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SPD will Vertriebenen-Mahnmal nicht nur den Deutschen widmen Heiligenstadt (Eichsfeld). Das Adjektiv „deutsch“ ist für Heiligenstädter Sozialdemokraten ein Problem. Sie möchten das Wort aus einem Text entfernen lassen, der als Inschrift eines neuen Mahnmals vorgesehen ist. Das Eichsfeld soll endlich ein würdiges Denkmal erhalten, das an die Millionen Flüchtlinge erinnert, die vor 70 Jahren aus den deutschen Ostgebieten vertrieben worden waren. Seit dem vergangenen Jahr besteht der Plan, in der Lindenallee in Heiligenstadt eine Bronzeskulptur aufzustellen. Das Kunstwerk gehört dem Heiligenstädter Zahnarzt Dr. Karl-Heinz Wittkowski. Die Bronzeplastik ist eine Arbeit des berühmten Bildhauers Gerhard Marcks. In Wittkowskis Besitz gelangte die Skulptur, als der Eichsfelder sie vor Jahren vom Nachlassverwalter des Künstlers erwerben konnte. „Jeremias“ heißt die kleine Figur. 49 Zentimeter hoch. Es ist ein kauernder Mann. Nackt und ausgemergelt, nur mit einer Decke über den Schultern. Die Skulptur entstand im Jahr 1958. Mit ihr thematisierte Marcks die Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg. Wittkowski, selbst Sohn von Vertriebenen, würde die Bronzeplastik gern der Stadt als Dauerleihgabe überlassen. Der Standort ist schnell gefunden – in der Lindenallee. Volker Lamprecht von der Bürgerinitiative „Menschen für Heiligenstadt“ begrüßt diese Entscheidung sehr. Er sieht die Figur dort als „Kontrapunkt zum Kriegerdenkmal“. Das ist ganz im Sinne von Karl-Heinz Wittkowski. Der „Jeremias“ soll dort an das Schicksal der Vertriebenen erinnern und gleichzeitig mahnen. Millionen Menschen seien vor 70 Jahren traumatisiert worden, als sie ihre Heimat verloren, auf der Flucht viel Grausiges erleben mussten und später in den ihnen zugewiesenen Gebieten oft auf die Ablehnung der Einheimischen stießen. In der DDR sei dieses Thema totgeschwiegen worden, meint Wittkowski. Im Eichsfeld gebe es auch nur ganz wenige Orte der Erinnerung. In Effelder kennt der Mediziner eine Stelle. Und dann ist da noch eine Gedenktafel an dem Heiligenstädter Lingemann-Gymnasium, das einst ein Quarantänelager für Umsiedler war. Die Bronzeskulptur sei „ein ganz leises Denkmal“, sagt Wittkowski. Es schreie nicht, soll aber zum Nachdenken anregen. Die Figur soll einen Sockel erhalten, an dem wiederum eine Inschrift vorgesehen ist, die erklären soll, dass das Mahnmal den deutschen Vertriebenen und Flüchtlingen gewidmet ist. Gegen das Denkmal hat Franz-Josef Strathausen (SPD) keine Einwände. Aber er möchte es gern auf alle Flüchtlinge beziehen, nicht nur auf die deutschen. Deshalb sollte man dieses Adjektiv einfach weglassen. „Gegen die nationale Einschränkung“ ist auch Heinz Funke (SPD). Die Skulptur zeige „nichts Deutsches, sondern das Elend der Vertreibung“. Deshalb plädiert auch er für den Verzicht auf das Adjektiv. Es droht ein Streit. Denn die Meinungen der Sozialdemokraten sind nicht konsensfähig. Die Bronzefigur habe „eine bestimmte Intention des Künstlers“, sagt Hans-Gerd Adler (CDU). Über die könne man sich doch nicht so einfach hinwegsetzen. Adler hält es „nicht für bedenklich, wenn hier nur an die deutsche Vertreibung erinnert wird“. Auch Karl-Heinz Wittkowski lehnt eine „Neu-Interpretation“ des Kunstwerkes ab. Der Jeremias müsse das Mahnmal bleiben, als das ihn Gerhard Marcks vor 58 Jahren geschaffen hat. Heiligenstadts Bürgermeister Thomas Spielmann
(BI) sieht es ähnlich: „Wir können nicht alle Kunstwerke der jeweiligen Weltlage
anpassen.“ Pragmatisch stellt sich Thomas Stützer (CDU) der Diskussion: Wenn es
der SPD so wichtig sei, auch gegenwärtigen Flüchtlingen gerecht zu werden, könne
man ja noch ein anderes Denkmal in der Stadt errichten. Im Kulturausschuss
findet die SPD-Meinung keine Mehrheit. Wer nun aber denkt, das Thema sei damit
vom Tisch, kennt Heiligenstadts Stadtrat noch nicht.
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