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Stanisław Aronson am Jan-Karski-Platz im Norden von Tel Aviv (Martin Sander)
Stanisław Aronson am Jan-Karski-Platz im Norden von Tel Aviv (Martin Sander)
 
 

Stanisław Aronson und die polnische Geschichtspolitik
"Dabei wäre es ganz einfach, offen darüber zu sprechen"
Von Martin Sander

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Polen hat mit seinem sogenannten Anti-Verleumdungsgesetz für viel Empörung gesorgt. Kritik kam vor allem aus Israel und den USA. Seine Zweifel hat auch Stanisław Aronson, ein früherer polnischer Untergrundkämpfer, der schon lange in Israel lebt. Von den Nationalkonservativen vereinnahmen lassen will er sich schon gar nicht.

Wahrscheinlich hätte er vor einigen Jahren, zu Zeiten eines intensiven, freundschaftlichen polnisch-jüdischen Dialogs gar nicht glauben können, dass so etwas möglich ist. Nun steht Stanisław Aronson in seiner Hochhauswohnung im Norden von Tel Aviv wie vor einem Scherbenhaufen. Aronson, 1925 in Warschau geboren, nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Palästina geflohen, hat viele Freunde in Polen - und kann kaum fassen, was die nationalkonservative Regierung in Warschau treibt:

"Wenn man einmal anfängt zu lügen, dann gibt es kein Halten mehr"

"Man verabschiedet ein Gesetz über eine Selbstverständlichkeit. Es ist doch selbstverständlich, dass es keine polnischen Vernichtungslager gab. Für mich sieht das nach einer Obsession aus. Die Verantwortlichen in Polen verhalten sich so, als trügen sie eine Schuld und hätten etwas zu verbergen. Dabei wäre es ganz einfach, offen darüber zu sprechen – wie es damals war – offen und einfach. Es gab Schlechtes, aber auch Gutes. Es gab sehr mutige Menschen. Darüber sollte man offen reden können - und nicht lügen. Wenn man einmal anfängt zu lügen, dann gibt es kein Halten mehr."

Stanisław Aronson ist der Sohn eines polnischen Fabrikanten jüdischen Glaubens. Die Deutschen ermordeten seine Angehörigen. Er sprang aus dem Zug, der ihn ins Vernichtungslager Treblinka bringen sollte, kehrte nach Warschau zurück und kämpfte fortan für die nationalpolnische Untergrundbewegung – mit falschen Papieren unter neuem Namen. Rysiek, so hieß er bei seinen Freunden, diente in einer Eliteeinheit, die Anschläge auf deutsche Züge oder Autos ausführte oder Gestapo-Agenten liquidierte. Manche unter seinen Untergrundfreunden kannten seine Herkunft, andere nicht.

Kein Antisemitismus im polnischen Untergrund

Aronson hat im polnischen Untergrund persönlich gute Erfahrungen gesammelt. Es gab dort für ihn keinen Antisemitismus.

Nach dem Krieg floh Aronson vor den Kommunisten nach Palästina. Erst in der Wendezeit traf er seine alten polnischen Freunde wieder. Polens Nationalkonservative würden ihn derzeit gern als Aushängeschild für ihre These benutzen, dass der polnische Untergrundstaat seine jüdischen Bürger ausnahmslos geschützt und nie verraten hätte, geschweige denn getötet. Bereits 2013 wollte Maciej Świrski, ein Nationalkonservativer, der maßgeblich das neue IPN-Gesetz ausgearbeitet hat, Aronson einspannen, um gegen den ZDF-Mehrteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" gerichtlich vorzugehen. In der deutschen Filmreihe kommen Kämpfer der polnischen Untergrundbewegung vor, die Juden ermorden. Polens Nationalkonservative sehen darin eine Verleumdung.

"Świrski rief mich an, wie er sagte im Auftrag des Direktors des Museums für den Warschauer Aufstand, ob ich nicht als Zeuge im Prozess gegen 'Unsere Mütter, unsere Väter' auftreten wolle. Ich willigte gern ein, unter der Bedingung, dass ich nur über meine eigenen Erfahrungen spreche."

Daraufhin legte Świrskis Rechtsexpertin Aronson die Klageschrift gegen das ZDF zur Unterschrift vor.

Stanisław Aronson wehrt sich gegen Manipulationen

"Ich las mir den Text durch und sagte zu ihr: Ich bin hier ja gar nicht als Zeuge aufgeführt, sondern als Kläger. Ich klage hier gegen das ZDF. Darauf sie: Das war doch so verabredet."

Doch das war es eben nicht. Seither wehrt sich Stanisław Aronson gegen Manipulationen der Nationalkonservativen. Dass nach dem neuen Gesetz jeder, der von Kollaboration der polnischen Nation oder des Untergrundstaats mit dem nationalsozialistischen Deutschland spricht, mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden kann, hält Aronson für grotesk. Auch heute fühlt sich der 92-jährige Aronson Polen, dem Land, in dem er als Untergrundkämpfer für die Befreiung von der deutschen Terrorherrschaft stritt, eng verbunden. Nur die nationalkonservativen Politiker, ihre Manipulationen und ihre Anhänger mag er nicht:

"Wer sind denn die Wähler dieser Regierung? Das ist nicht die polnische Intelligenz. Das ist ein düsterer Pöbel."
 

Quelle:
DLF, Kultur heute, 19.02.2018
www.deutschlandfunk.de/stanislaw-aronson-und-die-polnische-geschichtspolitik...

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Das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau (picture alliance/PAP/Jacek Bednarczyk )

Das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau (picture alliance/PAP/Jacek Bednarczyk)
 

 

Streit um polnisches Holocaust-Gesetz
Eine neue Geschichtspolitik
Sabine Adler im Gespräch mit Britta Bürger

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Wer Polen eine Mitverantwortung für nationalsozialistische Verbrechen zuschreibt, dem drohen künftig bis zu drei Jahre Haft. Auch deshalb steht das polnische Holocaust-Gesetz international in der Kritik. In Polen fand dazu nun eine Tagung statt.

Wer Polen eine Mitverantwortung für nationalsozialistische Verbrechen zuschreibt, dem drohen künftig bis zu drei Jahre Haft - so sieht es das neue polnische Holocaust-Gesetz vor. Der Gesetzgeber wolle damit die Debatte über eine polnische Mittäterschaft bei der Judenverfolgung im Keim ersticken, sagen Kritiker dieses Vorstoßes, zu denen auch Israel und die Ukraine zählen. Vor diesem Hintergrund treffen sich an diesem Wochenende mehr als 50 Historiker in der Internationalen Jugendbegegnungstätte in Auschwitz zu einer Tagung, die Sabine Adler für Deutschlandfunk Kultur beobachtet hat.

Immenser Druck auf das Auschwitz-Museum

Sie berichtet, dass die Mitarbeiter im Auschwitz-Museum einem immensen Druck ausgesetzt seien. Von einem Hass-Ansturm im Internet ist die Rede. Angeblich beschäftigte sich die Gedenkstätte zu sehr mit den Juden als Opfergruppe. Das polnische Leid hingegen fände zu wenig Beachtung.

Auch das Jüdische Museum in Warschau, das sich der Geschichte der polnischen Juden widmet, steht in der Kritik: Es stelle Polen angeblich zu negativ dar. Aktuell thematisiert das Museum das Jahr 1968 mit einer Ausstellung. In diesem Jahr gab es in Polen eine antisemitische Hetzjagd, in Folge derer 13.000 polnische Juden das Land verlassen haben.

Ein innerpolnischer Konflikt

Sabine Adler hält den Konflikt um das Holocaust-Gesetz trotz der internationalen Kritik vor allem für einen innerpolnischen Konflikt: Die Regierung beanspruche die Deutungshoheit über Geschichtsinterpretation und Erinnerungskultur. Die polnische Zivilgesellschaft stellt sich dem entgegen.

Die Teilnehmer der Konferenz, vor allem Mitarbeiter von Gedenkstätten, sind unzufrieden mit der aktuellen Entwicklung des Geschichtsbildes. Sie kritisieren, dass nun nicht mehr davon gesprochen werden dürfe, dass es polnische Kollaborationen mit den Nazis gegeben habe und auch Polen Verbrechen an Juden begangen hätten.
 

Quelle:
DLF, Kultur - Fazit, 17.03.2018
www.deutschlandfunkkultur.de/streit-um-polnisches-holocaust-gesetz-eine-neue...

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