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Das Ende des »Reichsluftschutzkellers« Breslau blieb lange Zeit vom Kriege unberührt und wurde deshalb spöttisch „Reichsluftschutzkeller“ genannt. Dann jedoch kam es im Zuge der russischen Winteroffensive von 1945 zu einer 80-tägigen Belagerung der niederschlesischen Hauptstadt, in deren Verlauf Breslau zum „Stalingrad an der Oder“ mutierte. Durch einen Befehl des Generalstabschefs des Heeres, Generaloberst Heinz Guderian, wurde Breslau am 25. August 1944 zur „Festung“ erklärt. Dem folgte der hektische Ausbau der Verteidigungsanlagen, die noch aus der Zeit der napoleonischen Kriege stammten. Allerdings waren diese Vorkehrungen keineswegs beendet, als die Rote Armee am 12. Januar 1945 ihre große Winteroffensive begann, in deren Verlauf die 1. Ukrainische Front unter Marschall Iwan Stepanowitsch Konjew nach Schlesien vorstieß und am 22. Januar nördlich und südlich von Breslau die Oder erreichte. Drei Tage zuvor hatte der niederschlesische NSDAP-Gauleiter Karl Hanke die Evakuierung der Zivilbevölkerung befohlen, sofern es sich nicht um wehrfähige Männer handelte. Von denen, die daraufhin nach Westen drängten, befanden sich jene, die aus ihren Dörfern im Odertiefland nach Breslau geflüchtet waren, damit nun schon das zweite Mal auf dem Treck. Dabei endete der Weg dieser Menschen oftmals in der sächsischen Hauptstadt Dresden, die dann vom 13. bis zum 15. Februar 1945 durch angloamerikanische Bomber zerstört wurde. Insofern ist es kaum glaubhaft, dass es während der Luftangriffe auf das komplett übervölkerte „Elbflorenz“ lediglich 25.000 Tote gegeben haben soll, wie eine staatlich bestellte Historikerkommission 2010 verkündete. Die Organisation der Verteidigung Breslaus oblag zum einen Hanke, der über die Einheiten des Volkssturms gebot, und zum anderen dem Festungskommandanten, Generalmajor Hans von Ahlfen. Dem standen Teile der 17., 269. und 609. Infanteriedivision sowie Einheiten der Waffen-SS und der Luftwaffe zur Verfügung; dazu kamen 200 Geschütze, 40 schwere Granatwerfer, 15 Panzer beziehungsweise Sturmgeschütze sowie ein eilends von der ortsansässigen Firma Fahrzeug- und Motoren-Werke (FAMO) hergerichteter Panzerzug. Außerdem befanden sich noch etwa 200.000 Zivilisten in der Stadt, die zumeist Schanz- und andere Hilfsdienste leisten mussten, denn Hanke und von Ahlfen waren fest entschlossen, die Stadt bis zum Letzten zu verteidigen. Davon zeugen nicht zuletzt die Erschießung des Zweiten Bürgermeisters Wolfgang Spielhagen, der Ende Januar kapitulieren wollte, und ein Tagesbefehl, den von Ahlfen am 8. Februar erließ: „Ich mache es allen Führern zur Pflicht, die ihnen anvertraute Stellung zu halten. Wer eine Stellung eigenmächtig aufgibt und zurückgeht, wird wegen Feigheit vom Standgericht zum Tode verurteilt.“ Am 15. Februar schloss die 6. sowjetische Armee unter Generalleutnant Wladimir Alexejewitsch Glusdowski den 60 Kilometer langen Belagerungsring um den Großraum Breslau. Damit standen nun rund 45.000 Verteidiger gegen 55.000 Rotarmisten. Diese begannen ab dem 16. Februar, von Süden her gegen die Verteidigungsstellungen vorzurücken, wobei besonders das 22. und das 74. Armeekorps unter Generalmajor Fjodor Sacharow beziehungsweise Generalmajor Alexander Woroschischtschew zum Einsatz kamen. Allerdings konnten die Angreifer bis Ende des Monats gerade einmal zwei Kilometer vordringen, denn Wehrmacht und Volkssturm lieferten ihnen extrem verbissene Straßen- und Häuserkämpfe, über welche die Stockholmer Zeitung „Svenska Dagbladet“ im März 1945 berichtete: „In Breslau wird nicht nur um jedes Haus, Stockwerk oder Zimmer gekämpft, sondern um jedes Fenster … Während des gesamten Krieges hat es keine Parallele zu einem so dramatischen Kampf … gegeben.“ So schichtete man beispielsweise Bücher aus der Universitätsbibliothek zu Barrikaden auf oder spannte Teppiche als Sichtschutz über die Straße. Darüber hinaus sprengten die Verteidiger systematisch leerstehende Gebäude, um damit einerseits den Russen die Deckung zu entziehen und andererseits Material für neue Befestigungen zu gewinnen – ein Vorgehen, das dann reichsweit „Breslauer Methode“ genannt wurde. Zudem lieferten auch und gerade die deutschen Pioniere zahlreiche Proben ihres Einfallsreichtums: Nachdem sie einige größere Flächen gezielt unter Wasser gesetzt und somit als Angriffsraum unbrauchbar gemacht hatten, entwickelten sie Minen in Ziegelsteinform, die den Rotarmisten manch tödliche Überraschung bereiteten. Das alles führte zu einer erheblichen Erschöpfung der Angriffsverbände, deren Kampfstärke bald nur noch bei rund 50 Prozent des Sollbestandes lag. Deshalb verlegten sich die Russen zwischenzeitlich mehr auf Drohungen denn auf entschiedene Attacken. Trotzdem aber sorgte der überaus fanatische Gauleiter Hanke am 7. März 1945 dafür, dass der Festungskommandant von Ahlfen abberufen und durch den eingeflogenen Generaloberst Hermann Niehoff ersetzt wurde. Der Endkampf um Breslau begann mit einem Flächenbombardement der 2. sowjetischen Luftarmee am 1. und 2. April 1945. Anschließend stießen Glusdowskis Kampfverbände bis an den westlichen Rand der Altstadt vor und eroberten auch den Flughafen in Klein Gandau, woraufhin die Festung nicht mehr auf dem Luftwege mit Munition versorgt werden konnte. Daher musste Breslau am 6. Mai 1945 kapitulieren – immerhin vier Tage nach der Reichshauptstadt Berlin. Wenige Stunden zuvor hatte sich Hanke, der am 29. April noch in Nachfolge Heinrich Himmlers zum neuen Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei ernannt worden war, mit einem einmotorigen Kurierflugzeug aus Breslau abgesetzt. Allerdings rettete ihn das letztlich auch nicht: Glaubwürdigen Berichten zufolge wurde er später in der Tschechoslowakei gefangengenommen und nach einem Fluchtversuch erschlagen. Als die Waffen in Breslau endlich schwiegen,
waren an die 7.000 Verteidiger gefallen. Dazu kamen ungezählte Opfer unter der
Zivilbevölkerung. Der britische Historiker Norman Davies schätzt die Zahl der
getöteten Zivilisten auf bis zu 170.000. Der Blutzoll auf sowjetischer Seite soll
13.000 Gefallene betragen haben. Darüber hinaus lagen 21.600 der 30.000 Gebäude
Breslaus in Trümmern. Damit existierte die Stadt nur noch als Schatten ihrer
selbst, als die ersten polnischen Vorauskommandos eintrafen, um die preußische
Provinzmetropole an der Oder unter ihre Verwaltung zu stellen.
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