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Bescherte der CDU
ein historisches Debakel: Kanzlerin Angela Merkel am Abend der
Bundestagswahl. - Bild: Imago |
Merkel muss weg
Schwarz-Rot ist tot, »Jamaika« unrealistisch − einziger Ausweg Neuwahlen?
von Hans Heckel
Der Triumph der AfD hat den Parteienstaat ins
Rutschen gebracht. Doch welche Regierung nun folgen soll, erscheint völlig
offen.
Nie seit den 1950er Jahren ist die bundesdeutsche Parteienlandschaft gründlicher
durchgeschüttelt worden. Nie seit jener frühen Zeit war es nach einer
Bundestagswahl unsicherer, wie es nun weitergehen würde. Der furiose
Aufstieg der AfD zur drittstärksten Kraft hat
das Land derart verändert, dass der Kommentator der „Zeit“ im ersten Schock gar
das „Ende der Bundesrepublik“ gekommen sah.
Die Bundesrepublik wird dieses Ergebnis
überstehen. Ja, es sieht danach aus, dass sogar die Ära Merkel weitergeht trotz
des Wahldebakels. Die SPD hat sich in die Opposition geflüchtet, um dort zu
genesen. Jüngere Führungskräfte wie Andrea Nahles sehen den Absturz der
Sozialdemokraten gar als Chance, um nun selbst groß herauszukommen. Ob die
Genesung gelingt? Unsicher.
Die Zukunft der CDU stellt sich noch düsterer
dar. Parteichefin Merkel nahm das Fiasko ihrer Union mit einer Beiläufigkeit zur
Kenntnis, die Böses ahnen lässt. Solange die schwindende Restsubstanz der einst
stolzen CDU noch reicht, um ihr eine weitere Kanzlerschaft zu sichern, soll es
ihr recht sein, so das augenscheinliche Kalkül von Merkel.
Sie ordnet das Schicksal ihrer Partei komplett
der eigenen
Machtversessenheit unter und verschleißt die CDU für ihre eigenen
Ambitionen. Ihr Umgang mit denen, die sie auf den Schild gehoben haben, ist von
berechnender Skrupellosigkeit gekennzeichnet.
Wenn es der CDU nicht gelingt, sich von dieser
Chefin zu befreien, droht der Partei das Schlimmste. Doch ist derzeit kein
Christdemokrat mit dem Format in Sicht, um Merkel herauszufordern. So nimmt die
Tragödie ihren Lauf.
Die AfD kann nur noch an sich selbst scheitern,
an innerer Zerrissenheit und leichtfertigen Eskapaden. Der Auszug von Frauke
Petry lässt ahnen, dass hier noch einiges ins Haus steht. Die Partei muss
schnell erwachsen werden. Die Kanzlerin wird eine schwarz-gelb-grüne „Jamaika“-Koalition
anstreben, sofern sich die niedergeknüppelte SPD nicht doch noch erweichen lässt,
wonach es nicht aussieht.
Viele Beobachter halten „Jamaika“ allein deshalb
für ausgemacht, weil rechnerisch gar nichts anderes ginge. Aber ist dieses
Bündnis nur deshalb schon realistisch? Wenig spricht dafür (siehe Kommentar).
Aber wenn nun gar nichts funktioniert? Dann
blieben Neuwahlen der einzige Ausweg. Kanzlerin Merkel wird in diesem Falle auf
die Abneigung der Deutschen gegen „unsichere Verhältnisse“ setzen und hoffen,
dass mit der (einmaligen?) Stimmabgabe für die AfD der Dampf der zornigen Wähler
entwichen ist und viele zurückkehren. Die CDU wird ihr abermals folgen, mit im
Gepäck all die Lasten, mit welchen Merkel so viele frühere CDU-Wähler von ihrer
einstigen Partei entfremdet hat.
Karibischer Unfug
Kommentar von Hans Heckel
Nur einmal blickte die Bundeskanzlerin wirklich
finster in die „Elefantenrunde“ nach der Bundestagswahl. Nämlich, als FDP-Chef
Christian Lindner fest versprach, dass es mit seiner Partei niemals ein eigenes
Budget für die Euro-Zone geben werde. Der französische Präsident Emmanuel Macron
hatte angekündigt, einen solchen Etat vorschlagen zu wollen, der „mehrere
Prozent des Bruttoinlandsprodukts“ eines jeden Einzelstaats umfassen solle.
Merkel hat den Pariser Plan bereits begrüßt. Der
deutsche Beitrag würde „mindestens 60 Milliarden Euro jährlich“ umfassen,
rechnete Lindner der Runde vor, und erteilte dem Vorhaben eine kategorische
Absage.
Es ist nicht der einzige Punkt, an dem ein „Jamaika“-Bündnis
aus Union, FDP und Grünen scheitern dürfte. In der Zuwanderungs- und Asylfrage
sind die Liberalen (zumindest verbal) in Richtung AfD gerückt. Und der FDP-Chef
ist gut beraten, hart zu bleiben, denn Lindner weiß: Wenn sich die
Freidemokraten noch einmal von der Merkel-Union derart über den Tisch ziehen
lassen wie 2009 bis 2013, dann ist die letzte Chance der Liberalen vertan. Die
Wähler der FDP, das zeigen Untersuchungen, sind überdies von allen Unterstützern
etablierter Parteien den Positionen der AfD am nächsten. Sie könnten überlaufen.
Auch für die CSU birgt „Jamaika“ existenzielle
Risiken. Lange war die AfD in Bayern besonders schwach, weil die CSU in Fragen
von Zuwanderung, Asyl oder innerer Sicherheit als ebenfalls konservativ
wahrgenommen wurde. Nachdem aus den Drohungen, die Gemeinschaft mit der CDU zu
verlassen oder in Karlsruhe gegen Merkels Grenzpolitik zu klagen, nichts wurde,
als die „Obergrenze“ nur noch als Lippenbekenntnis erschien, kehrte sich die
Lage um.
Nunmehr haben die „Blauen“ in Horst Seehofers
Heimat das beste westdeutsche Resultat eingefahren. Die Christsozialen sind
dagegen stärker eingebrochen als CDU oder SPD. Der CSU-Chef weiß jetzt, dass er
seinen Worten Taten folgen lassen muss, wenn er die verlorenen Wähler bis zur
bayerischen Landtagswahl in einem Jahr zurückgewinnen will.
Die Grünen wären gewiss die bequemsten Partner
für Angela Merkel, abgesehen von deren eigener CDU, die kaum noch sichtbares
Profil zeigt. Als linker Flügel eines möglichen „Jamaika“-Pakts stünden die
Grünen aber bei Asyl und Zuwanderung quer zu dem, was CSU und FDP um ihrer
eigenen Zukunft willen unbedingt liefern müssten.
Fazit: „Jamaika“ ist eine bloß rechnerische
Aussicht, ein Traum weit nach links gewendeter CDU-Politiker oder von Grünen,
die in erster Linie nach einem Ministerposten schielen. Eine haltbare Regierung
lässt sich aus diesen Farben nicht zimmern, dafür sind die Kontraste zu scharf.
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