten nun die Unmöglichkeit und Sinnlosigkeit
eines Kampfes nun auch noch gegen einen sowjetischen Aggressor. So erteilte am
Abend des 17. September der Oberkommandierende der polnischen Armee den Befehl
zur Flucht nach Rumänien und Ungarn auf den kürzesten Strecken. Die polnische
Führung wollte dann mit ihrem Aufruf zur Vermeidung des Kampfes gegen die Rote
Armee keinesfalls den Krieg beenden und brach die diplomatischen Beziehungen zu
Moskau ab.
Die Zahl
der polnischen Stalin-Opfer zwischen 1939-1941
Insgesamt wurden bei Zusammenstößen mit der Roten Armee an diesen Septembertagen
ca. 2.500 polnische Soldaten getötet, 20.000 wurden verwundet oder vermisst. 200
Tausend Soldaten nahmen die Sowjets gefangen, hierunter mehr als 10 Tausend
Offiziere. Die sowjetischen Verluste beliefen sich auf ca. 3 Tausend getöteten
Rotarmisten und 6-7 Tausend Verwundete. Die Zahl der polnischen Opfer zwischen
1939-1941 unter sowjetischer Besatzung sind noch nicht vollständig bekannt, da
man früher fast jedes Verbrechen in den "deutschen Topf" geworfen hatte. Klar
scheint aber, dass Stalin mit den ethnischen Polen viel brutaler umging als es
die Deutschen je taten. Neuere Schätzungen besagen, dass alleine in dieser
ersten Kriegsphase 300.000 polnische Soldaten, Offiziere und Polizisten getötet
worden seien. Gleichwohl deportierte man mehr als eine Million Polen in
russische Lagern und Gefängnisse. Die Todesrate unter den Gefangenen und
Deportierten wird mit 8-10 Prozent geschätzt. Nicht weniger als 30 Tausend Polen
sollen in solchen Lagern aber auch hingerichtet worden sein. Die durch die
Sowjetunion beschlagnahmten damals polnischen Gebiete machten mehr als 190
Tausend Quadratkilometer aus mit einer Bevölkerung von 13 Millionen Menschen.
Stalin hatte sein erstes Kriegsziel erreicht.
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