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Der Landkreis
Heiligenbeil
Der Landkreis Heiligenbeil hat eine dreieckige
Gestalt und liegt in der Landschaft Natangen nördlich des Ermlands und am Frischen Haff.
Seine Landfläche ist 907,86 ha groß, er hat 53.207 Einwohner, das sind 58,6 auf
1 qkm. Die Kreisstadt Heiligenbeil,
3 km vom Haff entfernt und 1 km oberhalb der Mündung der Jarft in die Bahnau gelegen,
ist in der Nähe einer prußischen Kultstätte und einer hl. Burg Swentemest im Jahre
1301 mit dem Namen Heiligenstadt gegründet worden. Der Name wurde unter dem Einfluß
der zahlreichen Prußen in der Umgegend zu Heiligenbil und um 1400 zu Heiligenbeil.
Das unmittelbar vor der Stadt 1372 gegründete Augustinerkloster verdankte seine
Entstehung dem Hochmeister
Winrich von Kniprode. Es wurde 1520 von den Polen niedergebrannt und ging
bei der Reformation ein. Seine Ländereien verlieh Herzog Albrecht dem 1563 neugegründeten
St.-Georgs-Hospital, das schon 1416 als Aussätzigen-Spital bestanden hatte. In der
Südostecke der mit gitterförmigem Straßennetz angelegten Stadt stand die ehemals
dreischiffige Pfarrkirche; sie hatte ursprünglich einen hohen gotischen Turm, dessen
Portal war zwischen 1320/1330 mit Vierpaßformziegeln jedenfalls von demselben Baumeister
erbaut worden, der fast ein gleiches Portal für die Kirche in Balga verfertigt hat. Die Stadt
und die Kirche Heiligenbeil brannten mehrmals aus: 1463, 1519, 1677 und 1807. Die
Kirche wurde zuletzt nach einem Brand 1789/1796 erneuert. Während der Pestjahre
1709/1711 verlor die Stadt mehr als die Hälfte ihrer Bewohner. Bei dem letzten großen
Stadtbrand vom Dezember 1807 wurden 421 Gebäude, auch die Laubenhäuser am Markt,
zerstört. An die mittelalterliche Stadt erinnern das genannte Kirchenportal, die
zweijochige Sakristei mit dem achtteiligen Sterngewölbe, der rechteckige Marktplatz
mit dem zuletzt 1820/1824 erbauten Rathaus, dessen Säulenloggia unter dem Einfluß
David Gillys entstanden sein dürfte, und Reste der Stadtmauer. Diese war teilweise
bei mehreren Häusern in den Mauerstraßen mit eingebaut worden. Die beiden Stadttore
waren 1807 zerstört worden. Jahrhundertelang war Heiligenbeil eine Ackerbürgerstadt,
aber bekannt durch ihr gutes Bier und ihre vorzüglichen Drechslerarbeiten. Sie wurde
1819 Kreissitz und 1826 an die Berliner Chaussee angeschlossen (später Reichsstraße
1). Der frühe Anschluß an die Eisenbahnstrecke Königsberg-Elbing-Berlin
(1853) förderte den wirtschaftlichen Aufstieg. Seit den siebziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts erlangte die Stadt weiten Ruf durch die Landwirtschaftliche Maschinenfabrik
Rudolf Wermke und durch die Landwirtschaftliche Realschule, in jüngster Zeit durch
die Garnison, den Flugplatz und das Industriewerk, in dein vor allem Flugzeugreparaturen
ausgeführt wurden. 1935 wurde das Fischerdorf Rosenberg in Heiligenbeil eingemeindet;
dadurch erhielt die Stadt, die 1939 12.100 Einwohner hatte, einen Hafen am Frischen
Haff. Im März 1945 wurde fast die ganze Innenstadt durch russische Bomber zerstört;
in jener Zeit war sie Fluchtort für Vertriebene und Flüchtlinge und Brückenkopf
deutscher Truppen (Heiligenbeiler Kessel). - Das Leben in der Kleinstadt Heiligenbeil
in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts schildert Georg Reicke, der 1884/1885
Gerichtsreferendar in Heiligenbeil war, in seinem Roman „Im Spinnenwinkel".
In der Ordens- und Herzogszeit besaßen die unmittelbar auf
dem Haffufer gelegenen Ordensburgen Balga und
Brandenburg, 1239 bzw. 1266 vom Deutschen Orden gegründet, eine
hervorragende Bedeutung als Komturssitze, Konventshäuser und
Verwaltungsmittelpunkte.
Balga war von 1525 bis 1550 Wohnsitz des samländischen
evangelischen Bischofs Georg von Polenz, der als Förderer der Reformation
hervorgetreten ist. Während das Haupthaus der
Brandenburg bis auf Fundamentreste verschwunden ist, dienten die Gebäude der
Vorburg der Domäne Brandenburg als Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Von der Burg
Balga, deren Steine hauptsächlich für den Bau der Festung
Pillau verwendet worden sind, blieben ein Wachtturm und Mauerreste erhalten;
der Turm wurde 1929 in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt und barg ein
Heimatmuseum. Die idyllisch gelegene Burgruine und der auf dem hohen Haffufer
wunderbar gelegene Flecken Balga gehörten seit Jahrzehnten zu den besuchtesten
Orten des Kreises. Der Marktflecken
Brandenburg, der sogar einmal Stadt war (um 1725) und eine Garnison hatte,
besaß eine sehenswerte Kirche; in ihr erinnerte eine Grabplatte an den 1380
verstorbenen Komtur Günther von Hohenstein, der Brandenburg durch eine Reliquie
der hl. Katharina zu einem in der Ordenszeit viel besuchten Wallfahrtsort
gemacht hatte. - Zu einem Luftkurort war das aufblühende Ludwigsort am Rande der
Brandenburger Heide geworden. - Kirchlicher und einst wirtschaftlicher
Mittelpunkt eines umfangreichen Gebiets war Bladiau; es hatte ein reich
ausgestattetes Gotteshaus, dessen erste Entstehung wahrscheinlich schon im 13.
Jahrhundert zu suchen ist. - Die Kirche in Waltersdorf besaß einen geschnitzten
Flügelaltar aus dem Ende der Ordenszeit und eine prächtige Kanzel. - Die
wahrscheinlich schon im 13. Jahrhundert gegründete Kirche in Pörschken war mit
ihrem hohen, spitzen Turin ein besonders wirksamer Blick- und Mittelpunkt der
Dörfer in der wasserreichen Huntau, einem „Ländchen" südlich der
Frischingniederung. Die Kirche war reich an Gestühl und Emporen und besaß einen
vergoldeten gotischen Kelch aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. - Zu den
imposantesten frühgeschichtlichen Anlagen Ostpreußens gehörte der Lateinerberg
bei Heiligenbeil, wo sich eine dreigeteilte prußische Feste mit Kirchberg,
Kranzberg und Fliehburg, dem Plettinenberg, über das tiefeingeschnittene
Jarfttal erhob. - In dem 1308 gegründeten Kirchdorf Eisenberg bestand von etwa
1325 bis um 1455 ein Ordenshof, der Mittelpunkt eines bedeutenden Waldamts war.
- Alte Adelssitze mit bemerkenswerten Herrenhäusern in prächtigen Parks waren
die Güter Groß-Klingbeck, Grunenfeld, Lindenau (hier wurde 1785 Fr. Wilhelm P.
L. Prinz v. Holstein-Beck, der Stammvater der Könige Dänemarks, geboren), Pellen
(aus einem Ordenshof hervorgegangen), Partheinen (seit 1744 Majorat der Familie
von Glasow), Keimkallen, Otten, Rippen (mit einem Mausoleum und einer
Marmorstatue der Gräfin Wilhelmine von der Schulenburg nach dem Entwurf von
Christian Daniel Rauch, 1820/1822), Schettnienen, Schwengels, Stuthenen,
Weßlienen. - Grunenfeld ist der Geburtsort Richard Schirrmanns, des Begründers
der Jugendherbergen in Deutschland und aller Welt, er wurde hier als Sohn eines
Lehrers am 15. Mai 1874 geboren (+ 1961). - In Wolittnick wurde am 6. August
1825 der Schriftsteller Ludwig (Louis) Passarge geboren (+ 1912).
Patenschaftsträger für den Kreis Heiligenbeil ist der Kreis
Burgdorf bei Hannover, für die Stadt Heiligenbeil die Stadt Lehrte und für die
Stadt Zinten die Stadt Burgdorf.
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Quellen:
Foto: Archivmaterial;
Wappen: Das Ostpreußenblatt (www.Ostpreussenblatt.de),
2000;
Text: Guttzeit: Ostpreußen in 1440 Bildern, Verlag Rautenberg, 1972-1996, Seite
20-22
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