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Die in Königsberg erscheinende „Komsomolskaja PrawDa! w Kaliningrade“ schreibt am 16. November 2001 zu diesem Thema: Skandal – Große Forderungen Kleinlitauens Der Archivar Bachtin ist kein Skandalierer. auch kein Nationalist. Und selten nur benutzt er propatriotische Worte. Aber auf der Internationalen Konferenz, die von „Rat für Kleinlitauische Angelegenheiten“ im Oktober 2001 in Vilnius unter dem Titel „Ungelöste Probleme des Königsberger Gebietes“ durchgeführt wurde, lief der Archivar plötzlich zur Tribüne, um sich dort als wirklicher Patriot zu erweisen. Was war denn der Grund dieses stürmischen Auftritts des sonst so friedlichen Menschen? Stalin in einer neuen Lesart Es zeigte sich, daß ihn die Ausführungen von Dr. Romas Batura, einer der Führenden im oben erwähnten Rat, auf die Tribüne katapultiert hatten. Dieser hatte nämlich während seines Vortrags darüber, daß Ostpreußen angeblich geschichtlich zu Litauen gehört habe, mit einem Buch Kuschners aus den 50er Jahren als Beweis gewedelt. „Sonst schimpfen Sie immer über Stalin, antwortete ihm mit erhobener Stimme Bachtin, aber wenn es Ihnen um das Verfälschen von Tatsachen geht, berufen Sie sich auf dies seinerzeit von Stalin bestellte Werk, das damals einen bestimmten politischen Auftrag erfüllen sollte. Verfahren so echte Wissenschaftler?“ Der erste Tag der besagten Konferenz hatte sehr friedlich begonnen. Neben Wissenschaftlern hielten hier auch offizielle Regierungsvertreter Litauens ihre Vorträge. Sie sprachen über die Zukunftsaussichten des Königsberger Gebietes im Zusammenhang des EU-Beitritts Litauens. Nichts schien hier einen Skandal anzukündigen, vielleicht nur der Tagungspunkt „Die Okkupation Ostpreußens durch das sowjetische Heer“ hätte dies andeuten können. Zum ende des zweiten Tages jedoch wurde die hier bisher offensichtlich geltende Friedfertigkeit irgendwie vergessen. Das war unüberlegt. Kaum, daß die litauischen Regierungsvertreter den Saal verlassen hatten, begann es zu skandieren: „Weg mit dem Molotov – Ribbentrop Pakt“, obwohl gerade nach diesem Pakt Litauen, damals zur UdSSR gehörend, zuerst das Wilna, und später auch das Memelgebiet erhalten hat, und „Die Russen haben Ostpreußen versaut“. Dies sind nur einige der Äußerungen, die nun plötzlich von der Tribüne dieser Internationalen Konferenz auf die etwa sechzig Vertreter aus fünf Ländern niederprasselten. Die erste Reaktion der Teilnehmer darauf war, nach den Worten von Schriftsteller Vadim Grappa, ebenfalls Gast dieser Konferenz, Erstaunen, das aber bald in Entrüstung umschlug. Übrigens, nicht nur die Kaliningrader, sondern auch viele andere vielleicht noch mehr haben sich offensichtlich über diese Aussagen entrüstet. Die Prußen „leben noch“ Still wurde es im Saal, als auf der Tribüne Gerhard Lepa, der Vorsitzende der Vereinigung ethnischer Prußen „Tolkemita“ erschien. Er bezeichnete die Ansprüche der Litauer auf das Recht, als Erben der Prußen auftreten zu dürfen, als unsinniges Geschwätz. Lepa sagte, während er etwas theatralisch seinen breitkrämpigen schwarzen Hut lüftete, die Prußen wären wohl von allen vergessen worden, „sogar ihr Litauer habt uns alle beerdigt (siehe Anm. 1), aber dies war unüberlegt, denn wir leben noch und sind der Meinung, daß es unsinnig ist, die juristischen Rechte der Russen auf Ostpreußen gerade jetzt zu bestreiten“. Nach diesem Auftritt traten die Mitglieder der Kaliningrader und die der deutschen Delegation, alle aus diesem Gebiet stammend, wie angehörige einer Landsmannschaft in einer geschlossenen Fraktion gegen die Angriffe und auch Einfälle der „Kleinlitauer“ auf. „Wir hatten plötzlich das Gefühl“ meinte später Lepa, „als ob wir hier in einem Gewusel von Sektierern geraten wären“; „es war etwas ähnliches, wie damals mit den „Waldbrüdern“, fügte Bachtin hinzu. (Anm. d. Übersetzers: nach 1945 nannten sich die antisowjetischen Partisanen Litauens „Waldbrüder“), Die Delegierten Estlands und Lettlands haben zu all dem nur mit Befremden die Schultern gezuckt. Irgend ein Litauer aus dem technischen Betreuungspersonal und nicht zum „Rat für die Angelegenheiten Kleinlitauens“ gehörend, tippte sich mit dem Finger an die Stirn. Möglicherweise hat dieses Zeichen treffender als alle Worte die Geschehnisse hier deuten können. Die offizielle Reaktion Wie war denn die offizielle Reaktion der litauischen Machthaber zu den territorialen Ansprüchen der gesellschaftlichen Organisation, die sich „Rat für kleinlitauische Angelegenheiten“ nennt? (Anm. 2) ach der litauischen Presse zu urteilen gab es von dort keine Reaktion. Aus der Tatsache aber, daß die Konferenz im Gebäude der Stadtverwaltung von Vilnius stattfinden durfte, ist es offensichtlich, daß sie sich all dem gegenüber loyal verhält. Und wie reagieren unsere Machthaber und auch das Außenministerium Rußlands? Die Kaliningrader Repräsentanten hatten Moskau über diese Konferenz informiert, Moskau aber schwieg. Jury Chlebnikow, der Erste Sekretär der Vertretung des Außenministeriums Rußlands in Kaliningrad, kommentierte dies als: „Schweigen ist auch eine Reaktion“. Es ist es sicher so zu verstehen, daß unser Außenministerium diesen „Rat“ und seine Verlautbarungen als nicht sehr seriös einstuft. Nach der Aussage von Alexander Songaila, Vorsitzender des Kommitees für internationale Beziehungen bei der Gebietsverwaltung, wäre ihm dieser „Rat“ mit seinen skandalösen Auftritten schon seit längerer Zeit bekannt. Seit einigen Jahren schon würde er hier das Wasser trüben und keineswegs zu gutnachbarlichen Beziehungen fähig sein. Übrigens, die Frage, wer finanziert diese Organisation eigentlich, stand auch im Raum. Es ist uns kaum vorstellbar, daß irgendeine gesellschaftliche Organisation unseres Gebietes, und das noch in Regierungsgebäuden, z. B. über das Recht Litauens zur Verwaltung des Memelgebietes beraten könnte. Warum auch sollten die Beziehungen zu den Nachbarn verdorben werden, warum sollten wir mit unserem Reglement in ein fremdes Kloster kriechen. Wenn aber jemand in unser „Kloster“ kriecht? Dem sollte sicher geantwortet werden, wie es Archivar Bachtin auf der Tribüne der Internationalen Konferenz getan hat: „Das Königsberger Gebiet ist unser, weil wir und unsere Kinder dort geboren wurden. Und nur wir dürfen das Schicksal dieses Gebietes lösen“.
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