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»Den gordischen Knoten lösen« Im festgefahrenen Streit um die Besetzung des Beirats der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ist BdV-Präsidentin Erika Steinbach in die Offensive gegangen. Sie ist bereit, auf den Posten zu verzichten – allerdings nur, wenn im Gegenzug erhebliche Verbesserungen am geplanten Vertriebenenzentrum kommen. Frau Steinbach hat damit ihre Kritiker in der Bundesregierung unter Zugzwang gesetzt. Ihre Bedingungen dokumentieren zugleich die von dieser Zeitung mehrfach benannten Schwächen des „Zentrums“. Wir dokumentieren im Folgenden die entsprechende Stellungnahme der BdV-Präsidentin im vollen Wortlaut: „BdV-Präsidentin Erika Steinbach MdB fordert einen Weg der Vernunft zur Besetzung des Stiftungsrates der Bundesstiftung ,Flucht, Vertreibung, Versöhnung‘: Die politische Auseinandersetzung der letzten Monate um die Entscheidung des BdV, sich in dem 13-köpfigen Stiftungsrat der Bundesstiftung ,Flucht, Vertreibung, Versöhnung‘ auch durch seine Präsidentin vertreten zu lassen, ist singulär, an Peinlichkeit schwerlich zu überbieten und unserer Demokratie unwürdig. Die Bevormundung unserer Opferorganisation verträgt sich nicht mit den Menschenrechtsanforderungen, die von deutscher Seite immer wieder in Richtung anderer Länder gestellt werden. ,Der Charakter und die Selbstachtung einer Nation zeigen sich darin, wie sie mit den Opfern der Kriege und mit ihren Toten umgeht.‘ Nimmt man diese Aussage des Goethepreisträgers Raymond Aron zum Maßstab, so steht es nicht gut um Deutschland. Das Benennungsrecht des BdV ist vorsätzlich unter Kuratel der Politik gestellt worden. Mitgefühl und Respekt für die deutschen Opfer von Flucht, Vertreibung, Vergewaltigung, Mord, Deportation und Zwangsarbeit sind dabei auf der Strecke geblieben. Denjenigen gilt mein Dank, die sich für das Selbstbestimmungsrecht des BdV eingesetzt haben und einsetzen. Im Interesse der Stiftung und der 15 Millionen deutschen Vertreibungsopfer ist es dringend nötig, den gordischen Knoten, der durch politische Kräfte bewusst geschlungen wurde, zu lösen. Ich will einen Weg der Vernunft und nicht der politischen Verhärtung mit der Stigmatisierung von Opfern. Ich rufe die Bundesregierung auf daran aktiv mitzuwirken. Dazu ist es erforderlich 1. der Stiftung mehr Eigenständigkeit zu verleihen durch: • Lösung aus der Trägerschaft des Deutschen Historischen Museums und Umwandlung in eine rechtsfähige Stiftung öffentlichen Rechts, um deutlich zu machen, dass es sich um eine Menschenrechtsstiftung handelt • Streichung der Zweistufigkeit von Benennung und Bestellung der Stiftungsratsmitglieder und Einführung des Entsendeverfahrens, um zukünftige politische Bevormundung auszuschließen • Aufstockung der Zahl der BdV-Vertreter im Stiftungsrat derart, dass die sehr unterschiedlichen deutschen Siedlungs- und Vertreibungsregionen besser widergespiegelt werden können 2. das Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth organisatorisch an die Stiftung ,Flucht, Vertreibung, Versöhnung‘ anzugliedern, die dort vorhandenen Daten zügig zu digitalisieren und im Deutschlandhaus/Berlin abrufbar zu machen. Dieses Archiv bewahrt über die Lastenausgleichsunterlagen weit hinaus tausende von Zeitzeugenberichten, Einwohnerdaten und Unterlagen der Heimatortskarteien der Vertriebenen auf. Es ist das historische Gedächtnis Deutschlands zur Vertreibung von nahezu 15 Millionen Menschen 3. der Stiftung die gesamte Fläche des Deutschlandhauses zur Verfügung zu stellen, um Siedlungsgeschichte, Vertreibungsschicksale und Integration der deutschen Vertriebenen sowie deren Dokumentation adäquat darstellen zu können und zugleich ausreichend Raum für das Schicksal auch anderer Vertriebener zur Verfügung zu haben. Mit solchen deutlichen Verbesserungen für die Arbeitsfähigkeit der Stiftung ,Flucht, Vertreibung, Versöhnung‘ würden bisherige Schwächen, die ihre Ursache insbesondere auf Grund der Haltung der SPD in der vorherigen Bundesregierung haben, behoben. Dazu kann die FDP jetzt als neuer Koalitionspartner beitragen. Wenn die Bundesregierung sich für diesen Weg der Antidiskriminierung und Vernunft entscheiden kann und die unwürdige Diskussion beendet, entfällt die bisherige Notwendigkeit, dass der BdV durch seine Präsidentin im Stiftungsrat vertreten sein muss. Ich habe das Präsidium des BdV davon überzeugt, dass für diesen Fall meine Benennung überflüssig ist. Ein entsprechender Präsidiumsbeschluss wurde gefasst. Uns liegt daran, dass die Würde unseres Verbandes und die Schicksale der Opfer, die sich hierin spiegeln, respektiert und geachtet werden. Jedweder Diskriminierung werden wir uns mit allen Möglichkeiten widersetzen.“ Soweit die Stellungnahme der BdV-Präsidentin. In einem Interview mit der „FAZ“ hat Frau Steinbach zwei interessante Aspekte über den bisherigen und den weiteren Weg des „Zentrums“ verdeutlicht. Zum einen gab sie mit plausibler Begründung bekannt, dass ihr die Bundeskanzlerin versichert habe, dass es ihrerseits keine Zusagen an Polen in der Berufungsfrage gegeben habe. Auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) habe versichert, nichts dergleichen versprochen zu haben. „Ich halte es aber für möglich, dass es aus der SPD Zusagen gab“, so die BdV-Präsidentin. Zum anderen zeigte sie auf, wie der BdV weiter vorgehen werde: Falls die Bundesregierung nicht einlenke, „dann werden wir benennen“. In diesem Falle müsste die unionsgeführte Bundesregierung einen förmlichen Kabinettsbeschluss fassen, um Steinbach noch zu verhindern – ein kaum denkbarer Affront gegen Stammwähler. Selbst dann bliebe dem BdV noch eine Option außer der Mitarbeit mit nur zwei Vertretern im Beirat: „Rückzug aus der Bundesstiftung. Und anschließend Verklagen der Bundesregierung.“ Konrad Badenheuer
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