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Streit über Erika Steinbach Berlin hallt wider vom Streit Erika Steinbachs mit Guido Westerwelle. In Polen aber, wo man die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen tief und einhellig verabscheut, seit sie im Bundestag gegen die Anerkennung der Nachkriegsgrenze gestimmt hat, ist die Regierung bis heute überraschend ruhig geblieben. Dieses Schweigen ist orchestriert. Im vertraulichen Gespräch sagt man in Warschau, man halte bewusst und angestrengt still, weil man verstanden habe, dass jeder Angriff aus Polen die Gegnerin in Berlin nur stärker mache. Man wolle den Eindruck vermeiden, dass Polen in einer inneren Angelegenheit Deutschlands - bei der Besetzung des Stiftungsrats für das geplante Vertriebenenmuseum in Berlin - ein „Vetorecht“ in Anspruch nehme, das ihm nicht zustehe. Die These von „Einmischung“ und Vetoanspruch ist aus polnischer Sicht eine
einseitige Verdrehung. Die Regierung Tusk hat zwar tatsächlich stets
klargemacht, dass sie die Berufung Steinbachs als Affront betrachten würde. Sie
stellt aber zugleich fest, dass sie sich damit keineswegs anmaßt, einseitig auf
Angelegenheiten einzuwirken, die sie nichts angehen. Vielmehr rechtfertigt sie
ihren Wunsch, Frau Steinbach von der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“
fernzuhalten, mit einem „Gentlemen's Agreement“, bei dem beide Seiten schwierige
Verpflichtungen eingegangen seien und bei dem beide Seiten im Wort seien. Die
Bundesregierung, so sagt man in Polen, habe in dieser Abmachung de facto
zugesagt, Erika Steinbach „zu verhindern“.
Der Hintergrund dieser Vereinbarung, die nach Warschauer Darstellung am 5. Februar 2008 getroffen wurde, war die deutsch-polnische Aufbruchsstimmung nach dem Sturz des von Animositäten gegen Deutschland geplagten Ministerpräsidenten Kaczynski. Wladyslaw Bartoszewski, der deutschlandpolitische Chefberater des neuen Regierungschefs Tusk, empfing damals eine Abordnung aus Berlin, zu der unter anderen der Staatsminister im Kanzleramt, Neumann (CDU), und der außenpolitische Berater der Kanzlerin, Heusgen, gehörten. Auf beiden Seiten herrschte Konsens darüber, dass es nun an der Zeit sei, zwischen Warschau und Berlin die Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Einer dieser Steine war das von Erika Steinbach geforderte „Zentrum gegen Vertreibungen“, von dem in Warschau fast alle fürchten, es könne die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg relativieren und stattdessen die Polen als Täter erscheinen lassen. Staatsminister Neumann stellte damals ein überarbeitetes Konzept vor, das bis heute der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ zugrunde liegt. Danach sollte die geplante Ausstellung deutlich machen, dass die Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa nach 1945 eine direkte Folge des von Deutschland angezettelten Krieges war. Insgesamt sollte der Aspekt der „Versöhnung“ betont werden - nicht nur, um Polen zufriedenzustellen, sondern auch, um die SPD in der Berliner Regierungskoalition mit ins Boot zu bekommen. Die deutsche Seite stellte aber nicht nur diesen neuen Ansatz vor. Sie bat auch um Hilfe. Um den „Versöhnungscharakter“ deutlich zu machen, auf den es Neumann auch innenpolitisch ankam, brauchte Berlin ein „positives Signal“ aus Polen. Für Bartoszewski war das ein Problem. Das „Zentrum gegen Vertreibungen“ galt in Polen als revanchistisches Teufelswerk, und ein „positives Signal“ hätte die Regierung Tusk in Bedrängnis bringen können. Die Erfahrung war noch frisch, wie Tusk die Präsidentenwahl 2005 unter anderem deshalb verloren hatte, weil es den Brüdern Kaczynski gelungen war, ihm einen „Großvater in der Wehrmacht“ anzuhängen und ihn als Pudel der Deutschen darzustellen. Im Zusammenhang mit dieser deutschen Bitte um Unterstützung ist es dann nach Warschauer Darstellung am 5. Februar 2008 zu jenem „Gentlemen's Agreement“ gekommen. Bartoszewski, der die polnische Delegation leitete, hat der F.A.Z. seinen Inhalt beschrieben. Polen erklärte sich demnach bereit, das von Neumann zum „Versöhnungsprojekt“ umgearbeitete „sichtbare Zeichen“ gegen Vertreibung nicht nur mit „freundlicher Distanz“ zu tolerieren, wie man es ursprünglich gewollt hatte, sondern darüber hinaus auch der Teilnahme polnischer Experten explizit zuzustimmen. Auf ein solches materielles Signal der Zustimmung hatte die deutsche Seite offenbar besonders gedrungen. Steinbach eine „Persona non grata“ In diesem Zusammenhang fiel dann auch jene Absprache, die in Polen als Versprechen zur Verhinderung Steinbachs gedeutet wird. Bartoszewski berichtet, man habe damals vereinbart, auf beiden Seiten alle Personen „aus dem Spiel zu entfernen“, die bis dahin durch „xenophobe Haltung“ oder „Mangel an Fingerspitzengefühl“ die bilateralen Beziehungen belastet hätten. Beide Seiten hätten zwar davon abgesehen, „mit dem Finger“ auf einzelne Personen zu zeigen, und so sei auch der Name Steinbach damals nicht explizit genannt worden. Dennoch sei „für erfahrene Leute“ - und Staatsminister Neumann sei ein erfahrener Mann - klar gewesen, dass Warschau vor allem sie meinte. Erst kurz vor dem Treffen hatte Bartoszewski in einem Interview gesagt, Frau Steinbach sei für Polen „Persona non grata“. Später ist man dann nach Warschauer Darstellung auch in Berlin konkreter geworden. Polnische Kenner der Sache versichern, nach dem Warschauer Treffen hätten sie auch aus der CDU das ausdrückliche Versprechen gehört, Steinbach vom Vertriebenenmuseum fernzuhalten. Bartoszewski betont, dass diese personalpolitische Abmachung ebenso wie das gesamte Konzept des Neuanfangs nach den vergifteten Kaczynski-Jahren keineswegs nur auf einseitigen Zugeständnissen der Deutschen beruht habe. Vielmehr habe auch die Regierung Tusk damals zugesagt, sich klar von den deutschlandfeindlichen Zirkeln auf der nationalkonservativen polnischen Rechten zu trennen und in den Apparaten die „Germanophoben“ kaltzustellen. Deshalb seien damals der Deutschland-Beauftragte der Regierung, Muszynski, sowie das Vorstandsmitglied der Stiftung Deutsch-Polnische Zusammenarbeit, Rak, aus ihren Positionen entfernt worden. In Warschau glaubt man deshalb, einiges geleistet
zu haben. Tusk gehört, ähnlich wie Angela Merkel in Deutschland, zur rechten
Mitte, und seine Freunde weisen darauf hin, dass es für ihn durchaus gefährlich
gewesen sei, sich Berlin wieder anzunähern und damit den antideutschen Rand des
rechten Wählerpotentials zu verlieren. Dennoch sei er das Risiko eingegangen -
und dasselbe erwarte man jetzt von Merkel.
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