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Sprachen mit Vertretern der
Vertriebenen: Angela Merkel und Klaus Brähmig |
»Aussöhnung als Aufgabe«
Kongress der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Reichstag mit Vertretern der Vertriebenen
von Michael Leh
„Aussöhnung als Aufgabe − Deutschlands Arbeit an
den Kriegsfolgen seit 1945“ hieß das Thema eines Kongresses am vergangenen
Montag im Sitzungssaal der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Eingeladen hatte der
Vorsitzende der „Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten“
der CDU/CSU-Fraktion, Klaus Brähmig.
Der Sitzungssaal der CDU/CSU-Fraktion ist mit 300
Teilnehmern voll besetzt. Eingeladen waren vor allem Vertriebene und deren
Nachkommen aus dem Bund der Vertriebenen (BdV) und den Landsmannschaften.
Bundeskanzlerin Angela Merkel erscheint programmgemäß am Ende der Tagung. In
ihrer halbstündigen Rede versichert sie: „In der politischen Arbeit unserer
Fraktion hat die Vertriebenenarbeit nach wie vor ein Zuhause, um das ganz klar
zu sagen.“
Für das geplante Dokumentationszentrum der Stiftung Flucht,
Vertreibung, Versöhnung (SFVV) lägen die ersten Pläne der Architekten zum Um-
und Ausbau des Deutschlandhauses vor. Ebenso die Konzeption für die Arbeit der
Stiftung und Leitlinien für die geplante Dauerausstellung. „Die Stiftungsgremien
arbeiten eng zusammen − das ist ja auch schon mal was, das war nicht immer so“,
erklärt die Bundeskanzlerin. Immer wieder sei in den Gremien zwischen sehr
unterschiedlichen Sichtweisen zu vermitteln. Aus den Leitlinien zur
Stiftungsarbeit hebt sie unter Beifall diesen Satz bezüglich der Vertreibung
hervor: „Unrecht hat in der Geschichte oft zu neuem Unrecht geführt, doch
schafft früheres Unrecht, auch wenn es noch so groß war, keine rechtliche oder
moralische Legitimation für neues Unrecht.“ Ausgiebig würdigt Merkel die
„Versöhnungsarbeit“ mit den östlichen Nachbarn. Vage erklärt sie: „Ich weiß,
dass es auch noch Themen gibt, wo wir noch nicht die Lösung haben, das will ich
heute hier nicht verschweigen.“ An welche Themen sie dabei denkt, bleibt offen;
am wenigsten wohl an ungelöste Vermögensfragen, die auch seitens der BdV-Führung
„bis zur Nulllösung“ abgeräumt wurden. Die Benesch-Dekrete, die auch Horst
Seehofer, Schirmherr der Sudetendeutschen, bei seinem Prag-Besuch vor der Presse
nicht mehr anzusprechen wagte, bleiben auch auf diesem Kongress unerwähnt.
Fragen an Merkel sind nicht mehr möglich. Viele Teilnehmer scheinen aber bereits
glücklich zu sein, dass sie die Bundeskanzlerin sehen können. Politische
Forderungen wie in früheren Zeiten sind hier seitens der Vertriebenen nicht zu
vernehmen. Das vorgegebene Leitmotiv der Tagung lautet ja auch „Aussöhnung als
Aufgabe“ und nicht etwa „Offene Fragen im Verhältnis zu unseren östlichen
Nachbarn“. Eri-ka Steinbach diskutiert auf einem der Podien mit einem
Psychoanalytiker. Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder mahnt, die
Vertreibung der Christen im Orient nicht zu vergessen. Der in Mähren geborene
Literaturkritiker Hellmuth Karasek wiederum erzählt aus seiner Kindheit, während
der Regisseur Rick Ostermann seine Arbeit an einem Film über die Wolfskinder
schildert.
Auf dem Podium mit Mitgliedern des
Wissenschaftlichen Beirats der SFVV geht es auf einmal um die Frage, ob die
Vertreibung von Deutschen „nur“ als „ethnische Säuberung“ oder auch als
Völkermord anzusehen sei. Letzteres wird von den Historikern auf dem Podium −
Juristen sind nicht darunter − einhellig abgelehnt. Im Konzeptionspapier der
SFVV heißt es auch: „Die klare analytische Trennung von ethnischer Säuberung und
Genozid, von Vertreibung und Vernichtung, ist für das geplante Ausstellungs-,
Informations- und Dokumentationszentrum wesentlich.“ Der Sprecher der
Landsmannschaft Ostpreußen, Stephan Grigat, meldet sich dazu kritisch zu Wort.
Die Beirats-Historiker kennen wohl nicht zum Beispiel das Gutachten des
Völkerrechtlers Felix Ermacora, in dem er die Vertreibung der Sudetendeutschen
rechtlich als Genozid gemäß der Völkermordkonvention einstuft; eine Bewertung,
welcher sich der Völkerrechtler Dieter Blumenwitz anschließt und die auch vom
amerikanischen Völkerrechtler Alfred de Zayas geteilt wird. Kulturstaatsminister
Bernd Neumann erklärt, durch den Umbau des Deutschlandhauses erhalte die SFVV
einen Museumsbau mit mehr als 3000 Quadratmetern Nutzfläche, der in der Berliner
Gedenkstättenlandschaft keinen Vergleich zu scheuen brauche. Den Etat zum Erhalt
und zur Pflege des Kulturerbes der Deutschen im östlichen Europa habe er in
seiner Amtszeit von 13 Millionen auf 17 Millionen Euro erhöht. Der Ausbau und
die Modernisierung des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg und seine
Erweiterung um eine deutsch-baltische Abteilung stünden unmittelbar bevor. Das
Westpreußische Landesmuseum Münster werde in Kürze in das ehemalige
Franziskanerkloster in Warendorf umziehen, verbunden mit einer umfassenden
Modernisierung der Dauerausstellung.
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