Der Landkreis Heydekrug 1818 aus den Kirchspielen
Werden, Ruß, Kalleninken, Schakuhnen mit Karkeln, Kinten und 13 Ortschaften des
Kirchspiels Prökuls gebildet, war vor der Abtrennung des Memelgebiets 805,08 qkm,
danach im Jahre 1919 618,9 qkm (das sind 76,8 v. H. des vorher bestehenden Kreises)
groß; 1931 (bei der Zugehörigkeit zu Litauen) wird seine Größe mit 645 qkm, seine
Einwohnerzahl mit 37.661 angegeben, d. s. 58,38 auf 1 qkm. Bedingt durch seine Lage
im Memeldelta, ist der westliche Kreisteil eine weite Niederungslandschaft, der
östliche hat bescheidene Moränenhöhen. Vor der Ordenszeit gehörte das Kreisgebiet
zu der kurischen Landschaft Ceclis, die auch den südöstlichen Teil des Kreises Memel
umfaßte. Der Raum des späteren Kreises Heydekrug bestand einst aus ausgedehnten
Mooren, Sumpfwäldern und Heideflächen. Die Hochmoore bedecken 30 v. H. der Bodenfläche;
das Augstumalmoor ist 30 qkm, das Kupkalwer Moor 18 qkm groß. Bis zum 16. Jahrhundert
wies das Kreisgebiet nur ganz wenige Siedlungen auf. Im Jahre 1540 hatte das Hauptamt Memel, zu dem der spätere
Kreis Heydekrug gehörte, 61 Ortschaften, von ihnen lagen nur 18 im späteren Kreise,
und zwar „im Wildniskreis" Werden. 1679/1680 waren es bereits 77 Dörfer; die Zahl
der Wirte hatte sich verdreifacht. Ackerbau, Viehzucht, Imkerei und Fischerei bildeten
die Haupterwerbsquellen. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde die urtümliche
Landschaft entwässert, kultiviert und immer mehr besiedelt und durch Straßen, Brücken,
besonders im 19. Jahrhundert erschlossen. Von besonderer Bedeutung war die Fertigstellung
der Petersbrücke mit Schiffsdurchlaß über die Athmath 1913/1914; sie ist im Oktober
1944 von deutschen Pionieren leider zu früh gesprengt worden, so daß Tausende von
Memellandbewohnern in die Hände der Russen fielen. Die 1882 gegründete Ostpr. Torfstreu-AG.
in Trakseden verarbeitete den im Augstumalmoor gestochenen Torf zu Ballen;
1904 stellte sie 100.000 Ztr. her und bestand bis zur Vertreibung. Nach der Rückkehr
des Memelgebiets ins Deutsche Reich 1939 wurde der Kreis Pogegen aufgelöst; sein
nördlicher Teil mit Plaschken, Koadjuthen u. a. Orten wurde dem Kreis Heydekrug
zugeteilt. Am 1. Januar 1940 hatte er 52.227 Einwohner. - Die Kreisstadt Heydekrug ist aus einer Krugsiedlung hervorgegangen. Der Memeler Komtur Michael von Schwaben
verlieh 1511 dem Krüger Georg Talat den neuangelegten „Krug auf der Heide", um den
sich nach und nach deutsche und litauische Einwanderer niederließen. Die Kirche
lag im benachbarten Werden, wo seit 1588 Pfarrer amtiert haben. Ein eigenes
Gotteshaus erhielt Heydekrug
erst 1926. Der Marktflecken Heydekrug war von Ende November bis Mitte Dezember 1678
von Schweden besetzt. Am 30. Januar 1679, dein Tag des siegreichen Gefechts der
Preußen gegen die Schweden, traf der Große Kurfürst
in Heydekrug ein. Im Jahre 1727 sollte der Ort zur Stadt erhoben werden und Werden
heißen. Der Plan wurde aber nicht ausgeführt, angeblich weil der Amtmann Werner,
der das Domänenamt Heydekrug gepachtet hatte, Einspruch erhob. Seit der 2. Hälfte
des 18. Jahrhunderts erstarkte das Deutschtum des Marktfleckens, der mit einem Wochen-
und drei Jahrmärkten begabt war. 1818 wurde Heydekrug Kreisort, mehrere
Behörden ließen sich in ihm nieder. Am 1. Mai 1829 wurde Heydekrug durch eine große
Oberschwemmung heimgesucht; 23 Wohnhäuser und 16 Wirtschaftsgebäude wurden vollständig
zerstört, 122 bzw. 90 beschädigt. Dabei kamen Hunderte von Pferden, Rindern, Schafen
und Schweinen um. Nach der Rückkehr des Memelgebiets zu Deutschland wurde Heydekrug,
das 1939: 4.836 Einwohner hatte, am 27. September 1941 zur Stadt erhoben. Am 9.
Oktober 1944 fiel Heydekrug in russische Hände und gehört seit 1945 zur Litauischen
SSR.
In dem unweit Heydekrug gelegenen Matzicken
wurde am 30. September 1857 der Schriftsteller Hermann Sudermann geboren (+ Berlin
1928). Sein Roman „Frau Sorge" spielt in und um Heydekrug; einige seiner Erzählungen,
die „Litauische Geschichten" - „Die Reise nach Tilsit" ist am bekanntesten - haben
auch die untere Memellandschaft zum Schauplatz. - In Windenburg bestand eine
1360 von Henning Schindekop errichtete Ordensburg; sie unterstand dem Ordensmarschall
in Königsberg, seit
dem Ende des 15. Jahrhunderts dem Komtur, danach dem Hauptamt Memel. Sie lag an einer
ins Haff vorspringenden Landspitze. Eisgang, Strömung und Stürme haben sie fortgerissen.
Der Pfleger der Windenburg siedelte nach 1436 nach Ruß über. Die Kirche in Windenburg
stürzte 1702 ein; sie wurde nach Kinten verlegt, wo bald danach ein Gotteshaus
erbaut worden ist. Das Fischerdorf Windenburg erhielt 1863 statt der bisherigen
Leuchtbake einen Leuchtturm, der die Schiffer auf die gefährliche „Windenburger
Ecke" aufmerksam macht. - Das am gleichnamigen Rußarm gelegene Dorf Warruß
geht auf das vor 1366 errichtete Ordenshaus Varriskin zurück; es diente ebenso wie
die Windenburg und die vom Bischof von Samland erbaute Burg Wenkisken
zur Sicherung der Verkehrswege des Deutschen
Ordens und als strategische Verteidigungsanlage. - Ostwärts Warruß liegt
der Marktflecken Ruß; er dürfte ursprünglich als kurische Fischersiedlung
bestanden haben, in die seit dem 15. Jahrhundert Litauer und Deutsche einwanderten.
Der Krug bestand schon 1498. Er war um 1650 an den Pächter Richard Kant verpachtet,
den Urgroßvater des Königsberger Philosophen Immanuel Kant, später besaß Richard
Kant den Krug in Heydekrug.
Sein Sohn Hans lebte in Memel,
erst dessen Sohn Johann Georg Kant als Riemermeister in Königsberg. Ruß wurde 1792
zum Marktflecken erhoben. Es trieb im 19. Jahrhundert regen Holzhandel und besaß
mehrere Schneidemühlen. Die Bedeutung Ruß hatte mit dem Aufblühen des Memeler Holzhandels
begonnen; Ruß war gewissermaßen der „Vorhafen" Memels, dessen Holzhändler hatten
hier ihre Spediteure. Das aus Rußland kommende Holz wurde in Ruß fester verkoppelt
und übers Haff nach Memel geleitet. Auch Getreide wurde hier für die Fahrt nach
Memel auf Kähne umgeladen. Nach der Fertigstellung des König-Wilhelm-Kanals (1873)
verlor Ruß seine Bedeutung; die der Stadt Memel wuchs. Seit
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts blühte der Fischhandel in Ruß, und zwar
mit Quappen, Ukelei, Zander, Neunaugen, die in einer Neunaugenrösterei für den Versand
zubereitet wurden. Die Pfarrkirche in Ruß, ein Saalbau von 1809, der mehrfach verändert
worden ist, besaß ein ausdrucksvolles Kruzifix aus der Zeit um 1500 und eine Messingtaufschüssel
aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. - Das 1844 gegründete Kirchspiel Saugen
erhielt 1853/1857 ein Gotteshaus. - Der 1895 begründete Seelsorgebezirk Eydaten
wurde 1901 nach Ramutten an der Tenne (1941 in Tennetal umbenannt) verlegt, wo 1902
eine Kirche entstand. - Das in der Nähe der russischen (bzw. litauischen) Grenze,
anmutig an der Schiesche gelegene Koadjuthen spielte einst im Grenzhandel
eine Rolle, seine Kirche wurde 1734 eingeweiht, nachdem die 1574 erbaute abgerissen
worden war. - Das Kirchdorf Plaschken hatte seit 1696 einen Geistlichen.
Patenschaftsträger für den Kreis Heydekrug ist
die Stadt Mannheim.
Quellen:
Wappen: Das Ostpreußenblatt (www.Ostpreussenblatt.de),
2001;
Text: Guttzeit: Ostpreußen in 1440 Bildern, Rautenberg, 1972-1996, Seite 59-61
Diese Netzseiten sind optimiert
für 1024x768 oder höher und 24 Bit Farbtiefe sowie MS-Internet Explorer 11.x oder höher.
Netscape ab 7.x oder andere Browser mit Einschränkungen verwendbar. - Soundkarte
für Tonwiedergabe erforderlich.