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Späte Entrüstung Die Mitglieder der 1969 im niedersächsischen Bad Nenndorf gegründeten „Agnes-Miegel-Gesellschaft“, in der Mehrzahl ältere Frauen und Männer, überwiegend mit ostpreußischer Biografie, wußten kaum, wer diese 70 jungen Leute einer "Antifa"-Gruppe Weser / Deister / Leine waren, die am 1. März wild protestierend durch die Straßen zogen um sich dann, im Sprechchor „antifaschistische“ Parolen rufend, vor dem Hotel Hannover in der Innenstadt zu versammeln. In diesem Hotel fand die Jahrestagung der Gesellschaft statt, während ein unbekanntes „Bündnis gegen Agnes-Miegel-Verherrlichung“, das schon am 21. Februar das Agnes-Miegel-Denkmal im Kurpark „revolutionär“ verhüllt hatte, das Treffen zu verhindern suchte. Dank des umsichtigen Eingreifens der Polizei blieb es bei diesem Versuch. Die Jahrestagung vom 29. Februar bis 3. März, in der es um Agnes Miegels Lyrik ging, konnte ohne wesentliche Störung beendet werden, zumal die Mitglieder, während in der Innenstadt demonstriert wurde, ohnehin am Grab der geschmähten Dichterin auf dem Friedhof versammelt waren. Marianne Kopp, die Vorsitzende der 700 Mitglieder umfassenden Gesellschaft, bestreitet keineswegs, daß die geborene Königsbergerin Agnes Miegel (1879–1964), die „Mutter Ostpreußen“, wie sie nach 1945 von ihren heimatvertriebenen Landsleuten genannt wurde, dem Dritten Reich gegenüber freundlich gesonnen war und von den Nationalsozialisten gefördert wurde. Agnes Miegel ist 1916 mit dem angesehenen Kleist-Preis, den 1928 auch Anna Seghers zugesprochen bekam, ausgezeichnet worden, 1954 wurde sie zur Ehrenbürgerin Bad Nenndorfs ernannt, 1959 bekam sie den „Großen Literaturpreis“ der „Bayerischen Akademie der Schönen Künste“, und zum 100. Geburtstag 1979 wurde sie mit einer Briefmarke geehrt. Sie ist die letzte deutsche Balladendichterin und wird von der Literaturwissenschaft durchaus anerkannt. Das alles interessierte die angereisten Mitglieder des „Bündnisses gegen Agnes-Miegel-Verherrlichung“ freilich nicht, die bei strömendem Regen mit ihrem Schlachtruf „Mit dem Agnes-Miegel-Kult brechen! Gegen Opfermythen und Revisionismus!“ durch die Straßen des Kurorts zogen. Sie waren mit dem Weltgeist verbündet, hatten sie doch in Bad Nenndorfs Geschichte und Gegenwart nach „faschistischen Spuren“ gesucht und entdeckt, daß auch die ostpreußische Kreisgemeinschaft Wehlau immer dort tagt. Zunächst einmal hatte das Bündnis Schwierigkeiten, genügend Demonstranten zu bekommen, weil wegen des Sturms „Emma“ die Züge verspätet eingetroffen waren. Deshalb wurde auch auf das Schrei- und Pfeifkonzert vor dem „Agnes-Miegel-Haus“ verzichtet und nur die Kundgebung in der Hauptstraße abgehalten. Hier schimpften mehrere Redner auf Agnes Miegel und den „verharmlosenden Umgang“ mit ihrem dichterischen Werk, von dem sicher kaum einer der Demonstranten jemals eine Zeile gelesen hatte. Trotzdem hat sich das Bündnis hohe Ziele gesetzt: Es will dafür sorgen, daß die „Agnes-Miegel-Schulen“ in Düsseldorf, Osnabrück, Wilhelmshaven, Willich und die Agnes-Miegel-Straßen in Deutschland“ umbenannt werden.
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