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Kirchenrestitution in der Tschechischen
Republik Die Prager Regierung sucht nach einem eigentumsrechtlichen Ausgleich mit den Kirchen. Es geht um die Rückgabe des vom kommunistischen Regime geraubten Eigentums oder um Entschädigung dafür. Mit ihrer Stimmenmehrheit ließ die Koalition eine Gesetzesvorlage in erster Lesung das Parlament passieren. Der Entwurf hat jedoch einen entscheidenden Schönheitsfehler, der neues Unrecht stiften kann: die Beneš-Dekrete. Die Rückgabe betrifft nur das Kircheneigentum, das sich am 25. Februar 1948 in Kirchenbesitz befand und in den Grundbüchern eingetragen war. Damit sind alle vorherigen Konfiszierungen gemäß den Beneš-Dekreten von der Rückgabe ausgeschlossen. Also auch die NS-Konfiszierungen, die nach der deutschen Kapitulation gemäß den Dekreten als deutsches Eigentum dem tschechischen Staat zugefallen waren. Eine merkwürdige Rechtslogik, die NS-Unrecht nach sieben Jahrzehnten legalisiert. Dazu gehört auch die problematische Enteignung deutscher Privatpersonen seit 1945. Besagte Bestimmung in dem Entwurf erinnert an die erste Zeit der dritten ČSR, als den zurückkehrenden Juden ihr von den Nazis „arisiertes“ Eigentum nicht zurückgegeben wurde, da es nach den Benesch-Dekreten als deutsches Eigentum beschlagnahmt worden war. Erst ein Gesetz aus dem Jahr 2000 ermöglichte die Rückgabe aller Immobilien, die das NS-Regime vom 29. September 1938 bis zum 8. Mai 1945 beschlagnahmt hatte an die jüdischen Gemeinden. Das Gesetz, das auf Druck der USA entstand, bezieht sich auch auf die Rückgabe von Kunstwerken an jüdische Privatpersonen, und es bricht die sonst als heilige Kuh betrachtete Restitutionsgrenze 25. Februar 1948.
Ein Beispiel der infolge der Beneš-Dekrete möglicherweise problematischen Restitution ist das Zisterzienserkloster in Hohenfurth im früheren Kreis Kaplitz. 1941 hob das NS-Regime das 1259 gegründete Kloster auf, konfiszierte sein Eigentum, zog die jüngeren Mönche zur Wehrmacht ein und verteilte die älteren auf verschiedene benachbarte Pfarreien. Abt Tecelin Jaksch (1885–1954) wurde verhaftet und schließlich ins Protektorat Böhmen und Mähren abgeschoben. Bis Mai 1945 lebte er im Kloster Himmelspforte bei Tischnowitz in Mähren. Er stand in Kontakt zu tschechischen Widerstandskämpfern und rettete vielen Tschechen das Leben. Nach der deutschen Niederlage kehrte er in sein Kloster zurück, und nach und nach kamen auch die zerstreut lebenden Mönche. Am 2. Oktober 1946 beschied das ČSR-Landwirtschaftsministerium, dass das Kloster Hohenfurth gemäß den Beneš-Dekreten aufgehoben sei und sein Eigentum als deutsches Gut an den tschechischen Staat falle. Die Begründung: das Kloster habe „absichtlich und aktiv der deutschen Kriegsführung gedient“. Vielmehr jedoch war das Kloster im April 1941 wegen seines „feindlichen Verhältnisses zum Deutschen Reich“ aufgelöst worden. Der Abt legte Berufung ein, und am 11. September 1947 hob das höchste Verwaltungsgericht die Enteignung auf. Die deutschen Mönche wurden jedoch vertrieben und die Aufhebung der Enteignung von 4.000 Hektar Wald und mehreren Immobilien wurde nicht in die Grundbücher eingetragen. Das Staatsunternehmen Lesy ČR, das die Wälder zurückgeben sollte, wies darauf hin, dass die Hohenfurther Zisterzienser die Wälder am 25. Februar 1948 nicht besessen hätten, dass diese drei Jahre früher aufgrund der Beneš-Dekrete konfisziert worden seien und dass sie daher kein Recht auf deren Rückgabe hätten. Identische Probleme haben der Deutsche Ritterorden, der große Besitztümer in Nordmähren hatte, und der katholische Caritasverband. Dieser besaß viele Immobilien, die meist an Städte und Gemeinden übertragen wurden. Diese müssen das kirchliche Eigentum nicht herausgeben – diese Pflicht hat nur der Staat. Inzwischen mehren sich kirchenfeindliche Stimmen, die die Restitution ablehnen. Eine Schriftstellerin erstattete Strafanzeige gegen die Regierung und den Prager Erzbischof Dominik Kardinal Duka wegen versuchten Diebstahls von Staatseigentum. Ihr offener Brief an Papst Benedikt XVI. machte sie wohl bekannter als ihr literarisches Schaffen. Einige durchaus komische Ansichten hörte man auch im Parlament. So erklärte Ex-Premier und -ČSSD-Chef Jiří Paroubek, heute Vorsitzender der tschechischen Nationalsozialisten, die Kirchenrestitution der Nečas-Regierung sei der Versuch, die Stellung der katholischen Kirche im Lande wieder der anzunähern, die sie nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Aufteilung des Eigentums des tschechischen nichtkatholischen Adels und vor den Reformen Josephs II. eingenommen habe. Die Tschechische Bischofskonferenz wies darauf hin, dass ein Motiv des Ausgleichs sei, den Bürgern entgegenzukommen, die zu Recht verlangten, dass sich die Kirchen selbst finanzierten und nicht die Gelder aller Steuerzahler erhielten. Dieser Zustand sei das Ergebnis der Enteignung nach 1948. Die Rückgabe eines Teils der Immobilien werde nach strengen Regeln verlaufen und nur nach Vorlage der Dokumente, die das ursprüngliche Eigentum bezeugten. Das sei kein Geschenk, sondern ein teilweiser Eigentumsvergleich aus dem Kircheneigentum, das sich derzeit im Besitz des Staates befinde. Für das Eigentum, das nicht herauszugeben sei, werde eine finanzielle Entschädigung gezahlt. Diese Entschädigung zusammen mit wirtschaftlichen Erträgen sei nur für die Schaffung einer finanziellen Basis für den kirchlichen Betrieb bestimmt. „Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes kam es zum Konsens über die Solidarität aller bei uns traditionell wirkenden Kirchen und der Föderation der Jüdischen religiösen Gemeinden, so dass alle im Ökumenischen Kirchenrat und in der Föderation der Jüdischen religiösen Gemeinden an dem Ersatz für das nicht herausgegebene Eigentum der katholischen Kirche einen Anteil haben.“ Der Vergleich hebe auch die Blockade des kirchlichen Eigentums auf und ermögliche Städten, Gemeinden und sonstigen Besitzern ehemaligen kirchlichen Eigentums, darüber zu verfügen. Den Kirchen wird 56 Prozent ihres Eigentums im Wert
von 75 Milliarden Kronen in natura zurückgegeben. Für die restlichen Werte zahlt
der Staat in 30 Jahren 59 Milliarden Kronen einschließlich Inflation in Raten. 2030
endet die staatliche Finanzierung der Kirchen. Die Übergangszeit, während der der
Staatsbeitrag schrittweise herabgesetzt wird, beginnt 2013.
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