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Befreiung oder Niederlage oder
was? 30 Abgeordnete des Deutschen Bundestages der SPD und von Bündnis 90 / Die Grünen haben dem Hohen Hause am 28. April 2004 den folgenden Antrag vorgelegt: „Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung, die Regierungen der Länder und die Bürger des Landes auf, den bevorstehenden 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs im Jahr 2005 in angemessener Weise zu würdigen und zum Anlaß zu nehmen, insbesondere in der jüngeren Generation das Bewusstsein über die Ursachen, die Geschichte und die Folgen des Krieges zu schärfen. Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung...“ Die Mitglieder des VdS (Verband deutscher Soldatenverbände) als Bürger des Landes und die Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt sowie der Herausgeber dieser Website wollen dieser Aufforderung gerne folgen und der jüngeren Generation das Bewusstsein für die Ursachen des Krieges schärfen. Die Rede Richard von Weizsäckers Das Thema „8. Mai, Tag der Befreiung“ hat unser früherer Bundespräsident Richard von Weizsäcker vor genau 20 Jahren in seiner bemerkenswerten Rede zum 8. Mai in sehr ausgewogener Weise schon behandelt. Auch wenn die zwei Formulierungen von der „Befreiung“ und der „erzwungenen Wanderschaft von Millionen Deutschen nach Westen“ viele Betroffene in unserem Lande tief verletzt haben, so macht gerade die sehr ausführliche Behandlung der Schattenseiten dieses 8. Mai in seiner Rede deutlich, was der Tag für die große Mehrheit der Deutschen damals in der Realität bedeutet hat: Leid um die Toten, Leid durch Verwundung und Verstümmelung sowie durch die grauenhaften Bombennächte. Für Millionen von Deutschen kamen die Vertreibung unter brutalsten Gewaltanwendungen, Vergewaltigungen, Folter, Not und der Verlust von Heimat und Lebenswerk hinzu. Von Weizsäcker spricht dieses alles ohne Schonung an. Er stellt dem das Leid der Opfer der Naziherrschaft gegenüber und stellt heraus, dass Deutschland an diesem Tage vom Nationalsozialismus befreit worden ist. So bleibt der 8. Mai für ihn ein Tag mit zwei Gesichtern. Das eine ist die Niederlage, das andere die Befreiung der Opfer und des ganzen Volks von einer Ideologie. Von dieser Rede ist nach 20 Jahren offensichtlich nur noch ein kleiner Teil im kollektiven Gedächtnis unseres Volks erhalten, nämlich die Befreiung. Das aber ist eine Verballhornung dieser Rede und eine Perversion dessen, was sich vor 60 und mehr Jahren zugetragen hat. Wir können uns heute glücklich schätzen, in einer Demokratie zu leben. Dennoch ist es nicht angemessen, der Generation, die die Kriegs- und Vorkriegszeit erlebt hat, einzureden, sie sei damals befreit worden. Das deutsche Volk von 1945 hat sich in seiner Mehrheit damals nicht befreit gefühlt, auch wenn seine nachgeborene Generation ihre politischen Freiheiten heute als Segen und Geschenk empfindet. Die Deutschen jener Zeit hatten andere und zum Teil zutreffendere Kenntnisse über die Vorgeschichte und den Ablauf des Zweiten Weltkriegs als der normale Deutsche heute. Sie wussten, dass sie einen Krieg verloren hatten, der seinen Ursprung im Unfrieden der europäischen Völker in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts hatte, also noch vor dem Ersten Weltkrieg. Hitler war für sie der Katalysator, der diese Spannungen, statt sie zu kontrollieren, zum Schluß zum Sieden hatte kommen lassen. Das Volk von 1945 wußte noch, was sich in Europa nach 1920 und vor 1933 – und auch vor 1939 – an Kriegen, Rüstungswettläufen, internationalen Vertragsbrüchen und Missachtungen des Völkerbundes außerhalb des Deutschen Reiches abgespielt hatte, Fakten die heutige Historiker in Deutschland meistens übergehen. Man muß vergangene Zeiten aus sich selbst heraus erklären. Richard von Weizsäcker sagte deshalb in seiner Rede richtigerweise: „Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern.“ Nur weil „Befreiung“ in die politischen Reden des Jahres 2005 besser passt, als „Niederlage“, und nur weil es Meinungen in dieser Richtung gibt, sollte man nicht an der Oberfläche bleiben. Der Deutsche Bundestag sollte in einer Debatte zu der Frage, ob wir am 8. Mai an die Niederlage oder an die Befreiung denken sollten - oder auch an beides - nach dem Kenntnisstand der Bürger 1939 fragen. Das wird klären, ob die Deutschen 1945 in ihrer Niederlage auch die Befreiung sehen konnten. Der Tod des deutschen Selbstwertgefühls Ehe ich auf die historischen Ursachen dieser Niederlage bzw. der Befreiung eingehe, sei mir eine übergeordnete Betrachtung erlaubt. Ansichten über die eigene Geschichte haben historische, politische und massenpsychologische Dimensionen. Die historische wird Thema dieser Artikel sein. Die politische wird demnächst den Deutschen Bundestag bewegen. Die massenpsychologische steht jenseits der zwei erstgenannten. Sie hat - und das gibt ihr heute ein besonderes Gewicht - die am weitesten reichenden Konsequenzen. Das Geschichtsbild eines Volkes ist ein sehr wichtiger Teil seiner Selbstwahrnehmung. Aus der eintausendeinhundertjährigen Geschichte deutscher Staatlichkeit (1) wird heute fast nur noch die Erinnerung an die zwölfeinhalb Jahre des Dritten Reiches wachgehalten. Diese Zeit verdrängt fast alle anderen Geschichtserinnerungen aus dem kollektiven Gedächtnis unseres Volkes. Es wirkt so, als gäbe es einen politischen Alleinvertretungsanspruch der Nazi-Jahre in der deutschen Publizistik und der Schulausbildung. Die Mehrzahl aller Deutschen erlebt die eigene Vergangenheit auf diese Weise als überwiegend verbrecherisch belastet. Dies hat das deutsche Selbstwertgefühl in einer Radikalität zerstört, dass uns nur noch die Selbstverachtung bleibt. In einer solchen „nationalen Seelenlage“ können weder Solidaritätsgefühle miteinander, noch Opferbereitschaft füreinander, schon gar kein Patriotismus wachsen, auf dessen verbliebene Reste der Herr Bundeskanzler, die Frau Vorsitzende der größten Oppositionspartei und auch der Herr Wirtschaftsminister hoffen. Die Liebe zum eigenen Land und Volk ist abgestorben. Den Vorstellungen vom deutschen Volk, vom deutschen Staat und deutschen Land ist inzwischen jeder ideelle Wert entzogen. Wen wundert’s da, dass jährlich große Zahlen deutscher Leistungsträger auswandern, dass Bankhäuser und Industrieunternehmen sich nicht mehr für ihr „Mutterland“ engagieren, und dass unsere Zuwanderer sich in ihrer Mehrheit nicht mit dieser „verbrecherischen“ deutschen Identität belasten wollen und unter anderem auch deshalb große Integrationsschwierigkeiten haben. Wer will sich schon mit einem Gastvolk identifizieren, das sich selbst so wenig liebt und achtet. Wir stecken - wie man daran sieht - mit unserer Geschichtswahrnehmung in einer psychologischen Sackgasse. Politiker, Publizisten und Pädagogen sollten nicht verkennen, dass sie mit ihrer einseitigen Betonung der „Befeiung“ eine Deutung von Geschichte fördern, in der die Rollen von Befreiten und Befreiern und im Gefolge dessen von Schuldigen und Schuldlosen am Zweiten Weltkrieg eindeutig festgelegt sind. Je länger dieses simple aber nicht ganz richtige Bild vermittelt wird, desto kranker wird die deutsche „Seele“. Abgesehen davon, dass die späteren Sieger schon 1943 die bedingungslose Unterwerfung Deutschlands als ihr Kriegsziel deklarierten, und abgesehen davon, dass das US-Oberkommando zu Kriegsende erklärte, Deutschland werde nicht zum Zwecke der Befreiung, sondern als besiegte Feindmacht besetzt, hält die einfache Verteilung von Schuld und Unschuld am Entstehen dieses Krieges angesichts der Akten- und Dokumentenlage keiner Untersuchung stand. Die amtlichen Dokumente der damals beteiligten Außenministerien sowie die Notizen und Memoiren englischer, französischer, belgischer, italienischer und amerikanischer Regierungschefs, Minister, Diplomaten und Armeeoberbefehlshaber aus den 20er und 30er Jahren belegen vielmehr, dass es außer Deutschland eine ganze Anzahl von Staaten und Regierungen war, die den Zweiten Weltkrieg mit verursacht haben. Der schweizer Historiker Sacha Zala schrieb in seinem Buch „Die legitimatorische Funktion der Geschichtsschreibung, Geschichte im Sinne der Machteliten darzustellen.“ , dass die deutschen Historiker nach 1945 die Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg von vornherein und uni sono allein Hitler und damit den Deutschen zugeordnet hätten. So seien deutsche wissenschaftliche Untersuchungen zur Mitschuld ausländischer Regierungen unterblieben. Wenn man das Standardwerk des Militärgeschichtlichen Forschungsamts „Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg“ und andere deutsche Geschichtsarbeiten liest, findet man die Beobachtung des schweizer Historikers bestätigt. Der ehemalige israelische Botschafter in Bonn Asher ben Nathan hat einmal in einem Interview auf die Frage, wer denn 1967 den 6-Tage-Krieg begonnen und die ersten Schüsse abgegeben habe, erklärt : „Das ist gänzlich belanglos. Entscheidend ist, was den ersten Schüssen vorausgegangen ist.“ Und da sind wir bei der Frage, was den ersten deutschen Schüssen vom 1. September 1939 vorausgegangen ist? Eine Reihe ausländischer Historiker geht kritisch mit den eigenen Regierungen der 20er und 30er Jahre ins Gericht. Sie verhehlen dabei nicht, dass diese den Zweiten Weltkrieg mit verursacht haben. Das Studium der offiziellen Akten, soweit sie heute zu unserer Einsicht zur Verfügung stehen, und die Bewertungen dieser ausländischen Historiker belegen, dass der Zweite Weltkrieg nicht nur einen Vater hatte, den Diktator Adolf Hitler. Dieser letzte Weltkrieg braute sich bereits zu einer Zeit zusammen, als Hitler noch ein arbeitsloser Landschaftsmaler in Wien und München war. Ohne Hitler hätte es am 1. September 1939 keinen neuen Krieg gegeben. Wahrscheinlich aber hätte es ohne Roosevelt, Stalin, die „Kriegspartei“ in England und die polnische Regierung den Kriegsausbruch von 1939 ebenfalls nicht gegeben. Diese Feststellung mag zunächst verwundern, ist der Friedenswille aller anderen Staaten 1939 doch „literaturverbürgt“. DIE KRIEGSMOTIVE Sie werden sich nun fragen, welche Gründe andere Staaten und Regierungen haben konnten, um einen neuen Weltkrieg zu riskieren oder ihn sogar zu entfachen. Das alles gehört zu den Ursachen, nach denen die 30 Abgeordneten des Deutschen Bundestages fragen. Die sowjetischen Kriegsinteressen Die Regierung der Sowjetunion wollte die ihr von den Polen 1920 abgenommenen Gebiete Weißrusslands und der Ukraine wiederhaben. Es handelte sich um das Land, das bis 1772 bzw. 1793 / 1795 zwar zur Polnisch-Litauischen Union gehört hatte, das die Alliierten Siegermächte 1919 aber nach den Volkstumsgrenzen Russland zugesprochen hatten. Dort lebten 1919, vor der polnischen Eroberung, neben 6 Millionen nichtpolnischen Ukrainern, Juden und Weißrussen nur 1,5 Millionen Polen. Der Umgang der Polen mit den Nichtpolen wurde ab 1920 zum Problemfall, den man sowohl in der Sowjetunion als auch in England und in Frankreich registrierte. So schreibt der MANCHESTER GUARDIAN am 14.12.1931: „Die Ukraine ist unter polnischer Herrschaft zur Hölle geworden. Von Weißrussland kann man dasselbe mit noch größerem Recht sagen.“ Der französische Slawistikprofessor René Martel – zu der Zeit oft Gast in Polen – schrieb: „Die Gefängnisse von Lemberg quellen über von Ukrainern aller Schichten, deren einziges Verbrechen darin bestand, Ukrainer zu sein oder Ukrainisch zu sprechen.“ 1930 klagte der griechisch-katholische Metropolit von Lemberg, Erzbischof Szeptyćkyj, in einem Brief: „Die polnischen Strafexpeditionen ruinieren unsere Dörfer, unsere Schulen und unsere wirtschaftlichen Einrichtungen. Es handelt sich um eine krisenhafte Zuspitzung eines Systems der Verfolgung, das seit 1920 nicht mehr aufgehört hat.“ Auch wenn es die kommunistische Sowjetregierung in den 20er und 30er Jahren nicht gestört haben mag, dass Polen in der damals ostpolnischen Ukraine und in Weißrußland 95 orthodoxe Kirchen zerstört und abgefackelt hatten, so konnten die Sowjets diese Drangsal an Weißrussen und Ukrainern nicht auf Dauer ohne Konsequenzen gegenüber Polen dulden. Die Rückeroberung der eigenen Minderheiten, die in „Ostpolen“ immerhin eine Vierfünftel-Mehrheit bildeten, war ein naheliegendes Motiv. Im Hintergrund wirkte außerdem Stalins langfristige Absicht, die bürgerliche Ordnung in Zentraleuropa durch die kommunistische zu ersetzen. Er versuchte, dazu in Europa die Voraussetzungen für einen Krieg der Briten, Franzosen und Deutschen gegeneinander zu schaffen. Nach seiner Rechnung wäre Mitteleuropa nach einem solchen Kriege so verwüstet und verarmt, dass die Bevölkerung dort reif und bereit für eine kommunistische Gesellschaftsordnung gewesen wäre. Stalin ließ zu diesem Zwecke 1939 fast gleichzeitig mit England, Frankreich und dem Deutschen Reich verhandeln, um den drei Parteien den Rücken für einen Krieg gegeneinander zu stärken (2). Er bot Paris und London bis zu 120 Heeresdivisionen, wenn Briten und Franzosen dafür zum Krieg mit Deutschland schritten. Doch beide Staaten wollten dazu nur wenig eigene Truppen zur Verfügung stellen und den Sowjets die Hauptlast eines solchen Krieges überlassen. Das jedoch lag nicht in Stalins Absicht. So setzte der sowjetische Diktator auf die deutsche Karte, gab Hitler die Nichtangriffsgarantie vom 23.8.39 und hoffte, dass der deutsche Diktator mit dieser Rückendeckung den ersten Schritt zum Kriege tun würde. Wegen der britisch-polnischen Garantieerklärung vom März 1939 konnte er ja damit rechnen, dass Briten und Franzosen nach dem ersten deutschen Schritt dem Deutschen Reich den Krieg erklären würden. Stalins Rechnung in Bezug auf den deutsch-englisch-französischen Krieg ging schon 10 Tage später auf. Dies alles hatte mit einer Befreiung Deutschlands nichts zu tun. Die polnischen Kriegsinteressen Die polnische Regierung von 1939 hätte nur ein einziges Interesse haben dürfen: die Konsolidierung und Bewahrung des von ihr geführten Vielvölkerstaats. Dazu hätte es einer Ausgleichspolitik im Inneren und nach außen hin bedurft, dh. zu allen Nachbarstaaten und mit den 11 Millionen Nichtpolen im eigenen Lande. Doch die polnische Regierung war 1939 in dieser Hinsicht in ihrer seit 1920 verfolgten Politik gefangen. Mit einer Außenpolitik, die mal die West- und mal die Ostausdehnung des eigenen Landes zu einem Staat Großpolen anstrebte, hatten die Polen zwischen 1919 und 1938 Kriege und Invasionen gegen die Sowjetunion, gegen Litauen, Deutschland und die Tschechoslowakei begonnen und geführt und sich damit alle Nachbarn außer den Letten und Rumänen zum Feind gemacht. Dazu kam eine drakonische Polonisierung der Minderheiten an Ukrainern, Juden, Deutschen, Weißrussen, Litauern und Ungarn in Polen, die sich in den 30er Jahren zu einer massiven Verfolgung und Unterdrückung auswuchs, und den 19 Millionen Polen 11 Millionen Feinde im eigenen Land bescherte. Das Volk der Polen und mit ihm die Regierung seit 1919 fühlten sich als die legitimen Erben der Polnisch-Litauischen Union, in der die Polen bis 1772 als Oberschicht über viele Völker fremder Sprache herrschten. Dieses Reich der Polen und Litauer reichte lange Zeit etwa 250 Km nach Osten in den russischen Sprachraum hinein und umfasste für begrenzte Zeit auch Gebiete mit deutschsprachiger Bevölkerung im Westen. Die polnische Elite von 1919 wollte geographisch an 1772 anschließen. So sagte der polnische Delegierte bei den Versailler Verhandlungen Dmowski, dass die dem neuen Staate Polen zugestandenen Gebiete „nur eine Anzahlung auf ein wirkliches Großpolen sind.“ (3) Polen verlangte in Versailles, dass ihm auch Teile von Pommern, ganz Ostpreußen und Oberschlesien angeschlossen werden müsse. Die Forderungen der Polen verstummten nicht bis es zum Zweiten Weltkrieg kam. Der Stellvertretende Ministerpräsident Grabski schrieb 1923: „Vor allem besteht für die Machtpolitik Polens noch immer dasselbe grundlegende Dilemma, das auf unserer ganzen bisherigen Geschichte lastet, nämlich die Frage: Welche Richtung soll die Expansion des polnischen Volkes einschlagen?“ Im Oktober 1925 stand in der GAZETA GDANSK zu lesen: „Polen muß darauf bestehen, dass es ohne Königsberg, ohne ganz Ostpreußen nicht existieren kann. Wir müssen jetzt in Locarno fordern, dass ganz Ostpreußen liquidiert wird.“ 1930 in der regierungsnahen MOCARSTWOWIEC: „Unser Ideal ist, Polen mit den Grenzen an der Oder im Westen und der Neiße in der Lausitz abzurunden....Wir werden die ganze Welt mit unserem Krieg gegen Deutschland überraschen“ 1933 bot die polnische Regierung der französischen dreimal in Geheimverhandlungen an, gemeinsam mit Frankreich einen Krieg gegen Deutschland zu eröffnen. (4) Im Juni 1939 berichteten zwei Beamte des englischen Auswärtigen Amts nach einer „fact finding mission“ durch Polen von ihren Sondierungsgesprächen im polnischen Generalstab: „jedenfalls schien die allgemeine Auffassung zu sein, dass Ostpreußen von Polen annektiert werden müsse.“ Die polnischen Kriegsmotive schienen, nach allem, was wir heute über die militärischen Kräfteverhältnisse von 1939 zwischen Polen und Deutschland wissen, illusorisch. Doch ab dem Frühjahr 1939 begannen die englischen und französischen Regierungen die polnische zu drängen, bei den laufenden deutsch-polnischen Verhandlungen gegenüber Deutschland hart zu bleiben. Es ging bei den Gesprächen zwischen Warschau und Berlin um den zukünftigen Status der 1920 von Deutschland abgetrennten Hansestadt Danzig, um die Verkehrsverbindungen zwischen dem Reichsgebiet und dem 1919 abgetrennten Ostpreußen und den Minderheitenschutz der in Polen verbliebenen einen Million Volksdeutsche. Im März 1939 schlossen England und Polen einen Vertrag zur gegenseitigen Militärunterstützung für den Fall eines deutsch-polnischen Konflikts um Danzig. Im Mai 1939 sagte der französische Oberbefehlshaber General Gamelin dem polnischen Kriegsminister Kasprzycki den Angriff des französischen Heeres gegen Deutschland für eben den gleichen Fall zu. Auch die USA signalisierten den Polen, daß sie auf ihrer Seite ständen. Und die Sowjetunion verhandelte bis zum Tage vor dem Abschluß des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakts mit Großbritannien und Frankreich über einen gemeinsamen Krieg gegen Deutschland. Über die Gespräche wurde Polen ständig informiert. So glaubte man in Polen mit dem Versprechen der Briten und Franzosen, der Unterstützung der USA und der Illusion, die Sowjets ständen auf Seiten der Briten und Franzosen, bis kurz vor Kriegsbeginn, man könne einen Krieg gegen Deutschland leicht gewinnen. Auch dieses alles hatte mit einer Befreiung der Deutschen nichts zu tun. Die deutschen Kriegsinteressen Als erstes springt ins Auge, dass Hitler am 1. September 1939 „wegen Danzigs“ einen Krieg eröffnet. Doch das war nur der Anlaß. Die Gründe lagen tiefer. Deutschlands Lage vor dem Zweiten Weltkrieg wurde von Verhältnissen geprägt, die weitestgehend Folgen von Versailles waren. Das Deutsche Reich beendete den Ersten Weltkrieg zwar mit Schulden, doch nicht überschuldet. Ein „normales“ wirtschaftliches und demokratisch liberales Weiterleben wäre nach einem Ausgleichsfrieden 1919 durchaus möglich gewesen. Doch die dem Deutschen Reich 1920 ohne Verhandlungen auferlegten Friedenskonditionen belasteten die junge deutsche Nachkriegsrepublik in einer Weise, die den besiegten Deutschen eine Reihe von massiven Gründen hinterließen, den in Versailles festgelegten Status Deutschlands wieder zu verbessern. Die Gründe lagen auf den Gebieten der Wirtschaft und der deutschen Landesteile, die gegen das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ von Deutschland abgetrennt und Nachbarstaaten zugeschlagen worden waren, also gegen den Willen der dort lebenden deutschen Mehrheitsbevölkerung. Die 20 Reichsregierungen vor Hitlers Amtsantritt versuchten, die Verbesserung der Lage Deutschlands auf dem Verhandlungswege durchzusetzen. Die Regierungen der Siegermächte kamen ihnen in keinem wesentlichen Punkt entgegen. Ab 1933 versuchte auch Hitler, die Sanktionen des Versailler Vertrages auf dem Verhandlungsweg zu lockern, was ihm in keinem Fall gelang. Erst als er ab 1934 pokerte und ab 1937 mit Gewalt drohte, konnte er eines der Versailler Probleme nach den anderen lösen. Dies ging so lange gut, bis er den Bogen überspannte und den Zweiten Weltkrieg ausgelöst hat. So wurden aus den vitalen Interessen der Deutschen Interessen, die den Krieg auslösten. Der damalige britische Botschafter in Berlin Henderson schrieb dazu: „Die Nachkriegserfahrung hatte Nazi-Deutschland unglücklicherweise gelehrt, dass man ohne Gewalt oder Androhung von Gewalt nichts erreichen konnte.“ (5) Das erste vitale Interesse lag auf wirtschaftlichem Gebiet. Deutschland hatte ab 1920 Reparationen in nicht einlösbaren Dimensionen zu bezahlen. Die Schuldverschreibungen zur Bezahlung der letzten Zinsen für die Reparationen aus dem Ersten Weltkrieg muß die Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 2010 einlösen. (6) Das besiegte Deutschland hatte seine Handels-Hochseeflotte und einen großen Anteil seines Eisenbahn- und LKW-Fuhrparks an die Sieger abzugeben. Es verlor 3 seiner 4 Kohle-Reviere an zwei Nachbarstaaten, dazu 75% der Eisenerzvorkommen, große Landwirtschaftsgebiete, die privaten Auslandsvermögen (7) und die Auslandsniederlassungen der deutschen Wirtschaft. Deutschland musste 26% des Wertes seiner zukünftigen Exporte als Strafe an die Sieger zahlen und sich die Masse seiner Reparationszahlungen als Kredite im Ausland borgen. So waren die Lage der deutschen Wirtschaft, des Außenhandels und der Devisen nach 10 Friedensjahren katastrophal. Die Sieger gaben Deutschland keine Chance zur Erholung. Die deutsche Bevölkerung brauchte bedingt durch die Gebietsverluste mehr Lebensmittel- und Rohstoffimporte als vor 1914. Die Devisen hierfür mussten im Ausland verdient werden. Gleichzeitig weigerte sich das Ausland, Importe aus Deutschland aufzunehmen. Die Zölle auf deutsche Waren wurden ständig erhöht, deutsche Importe im Ausland kontingentiert und zu alledem deutsche Exporterlöse im Ausland beschlagnahmt, um damit außenstehende Reparationsforderungen zu bedienen. Dieses alles führte neben der Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre zu einem Wirtschaftskollaps im besiegten Deutschland. Die Folgen waren Massenarbeitslosigkeit und die Verelendung breiter Schichten der Bevölkerung. Ab 1934 begann das Deutsche Reich, sich aus dem Strudel von Devisenmangel, Wirtschaftslähmung und Arbeitslosigkeit zu lösen. Es schloß mit 26 anderen devisenarmen Ländern in Südamerika und Südosteuropa bilaterale Handelsverträge und führte mit ihnen den devisenfreien Handel auf Verrechnungsbasis ein (z B. deutsche Lokomotiven gegen chilenische Linsen). Dies führte zu neuen Spannungen mit England und den USA. Zum einen „graste Deutschland damit im Vorgarten der USA“. Zum anderen waren die Banken in London und New York aus dem Kreditgeschäft zur Vorfinanzierung des Außenhandels dieser 27 Staaten ausgeschlossen, das bis dahin ihre Domäne gewesen war. Dies war, mit den Augen der großen Welthandelsländer gesehen, eine deutsche „Kriegserklärung“. Augenfälliger als diese stille Auseinandersetzung waren jedoch andere Folgen des deutschen Wirtschaftsdesasters nach dem Ersten Weltkrieg. Der Diktator Hitler leitete aus der Not der deutschen Bevölkerung, aus den Verlusten wichtiger Landwirtschafts- und Bergbauregionen und aus der Behinderung Deutschlands im Welthandel seine Begründungen ab, mit denen er seine These rechtfertigte, dass Deutschland „Lebensraum im Osten“ bräuchte. Hitler stellte diese Forderung nach Lebensraum zum ersten Mal konkret in seiner geheimen Rede vom 5.11.1937 (8). Er nannte dabei den Anschluß Österreichs und die Annexion der Tschechei als die konkreten Ziele „um das Anrecht auf größeren Lebensraum“ zu befriedigen. Weitere konkrete Ziele mit Bezug auf eine Lebensraumerweiterung erwähnte Hitler bis zum Kriegsbeginn keinmal, auch nicht in Bezug auf Polen. Der spätere Konflikt mit Polen hatte im wesentlichen andere Gründe. So sind die vitalen deutschen Wirtschaftsinteressen 1939 noch keine Kriegsinteressen. Sie werden es aus Hitlers Sicht erst 1941 mit dem Versuch, die Sowjetunion zu erobern. Das zweite vitale Interesse Deutschlands lag bei den Landesteilen, die zwischen 1919 und 1921 durch Spruch der Siegermächte abgetrennt und Nachbarstaaten angegliedert worden waren. So waren Territorien mit deutschsprachiger Bevölkerung zwangsweise an Frankreich, Belgien, Polen, Litauen und an die Tschechoslowakei abgegeben worden. Deutschland verzichtete gegenüber Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg dreimal vertraglich auf Ansprüche auf Elsaß-Lothringen. Doch mit den östlichen Nachbarstaaten waren solche Verträge nicht geschlossen worden. Außenminister Stresemann (Deutsche Volkspartei) sagte und schrieb 1925 dazu: „Eine meiner wesentlichen Aufgaben ist die Korrektur der Ostgrenzen: Die Wiedergewinnung Danzigs, des polnischen Korridors und eine Korrektur der Grenzen Oberschlesiens.“ und „Die Verpflichtung, von jedem Angriff abzusehen, sind wir im Westen eingegangen. Wir haben sie für den Osten abgelehnt. ... Der Völkerbund lässt den Krieg frei, wenn in politischen Fragen eine Einigung nicht zu erzielen ist. Ich strebe zwar keine kriegerischen Auseinandersetzungen an, schließe aber auch Grenzänderungen im Osten nicht aus, wenn die unmögliche Grenzziehung im Osten einmal Verhältnisse herbeiführen sollte, die dies erforderlich machen.“ Dies waren die Richtlinien deutscher Außenpolitik nach Osten, 8 Jahre bevor Adolf Hitler deutscher Kanzler wurde. Danzig war zu der Zeit zu 97% deutsch bewohnt, die ehemalige preußische Provinz Westpreußen noch 1918 zu 70%. In Oberschlesien stimmten 1921 61% der Bevölkerung für den Verbleib bei Deutschland. Im Memelgebiet stimmten im Dezember 1938 87% der Bevölkerung für einen Wiederanschluß an das Deutsche Reich. Und in den neugeschaffenen Vielvölkerstaat Tschechoslowakei waren 3 Millionen Deutsche gegen ihren Willen eingegliedert worden. Keiner der genannten Nachbarstaaten hielt seine den Siegermächten abgegebenen vertraglichen Zusagen über die Menschenrechte und die politischen Rechte der deutschen Minderheiten ein. In Polen waren die Verhältnisse am ärgsten. Nachdem die polnische Regierung das Minderheitenschutzabkommen von 1920 einseitig gekündigt hatte, hatte die Reichsregierung 1934 ein neues Abkommen zum Schutz der deutschen Minderheit in Polen geschlossen. Als auch das nicht eingehalten wurde, schloß die deutsche Regierung im November 1937 ein drittes. Auch das verlor im Frühjahr 1939 seine Wirkung. Deutschen in Polen wurden ihre Geschäfts- und Betriebslizenzen abgenommen, ihre Arztapprobationen entzogen, Bauernhöfe angesteckt, Geschäfte boykottiert und Deutsche auf offener Straße verprügelt. Der ukrainischen und der weißrussischen Minderheit in Polen erging es damals gleichschlecht. Volksdeutsche, die versuchten, diesem Drama durch die Flucht nach Deutschland zu entgehen, wurden an der Grenze beschossen und erschossen wie Jahrzehnte später Deutsche auf der Flucht aus der DDR in die BRD. Trotzdem gelang allein im August 1939 etwa 80.000 Volksdeutschen die Flucht nach Deutschland. Der damalige Staatssekretär von Weizsäcker schrieb dazu: „Unsere diplomatischen und Konsularberichte aus Polen zeigten, wie 1939 die Welle immer höher auflief und das ursprüngliche Problem, Danzig und Passage durch den Korridor überdeckte.“ Die Reichsregierung hatte 1939 der englischen, der polnischen und der französischen Regierung wiederholt mitgeteilt, dass die deutsch-polnischen Differenzen wegen der humanitären Tragödie der Volksdeutschen in Polen „noch in diesem Jahr“, noch 1939 geregelt werden müssten. Das zweite, nicht so drängende Problem war der „Freistaat“ Danzig. Die deutsche Hansestadt war 1920 ein eigenes Staatsgebilde, losgelöst vom Deutschen Reich geworden. Polen genoß im Freistaat Hafen-, Zoll-, Post- und Verkehrsprivilegien und hatte Danzig diplomatisch nach außen zu vertreten. Danzig unterstand dem Völkerbund, nicht Polen. Die Danziger Bevölkerung hatte wiederholt ihren Wiederanschluß an das Deutsche Reich gefordert. Ein drittes, dringendes Problem war die Verkehrsanbindung des 1919 abgetrennten Ostpreußen an das Reichsgebiet. Zwischen Pommern und Ostpreußen lag nun polnisches Gebiet, der sogenannte Korridor. Deutschland musste für den Verkehr vom Reich nach Ostpreußen Transitgebühren in Zloty zahlen. Doch der deutsch-polnische Handel erbrachte nicht genügend Zloty, mit denen man die Transitgebühren hätte zahlen können. Andere Devisen wurden nicht akzeptiert. So schloß die polnische Regierung wegen nicht bezahlter Transits eine Straßen- und eine Schienenverbindung nach der anderen. Für den Ersatzverkehr der Waren und Güter über die Ostsee reichten mit der Zeit die Hafeneinrichtungen in Ostpreußen nicht mehr aus. So begann Ostpreußen, wirtschaftlich auszutrocknen. Infolgedessen forderte die Deutsche Reichsregierung von den Polen exterritoriale Schienenwege und eine exterritoriale Autobahn durch den polnischen Korridor nach Ostpreußen. Die drei Punkte, Wahrung der Menschenrechte der Volksdeutschen, Wiederangliederung Danzigs an das Deutsche Reich und Bau exterritorialer Verkehrsverbindungen nach Ostpreußen waren die drei Ziele, über welche die Reichsregierung seit Oktober 1938 mit der polnischen Regierung verhandelt hat. Als Gegenwert bot Hitler die Anerkennung der polnischen Gebietserwerbungen in Oberschlesien, Westpreußen und Posen. Solche Zugeständnisse hatte Polen von keiner der 20 Reichsregierungen vor Hitler haben können. Damit war Deutschlands bisheriges vitales Interesse an Gebiets- und Grenzkorrekturen gegenüber Polen erstmals seit 1919 auf Menschenrechte, Danzig und die Korridorpassagen reduziert. Als Polen 1938-1939 keine dieser deutschen Forderungen akzeptierte, wurden diese am 1.9.1939 die deutschen Kriegsziele. Französische Kriegsinteressen Frankreich hatte 1918 sein Interesse, Deutschland links des Rheines und Luxemburg zu annektieren, in den Versailler Verhandlungen gegen das Veto Englands und der USA nicht durchsetzen können. Lediglich das Elsaß und Lothringen gingen für dauernd und das deutsche Saargebiet vorläufig an Frankreich. So blieb die Erweiterung Frankreichs bis zum Rhein und Belgiens Grenzen insgesamt ein unerfüllter Wunsch. Mit Versailles war es Frankreich allerdings gelungen, Deutschland wirtschaftlich und militärisch zu enthaupten und selber erste Macht des Kontinents zu werden. Ab 1935 mit dem Wiederanschluß des Saargebiets an Deutschland, 1936 mit der Wiederbesetzung des deutschen Rheinlands durch die Wehrmacht und mit der Wiederaufrüstung der deutschen Streitkräfte hatte Frankreich dann einen seiner Versailler „Gewinne“ nach dem anderen verloren. Der Wehrmachtswiederaufbau schürte in Frankreich neue Ängste. Man befürchtete, dass ein wieder starkes Deutschland doch noch Ansprüche auf Elsaß-Lothringen erheben könnte. Immerhin hatte das Elsaß im Jahre 1900 eine zu 88% deutschsprachige Bevölkerung. Deutschland hatte Frankreich nach 1918 - wie bereits erwähnt - dreimal vertraglich zugesagt, endgültig auf beide Landesteile zu verzichten. Doch die französischen Regierungen schenkten dem offensichtlich keinen Glauben. So versuchte Frankreich, jede Revision des Versailler Vertrags zu deutschen Gunsten zu verhindern und dies konsequenter Weise auch im Falle Danzigs und des deutsche Wunschs nach krisensicheren, exterritorialen Verkehrsverbindungen durch den polnischen Korridor. Die Sicherung des Elsaß und Lothringens und das Zurückstutzen Deutschlands auf das „Versailler Maß“ waren 1939 Frankreichs Kriegsinteressen. Ein Gedanke an eine Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus spielte dabei keine Rolle. Englands Kriegsinteressen Englands Kriegsinteressen waren nach dem Ersten Weltkrieg saturiert. Die deutsche Kriegs- und Handelsflotte waren dezimiert bzw. an die Sieger übergeben. Deutschlands Außenhandel war vom Markt verschwunden. Das Empire hatte sich die Mehrzahl der deutschen Kolonien einverleiben können. Und das kaiserliche Deutschland war als erste Macht des Kontinents zerschlagen. Wie Churchill in seinen Memoiren schrieb, war es seit 400 Jahren die Aufgabe britischer Außenpolitik, sich der jeweils stärksten Macht auf dem Kontinent „entgegenzustellen“. Das war gelungen. Ab 1937 stieg das Deutsche Reich erneut wirtschaftlich und militärisch zur stärksten Macht Zentraleuropas auf. Dazu kam, dass Hitler wiederholte Male in Frankreich und in England die spätere Rückgabe der ehemals deutschen Kolonien oder Kompensation dafür gefordert hatte. Damit entstanden für die Briten drei alte Probleme: erstens die wachsende Wirtschaftskraft und Konkurrenz der Deutschen, zweitens eine neue stärkste Macht in Zentraleuropa und drittens der Anspruch Hitlers auf die Kolonien. Hitler hatte einerseits 1935 im Deutsch-Britischen Flottenabkommen die maximale Stärke der deutschen Seestreitkräfte vertraglich und tatsächlich auf ein Drittel der englischen begrenzt. Andererseits hatte er im Frühjahr 1939 aus dem Rest der inzwischen zerfallenen Tschechoslowakei, also der Tschechei, ein deutsches Protektorat gemacht und hiermit ein dem britischen Premierminister zuvor gegebenes Wort gebrochen. Damit war den Briten klar, dass Hitler notfalls über Leichen gehen würde. Für die politische Elite Englands war nun abzusehen, dass Hitler nach einer friedlichen Danzig-Regelung zu Deutschlands Gunsten auch den letzten noch offenen Punkt der Versailles-Revision auf die Tagesordnung bringen würde, die Rückgabe der ehemals deutschen Kolonien. So versuchte die britische Regierung 1939, Hitler mit der Danzig-Angelegenheit eine Hürde aufzubauen, an der er springen oder halten musste, also von sich aus Krieg beginnen oder auf die Heimkehr Danzigs und den Schutz der deutschen Minderheit in Polen verzichten. Und letzteres war kaum noch möglich. England schloß dazu im März 1939 einen Britisch-Polnischen Beistandspakt, um Polen in der Danzig-Frage stark zu machen. Eine Woche vor Kriegsbeginn hat die britische Regierung der deutschen dann vorgetäuscht, sie würde in der Danzig-Angelegenheit zwischen Warschau und Berlin vermitteln, und der polnischen Regierung hat sie dann verschlüsselt mitgeteilt, sie sollte zwar verhandeln, bräuchte aber dabei nicht auf die deutschen Forderungen einzugehen. Damit war der Ausbruch eines weiteren Weltkriegs kaum noch aufzuhalten. ____________
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Flucht und Vertreibung (Dokumentation, Teile I
und II) 73. Flucht und Vertreibung
(II): Die Rechtlosen (5/5) 69. Flucht und Vertreibung (II): Die Rechtlosen (1/5) |