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Teheraner Konferenz

 


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Hermann Sudermann


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Wo Europas Neuordnung begann
Am 29.11.1943 einigten sich die »Großen Drei« in Teheran
auf Deutschlands Verkleinerung und Teilung

Wenn man heute Rückblick auf den Beginn der „Nachkriegszeit“ hält, so kommt einem rasch die Konferenz von Jalta oder vielleicht die von Potsdam in den Sinn. Von Teheran ist meist wenig die Rede, obwohl dort bereits die grundsätzlichen Fragen, die nach 1945 Europa bewegen sollten, zur Erörterung anstanden. Worum ging es bei diesem Treffen der Staats- und Regierungschefs der drei führenden Weltmächte zwischen dem 28. November und dem 1. Dezember des Jahres 1943 in Teheran. Es war dies das erste der insgesamt drei Gipfeltreffen der späteren Siegermächte, die zwar noch mitten im Krieg standen, aber bereits über die Zeit „danach“ intensiv nachdachten. War es aber sinnvoll, über die Gestaltung der Nachkriegszeit nachzudenken, wenn der Zeitpunkt des endgültigen Sieges über Deutschland fraglich und keineswegs abzusehen war?

Immerhin hatte die Rote Armee eben eine schwere Niederlage in der Ukraine bei Schitomir erlitten und die Heeresgruppe Süd unter v. Manstein bereitete sich auf einen großen Gegenschlag vor, der den sowjetischen Brückenkopf vor Kiew eindrücken und die Dnjepr-Linie zurückgewinnen sollte. Dies hätte eine erhebliche Frontverkürzung und die Gewinnung einer günstigen Großkampfstellung im Süden der Ostfront bedeutet. Im Abschnitt der Heeresgruppe Mitte, die eine begradigte rückwärtige Stellung bezogen hatte, tobte eine erbitterte Abwehrschlacht um die Landenge zwischen Düna und Dnjepr westlich von Smolensk, wobei die Angreifer schwere Verluste erlitten. Schließlich hielt im Norden die 18. Armee noch immer Leningrad mit Ausnahme einer schmalen Lücke umklammert. Noch hielt das Ostheer den sowjetischen Angriffen stand. In Mittelitalien hatten die 10. und 14. Armee den US-amerikanisch-britischen Vormarsch auf Rom zum Halten gebracht und sich im Vorfeld der „Gustav-Linie“ südöstlich von Monte Cassino zur nachhaltigen Verteidigung eingerichtet. Das VI. US-Korps hatte Mitte November hohe, blutige Verluste hinnehmen müssen, und von einem Durchbruch auf Rom konnte keine Rede sein. Da auch der ägäische Raum mit Kreta noch immer in der Hand der Deutschen war, schien ein Einbruch in die Festung Europa auch von Südosten her nicht zu drohen. Im Westen ging man gemäß der Weisung Nr. 51 vom 3. November daran, die Abwehrkraft zu stärken und sich (in der Folge unter Generalfeldmarschall Rommel) auf die erwartete Invasion der Westmächte vorzubereiten. Somit bot die militärische Lage an den Landfronten keinerlei Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Zusammenbruch des deutschen Heeres.

Anders war es hingegen um die Lage zur See bestellt. Nach dem Abbruch der Atlantikschlacht Ende Mai 1943 hatten die deutschen U-Boote den Rückzug aus dem Nordatlantik angetreten. Sie verzichteten ab Anfang November auf die Rudeltaktik und suchten Erfolge in Einzelangriffen. Doch ruhten die Hoffnungen der Marine auf der Indienststellung großer und sehr leiser U-Boote, die sich kurz vor der Fertigstellung befanden und die ein Aufspüren durch den gegnerischen Konvoi-Begleitschutz so gut wie unmöglich machten. Die Versenkungserfolge waren im Oktober auf bescheidene 82.200 Bruttoregistertonnen (BRT) gesunken und gingen im Dezember gar auf 63.000 BRT zurück.

Im Luftkrieg, der immer härtere Formen annahm, hatte die deutsche Jagdwaffe am 14. Oktober einen wichtigen Erfolg erzielt, indem sie der US-amerikanischen Bomberflotte, welche die Kugellagerwerke in Schweinfurt angriff, extrem hohe Verluste zufügte. Von 291 Bombern wurden 82 abgeschossen oder irreparabel beschädigt; das waren 28,2 Prozent. Dies hatte zur Folge, daß die 8. Luftflotte ihre Tagesangriffe für längere Zeit einstellte. Hingegen mußten zahlreiche Städte und vor allem Berlin schwerste Angriffe durch die Royal Air Force über sich ergehen lassen. Die vom 18. November 1943 bis zum 24. März 1944 von den Briten geführte „Luftschlacht um Berlin“ richtete zwar gewaltige Schäden an, brach aber nicht den Widerstandswillen der Bewohner, obwohl Luftmarschall Harris damit gerechnet hatte. Allerdings war es den Briten schon im August durch die Bombardierung der Versuchsanstalt Peenemünde geglückt, die Produktion der deutschen V-Waffen um Monate zurückzuwerfen. Mit Blick auf das Jahr 1944 ging es deutscherseits darum, die Jagdabwehr massiv zu verstärken, die Abwehrschlachten im Osten und in Italien möglichst „ökonomisch“, das heißt kräfteschonend, zu führen und das Schwergewicht der Anstrengungen auf die Abwehr der bevorstehenden Invasion in Westeuropa zu legen. Die Alliierten setzten einerseits auf weitere Zermürbung der deutschen Rüstungsindustrie und ergriffen andererseits Maßnahmen zur Koordination der Anstrengungen in Richtung auf einen entscheidenden Erfolg im Jahre 1944.

Zur Koordinierung dieser Anstrengungen sollte in erster Linie die genannte Konferenz von Teheran dienen. Neben Roosevelt, Stalin und Churchill nahmen die Außenminister sowie die engsten politischen und militärischen Berater an der Konferenz teil, so etwa Anthony Eden, Vjatscheslav Molotov und Harry Hopkins. Unter den Spitzenmilitärs fiel Marschall Voroschilov auf, der im Sommer 1941 eine ziemlich enttäuschende Rolle gespielt hatte und von Stalin als Oberbefehlshaber Nordwest abberufen worden war. Hielt Stalin den alten Waffengefährten aus dem Bürgerkrieg für gut genug, um ihm die Verhandlungen auf der militärstrategischen Ebene zu übertragen, oder wollte er keinen anderen Marschall für diese Aufgabe „freispielen“? Die Wechselwirkung zwischen den Beratungen auf der militärstrategischen und der politischen Ebene machte in oft schonungsloser Weise die Auffassungsunterschiede zwischen den Westmächten und der Sowjetunion sichtbar.

Was wollte Stalin? Er forderte von seinen westlichen Verbündeten die Konzentration aller Kräfte auf die Invasion in Nordwest- und Südfrankreich, und zwar zu einem möglichst frühen Zeitpunkt. Hatten Roosevelt und Churchill im Zuge der Konferenz von Quebec im August 1943 einen Zeitpunkt um den 1. Mai 1944 für die Invasion in Frankreich anvisiert, so wollte Stalin dezidiert wissen, ob es bei diesem Zeitpunkt bleiben würde. Roosevelt gab zwar beruhigende Erklärungen ab, aber der durchtriebene Politiker Stalin schenkte dem um so weniger Glauben, als Churchill und vor allem sein Generalstabschef Sir Allan Brook gewundene Argumente vorbrachten, welche die erheblichen Gefahren, die mit dieser Operation verbunden waren, hervorhoben. Wollte man gar die Errichtung einer „zweiten Front“ wieder verschieben? Noch immer schwebte die schwere Entfremdung, die im April 1943 durch die Auffindung der Massengräber bei Katyn mit 4.000 ermordeten polnischen Gefangenen ausgelöst worden war, über den Beratungen. Außerdem lancierte Churchill mehrmals die mögliche Landung alliierter Truppen auf der Balkanhalbinsel oder einer Intervention zugunsten der Türkei, falls diese, wie man wünschte, endlich in den Krieg einträte. Was sollte mit den beiden alliierten Armeen geschehen, die in Mittelitalien mühsam und verlustreich um jeden Meter kämpften und die, wie Stalin bemerkte, an anderer Stelle schneller zur Kriegsbeendigung beitragen würden. Demgegenüber betonte Churchill die Absicht, eine Einkreisungsschlacht um Rom zu führen, was aber Schiffsraum und vor allem Zeit kostete.

Stalin hingegen hielt das methodische Vorgehen in Italien für schädlich, kräfteraubend und lästig, da dort immerhin rund 25 Divisionen gebunden wurden, und er drängte auf eine Verlegung von Truppen zugunsten einer Landung in Südfrankreich. Was er aber überhaupt mißbilligte, war das Insistieren Churchills auf einer Invasion quer durch die Adria in Dalmatien, der damit die Partisanenarmee Titos unterstützen und dann nach Norden in Richtung Ungarn oder gar der Untersteiermark vorstoßen wollte. Dies war eine militärstrategische Option, die völlig dem Geschmack Stalins zuwiderlief. Wollte ihm Churchill etwa sein Einflußgebiet auf dem Balkan und in Ungarn streitig machen? Die Briten und Amerikaner sollten sich gefälligst dem Angriff quer über den Kanal widmen und die Finger von Südosteuropa lassen! Denn dies war seine Einflußzone, die zu beherrschen die russischen Zaren und die sowjetischen Machthaber nach 1917 unentwegt angestrebt hatten. Churchill schlug im Zuge der zweiten Vollsitzung am 29. November vor, die strittigen Punkte einer ad-hoc-Militärkommission zur Behandlung zu übertragen, doch Stalin lehnte entschieden ab. Dies sei eine Frage, meinte er, die von den Regierungschefs entschieden werden könne, dazu brauche man keine Militärkommission. Churchill überreichte Stalin sogar eine Karte, aus der die Lage auf dem Balkan hervorging und die offenbar Stalin den erwogenen „Seitenhieb“ schmackhaft machen sollte. Die Differenzen zwischen Churchill und Stalin erreichten eine beachtliche Schärfe, wobei der damalige Dolmetscher Bereschkov im nachhinein sogar von einem kaum verhüllten Affront berichtete, als Stalin die Sitzung abrupt verlassen wollte.

Es war wieder einmal Roosevelt, der vermittelte und versicherte, daß die Westalliierten alles unternehmen würden, um die Invasion siegreich durchzuführen, und keine Kräfte für andere Unternehmen abzweigen würden. Das Mißtrauen Stalins wurde auch durch die Unsicherheit geschürt, wer den Oberbefehl über die Invasionsstreitkräfte übernehmen würde. Die Vorbereitungen dazu lagen zwar in der Hand eines britischen Generals, doch Stalin wischte diesen Hinweis einfach vom Tisch. Daß die westlichen Militärs die enormen Transport- und Versorgungsprobleme, die vor Invasionsbeginn gelöst werden müßten, hervorhoben, trug auch nicht gerade zur Beseitigung seines Argwohns bei. Immerhin hatten die Amerikaner erst neun Divisionen in England stationiert. Im Gespräch mit Roosevelt allein zeigte er sich aufgeschlossen, als dieser beispielsweise seinen Vorschlag zur Gründung der Vereinten Nationen, die aus rund 35 Staaten bestehen sollten, unterbreitete. Erst gegen Ende der Tagung lenkte Stalin ein und gab sich mit einem voraussichtlichen Invasionsbeginn zwischen dem 15. und dem 20. Mai 1944, je nach Gezeiten, zufrieden. Er sicherte im Gegenzug die Eröffnung eines Großangriffes gegen die deutsche Ostfront zum Zeitpunkt der Invasion zu. Stalin hat dieses Versprechen übrigens nicht gehalten. Er hielt vielmehr seine Kräfte bis zum 22./23. Juni 1944 zurück, als die Alliierten längst einen starken ausgedehnten Brückenkopf in der Normandie gebildet hatten und eine Entlastungsoffensive in der geplanten Form nicht mehr benötigten. Stalin verfolgte mit seiner Großoffensive an der Ostfront seine eigenen Ziele.

Auf politischer Ebene zeichnete sich der dann 1945 hervortretende Konflikt um Polen ab, wobei sowohl Churchill als auch Stalin ihre besondere Vorliebe für das „Sorgenkind“ Polen offenbarten. Churchill nahm Polen unter seine Fittiche, indem er die britische Garantie an Polen als Kriegsgrund 1939 vorbrachte, wogegen Stalin das Land als sicheren Nachbarn und daher als Glacis beanspruchte; ansonsten sprach er nur empört über die polnische Exilregierung, der er Komplizenschaft mit Hitler vorwarf. Stalin forderte bereits damals unverblümt die 1939 gewonnenen Teile Weißrußlands und der Westukraine als festen Bestandteil der Sowjetunion bei gleichzeitiger Entschädigung Polens durch die deutschen Ostgebiete bis zur Oder-Linie. Alle drei Potentaten waren sich einig, daß man Deutschland territorial verkleinern und aufteilen sollte. Roosevelt ging sogar von einer Aufteilung in fünf Kleinstaaten aus, wobei Churchill an die Schaffung eines „Donaubundes“ dachte. Auffallend gestalteten sich auch die Differenzen zwischen Stalin und Churchill bezüglich einer Erholung Deutschlands. Während Churchill hierin keinen Anlaß zur Sorge sah, warnte Stalin davor, daß der deutsche Staat in 15 bis 20 Jahren wieder erstarkt sein würde, wenn man nicht die wichtigsten Zentren militärisch kontrolliere. Als unabdingbar verlangte Stalin den Erhalt des Nordteils von Ostpreußen, um in den Besitz eines eisfreien Hafens zu gelangen.

Schließlich einigte man sich auf eine unverbindliche Schlußerklärung, die in schönfärberischer Weise die Einigkeit der Kriegskoalition im Willen zum Sieg und auch zur späteren Zusammenarbeit formulierte. Ob die „Großen Drei“ wirklich als „echte Freunde in Geist und Ziel“, wie es hieß, aus Teheran schieden, kann jedoch stark bezweifelt werden. Zu sehr waren die unterschiedlichen Interessen und Präferenzen hervorgetreten, um von einem politischen und strategischen Einvernehmen zu sprechen. Noch stand die endgültige Kriegsentscheidung zu Lande und in der Luft bevor.
 

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt Ausgabe 47 / 22.11.2003, Seite 21

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weitere Informationen als PDF-Datei:
Die erste Konferenz der »Großen Drei«
1943 berieten Stalin, Roosevelt und Churchill in Teheran weitere Vorgehen im Zweiten Weltkrieg
 


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