Opfer
von Marienburg werden beigesetzt
Von Christian Rudolf
BERLIN.
Die sterblichen Überreste von
2.116 Personen, die von Oktober 2008 bis April 2009 in einem Massengrab in Marienburg
/ Westpreußen (heute: Malbork) gefunden wurden, werden am 14. August während
einer öffentlichen Gedenkfeier auf der Kriegsgräberstätte in Neumark (Stare Czarnowo),
Ortsteil Glien (Glinna), bei Stettin (Szczecin) bestattet.
Das hatte der Volksbund Deutsche
Kriegsgräberfürsorge, der die Anlage unterhält, im Juni entschieden, nachdem die
Untersuchung ausgewählter Gebeine durch die Danziger Gerichtsmedizin offiziell abgeschlossen
worden war.
An der Feierlichkeit nehmen der
Präsident des Volksbundes, Reinhard Führer, und Repräsentanten der Stadt Marienburg,
der Woiwodschaft Stettin und von Vertriebenenverbänden teil. Für den Bund der Vertriebenen
reist dessen Generalsekretärin Michaela Hriberski an. Geistliche aus Deutschland
und Polen, darunter der emeritierte Weihbischof Gerhard Pieschl aus Limburg, begehen
eine ökumenische Trauerfeier. Bischof Pieschl ist Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz
für die katholische Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge.
Unmut unter heimatvertriebenen
Marienburgern
Der deutsche Botschafter in Polen,
Michael Gerdts, und der Generalkonsul in Danzig, Joachim Bleicker, hätten ihr Kommen
zugesagt. Der Volksbund sprach die Erwartung aus, daß zahlreiche Deutsche und Polen
den Toten ein letztes Geleit erweisen würden.
Von der Teilnahme bundesdeutscher
Regierungsvertreter ist indessen nichts bekannt. Die Präsidentin des Bundes der
Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, hatte in einem Beitrag für die Bild am Sonntag
gefordert, daß Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) „persönlich teilnehmen
sollte“. Es reiche nicht, zu dem Begräbnis den deutschen Botschafter zu schicken.
„Sonst stellt sich die Frage: Sind deutsche Opfer unwichtige Opfer?“ Das Außenministerium
lasse es „bei zahlreichen Einweihungen von Gedenkstätten für deutsche Opfer“ an
der nötigen Anteilnahme fehlen, so Steinbach.
Großen Unmut gibt es einstweilen unter heimatvertriebenen Marienburgern. Auf dem
33. Bundestreffen des Heimatkreises Marienburg Ende Juli in Magdeburg gaben viele
Angehörige des Heimatkreises der Befürchtung Ausdruck, ihre Teilnahme an der Beisetzung
könnte als „stillschweigendes Einverständnis mit denen ausgelegt werden, die für
die Fortschaffung“ der sterblichen Überreste aus Marienburg „und die Wahrheitsvermeidung
eintreten“.
Sie wollen deshalb der Bestattung
fernbleiben und „zu gegebener Zeit in einer eigenen Veranstaltung feierlich der
Toten von Marienburg gedenken“. Immer wieder hatte der Heimatkreis Marienburg gegenüber
der Stadt Marienburg darauf gedrungen, die Toten, die ganz offensichtlich deutsche
Marienburger waren, auch in ihrer Heimat zu beerdigen – ohne Erfolg. Es sei „unfaßbar“,
daß offizielle Institutionen beider Staaten „die Wahrheit über die Toten nicht ans
Tageslicht bringen“, heißt es auf der Netzseite des Heimatkreises.
Das vom polnischen Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) in Auftrag gegebene Gutachten
liegt der JUNGEN FREIHEIT in Übersetzung vor. Wie bereits eine zusammenfassende
Wiedergabe durch den Volksbund erkennen ließ, war die Frage nach der Herkunft der
Opfer, ihre Nationalität und ihr Todeszeitpunkt gar nicht Gegenstand der Untersuchung.
Das Gutachten, das bereits vom 18.
Mai datiert, schließt nicht aus, daß „während der Arbeiten nicht alle Oberschenkelknochen
und Schädel identifiziert worden sind“. Das sei „durch bedeutende Knochenzerstückelung
sowie Verschmutzung mit Erde verursacht“. Weiter heißt es, „ein ziemlich großer
Teil der Schädel“ sei „zerstückelt, was deren Geschlechts- und Altersklassifikation
ausschließt“. Wie berichtet, war der überwiegende Teil der Knochen mit Baggern aus
der Erde gerissen worden.
„Keine direkten Kriegshandlungen“
Das Gutachten kommt zu dem Schluß, daß als Todesursache der etwa 2.120 Personen,
die nackt verscharrt worden waren, „keine direkten Kriegshandlungen“ in Frage kommen,
sondern „höchstwahrscheinlich (...) mehrere Faktoren: Krankheiten, Hunger, Kälte“.
Trotzdem nimmt das Gutachten ohne Begründung an, daß die Toten zwischen Januar und
März 1945, das heißt während der Eroberung Marienburgs durch die Rote Armee, umgekommen
sein sollen. Nur wenige Gebeine und Knochenteile wiesen Merkmale eines gewaltsamen
Todes durch Waffeneinsatz oder infolge von Kampfhandlungen auf.
Bei der Ausfertigung des Gutachten-Protokolls war der für den Volksbund arbeitende
Umbetter Wolfgang Dietrich vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge anwesend,
der durch eine Dolmetscherin mit dem Inhalt des Gutachtens vertraut gemacht wurde
und „keine Einwände vorgebracht“ hatte.
„Erforderliche Untersuchungen werden offenbar bewußt unterlassen, damit die Wahrheit
im dunkeln bleibt“, sagte Hans Joachim Borchert vom Heimatkreis Marienburg der JUNGEN
FREIHEIT. „Die Toten können genausogut auch Verbrechensopfer aus der Zeit nach Mai
1945 sein.“ Borchert gab zu bedenken, schließlich hätten die Toten vollständig nackt,
ohne Eheringe und ohne irgendwelche Gegenstände, teilweise in den verschütteten
Kellergewölben des seinerzeitigen Hotels „Drei Kronen“ gelegen. „Einzig und allein
eine Brille hat man gefunden.“
Der Heimatkreis wolle daran festhalten,
daß Versöhnung auf Wahrheit gegründet sein muß. Hoffnung gäben vor allem junge Polen,
die Vertuschungsversuche aufmerksam verhindert haben und sich für die Bestattung
in Marienburg aussprachen.
Inszenierung für die Presse
Der wiedergewählte Vertreter des
Heimatkreises, Bodo Rückert, will an der Beerdigung in Neumark teilnehmen. Das bedeute
aber nicht, daß der Heimatkreis der Fortschaffung der Toten aus Marienburg zustimmt.
Die BdV-Vorsitzende Erika Steinbach
erwartet, daß zukünftig noch mehr Massengräber in Polen gefunden werden. Das Grab
in Marienburg lenke den Blick auf das Nachkriegsgeschehen in Polen und den polnisch
verwalteten Gebieten. „Flucht, Vertreibung, aber auch Lagerhaft forderten viele
Opfer unter der deutschen Bevölkerung in Schlesien, Pommern, Ost-Brandenburg und
Ostpreußen.
Das Bundesarchiv ermittelte bereits
in den siebziger Jahren über 2.000 Lager“, sagte Steinbach. Vorrangige Aufgabe deutscher
Politiker müsse es sein, für ein angemessenes und würdevolles Gedenken über den
Tag hinaus zu sorgen.
Der JUNGEN FREIHEIT wurde unterdessen
ein pikantes Detail aus Marienburg zugespielt: die feierliche Beerdigung der ersten
Knochen von 67 Toten aus dem Massengrab Ende Oktober 2008 auf dem kommunalen Friedhof
in Marienburg-Willenberg soll eine Inszenierung für die Presse gewesen sein.
Die Knochen wurden ursprünglich
ohne Aufhebens am Rande des Friedhofes in einer Kiste begraben. Erst als das öffentliche
Interesse an dem Massengrab unterhalb der Marienburg erwachte, soll die Beerdigung
im katholischen Ritus im Beisein von Vertretern der Stadtverwaltung nachgeholt und
für die Presse fotografisch festgehalten worden sein.
Fotos vom Massengrab
in Marienburg 2008/2009
Fotos von Marienburg
1945
Dokumente: Keine
Bomben auf Marienburg während WK2
Fotos vom alten
Marienburg vor 1939
PDF-Dateien:
Rätselhafter
Fund - Dokumentation
Die
BJO-Stellungnahme zum Fall Marieburg
Berichte zum Massengrab Marienburg:
25.12.2010: Massengrab Marienburg an Weihnachten vergessen;
03.06.2010: Tausende unschuldige Tote und kein Kläger;
03.06.2010: Gerichtsmediziner gehen nicht von Massaker aus;
28.10.2009: Massaker von Marienburg erfolgreich verschleiert;
22.08.2009: Zusammenfassung der Ereignisse;
22.08.2009: Video-Berichte auf Ostpreußen-TV;
15.08.2009: Opfer aus Marienburg bei Stettin beigesetzt;
15.08.2009: Marienburg kein Wallfahrtsort für Neonazis;
14.08.2009: Letzte Ruhe in Neumark nach mehr als 60 Jahren;
12.08.2009: Opfer von Marienburg werden beigesetzt;
09.08.2009: SPD nicht an deutschen Opfern interessiert;
20.07.2009: Gazeta Wyborcza: Wer hat in Marienburg getötet?;
29.06.2009: Zivile Massengräber - Volksbund zeigt Vernunft;
27.06.2009: Frauen und Kinder auf Soldatenfriedhof;
24.06.2009: Die Toten von Marienburg weiterhin ohne Ruhestätte (mit Video);
08.06.2009: Marienburger Massengrab: Tausend tote Frauen, hunderte tote Kinder;
29.05.2009: Über 1.000 Frauen im Marienburger Massengrab;
06.05.2009: Ausgräber finden im Marienburger Massengrab 2.500 Skelette;
25.04.2009: Zeuge stirbt vor polnischem IPN-Staatsanwalt;
12.04.2009: Was unterscheidet Marienburg von Katyn?;
03.04.2009: Schockierend: Zahl der Opfer in Marienburg schon 2.400;
18.03.2009: Marienburg: Auch Kriegsgräberfürsorge bildet jetzt Meinungen;
18.03.2009: Schindluder mit den Toten von Marienburg;
28.02.2009: Marienburg: Kein Hotel auf dem Massengrab;
11.02.2009: Staatsanwaltschaft präsentiert Zeugenliste;
09.02.2009: Regierung bemüht sich um Aufklärung;
07.02.2009: Massengrab Marienburg: Heuchler, Lügner und Grabschänder;
31.01.2009: »Das ist der rechtliche Standard, den wir angemahnt haben«;
31.01.2009: Bisher nur Mosaiksteinchen;
25.01.2009: Polnische Medien: Wurde Massengrab in Marienburg vertuscht?;
23.01.2009: Massengrab Marienburg - Kein Verbrechen der Russen?;
17.01.2009: Massengräber stellen die deutsche Versöhnungspolitik auf die Probe;
17.01.2009: Aufklärung ist möglich;
17.01.2009: Viele zivile Opfer in diesem Raum – Zwei neue Zeugenaussagen;
14.01.2009: Massengrab Polen: Behörden im Widerspruch;
10.01.2009: Auswärtiges Amt hält sich für nicht zuständig;
10.01.2009: Das Geheimnis um das Massaker von Marienburg;
07.01.2009: Berlin schweigt zu gigantischem Massengrab in Polen (mit Video);
07.01.2009: Massengrab: Polen entdecken immer mehr deutsche Opfer;
30.12.2008: Marienburg ein polnisches Katyn? Schon 1.500 Schädel gefunden;
29.12.2008: Kriegs-Verbrechen oder Kriegs-Folge?;
10.12.2008: Massengrab nahe der Marienburg entdeckt;
06.12.2008: Großes Massengrab mit Zivilisten in Polen entdeckt;
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weitere Informationen:
13.08.2009: Späte Ruhe für 2116 Tote
www.welt.de/die-welt/politik/article4311528/Spaete-Ruhe-fuer-2116-Tote.html;
11.08.2009 Bleibende Erinnerung und Mahnung
http://www.bund-der-vertriebenen.de/presse/index.php3?id=879;
10.08.2009: Steinbach: Steinmeier muss zu Begräbnis von Kriegsopfern
www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5hZ6cREeV-tykdVNEpAOWVgyML1Cw;
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sich für eine Klärung dieser Schicksale einzusetzen.
Über www.abgeordnetenwatch.de
ist jeder Abgeordnete mit Anfragen erreichbar.
Wenn diese Anfragen nicht nur über die Landsmannschaften, sondern auch von vielen
persönlich betroffenen Bürgern kämen, gewönnen sie an Gewicht.
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