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"Schlachtlinie der Franzosen mußte weichen" Das Völkerschlachtdenkmal ist für die Besucher Leipzigs nach wie vor ein Muß Das Interesse an geschichtlichen Denkmälern wächst stetig, national wie international. Veranstaltungen auf den historischen Schlachtfeldern in Waterloo und Jena-Auerstedt weisen auf eine große Resonaz bei geschichtsinteressierten Besuchern. Und das Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig reiht sich da erfolgreich ein, wie die traditionellen Jahresgedenkfeiern beweisen, die 1998 anläßlich des 185. Jahrestages der Völkerschlacht allein Zehntausende von Besuchern aus aller Welt nach Leipzig kommen ließen. Aber auch ohne Sonderfeiern und Gefechtsdarstellungen von Traditionsvereinen ist das Völkerschlachtdenkmal für alle nach Leipzig kommenden Touristen ein Muß. Auf diesem historischen Boden wird vielen Besuchern erst klar, was die Völkerschlacht im Oktober 1813 für Preußen, für Deutschland, für Europa bedeutete. Demonstriert wird das instruktiv und eindrucksvoll in der von zehn Meter hohen Kolossalfiguren bewachten Krypta der Ruhmeshalle, die an die 100.000 Gefallenen erinnert. Den Besuchern werden Führungen angeboten, die auch durch die Sammlung zur Rezeptionsgeschichte der Völkerschlacht führen, die 700 Objekte aufweist. An der Vorderfront des Denkmals befindet sich ein 60 Meter langes Schlachtrelief. Die 124 Meter breite Pyramide ist mit Granitporphyr aus der Region um Beucha verkleidet. Ihr Gewicht beträgt 300.000 Tonnen – eine schwer zu lösende Aufgabe für die Erbauer, denn der Grund ist sumpfig – das bekam ja auch Napoleon zu spüren. Der Koloß steht auf 1.200.000 Quadratmetern Stampf- und Eisenbeton und wird durch 26 riesige Holzsäulen getragen. Auf der 100-Jahr-Feier im Jahr 1913 wurde er nach fünfzehnjähriger Bauzeit durch Kaiser Wilhelm II. eingeweiht. Wer die Aussicht von der 91 Meter hohen Plattform genießen will, muß eine gute Kondition haben, den sie ist nur über die 500 Stufen der Wendeltreppe zu erreichen. Bei gutem Wetter belohnt aber eine herrliche Fernsicht die Strapazen. Und noch etwas bietet der Kolossalbau: Durch den einzigartigen Widerhall im Innern wird er gerne für klassische Chorkonzerte genutzt, die regelmäßig stattfinden und viele Musikliebhaber anziehen.
Leider ist dieser einmalige Bau vom Verfall bedroht, der moorige Untergrund macht sich bemerkbar. Die Stadt Leipzig hat kein Geld für Trockenlegung und Restaurierung, wodurch sie auf Spenden angewiesen ist. Hoffnung besteht dennoch, denn das Sächsische Wirtschaftsministerium in Dresden unterstützt das Projekt zur Sanierung des Monuments. 2005 soll alles komplett saniert sein. Es gibt Riemels im breitesten ostpreußischen Dialekt, die verballhornen klassische Gedichte und verfälschen geschichtliche Vorgänge, um ja recht amüsant zu wirken. Es sei jedem anheim gestellt, darüber zu lachen, aber manchmal bleibt einem dieses Lachen in der Kehle stecken. Da gibt es das deftige Poem von dem Max Raudat aus Neuhäuser, der sich beim Babutz rasieren lassen will, aber dessen Kunden sahen nach beendeter Prozedur aus "wie geschundene Ritter nach der Leipziger Völkerschlacht". Dieses Beispiel, das durch den Anachronismus – Ritterschlacht im 19. Jahrhundert! – besonders humorvoll wirken soll, verharmlost eine der schwersten Schlachten Europas, die als größtes Kavalleriegefecht aller Zeiten in die Geschichte eingehen sollte: In der Völkerschlacht bei Leipzig starben innerhalb von drei Kriegstagen 120 000 Menschen. Und viele von den Kämpfern, die leben blieben, waren nicht "geschunden", sondern schwer verwundet und blieben Krüppel ein Leben lang. Sie hatten für die Befreiung Deutschlands von Napoleon, für den Frieden in Europa gekämpft. Und gesiegt, denn das entscheidende Gefecht bei Leipzig zwischen dem 14. und 19. Oktober 1813 besiegelte das Ende der Napoleonischen Epoche in Europa, das mit der Konvention von Tauroggen eingeleitet worden war und zu den Befreiungskriegen geführt hatte. Es war wirklich eine Völkerschlacht, denn auf der Seite Napoleons kämpften Franzosen, Deutsche, Schweizer, Polen, Italiener, Holländer, Kroaten – im Heer der Verbündeten Deutsche, Großrussen, Weißrussen, Ukrainer, Ungarn, Tschechen, Schweden, Letten, Baschkiren, Kalmüken, Kirgisen, Tataren, Slowaken und Slowenen. Über die entscheidende Schlacht am 18. Oktober berichtet ein Chronist: "Um Leipzig waren alle Krieger versammelt. Napoleon hatte eine Streitmacht von 180.000 Mann mit 600 Kanonen, die Verbündeten 150.000 Mann mit 1.000 Kanonen. Am 16. Oktober begann der Angriff mit einem gewaltigen Feuer, daß die Erde erbebte und selbst die ältesten Krieger bekannten, ein solches Krachen noch nie gehört zu haben. Die Bundestruppen griffen mutig an, so daß die Schlachtlinie der Franzosen weichen mußte. Aber Napoleon führte eine auserlesene Schar seinen Feinden kühn entgegen und stellte die Schlachtlinie wieder her, ja, der Sieg neigte sich auf seine Seite. Sogleich ließ er in Leipzig alle Glocken läuten. Aber er hatte zu früh läuten lassen. Schwarzenberg, der Oberbefehlshaber der Verbündeten, bemerkte von einem Turme die Gefahr. Er leitete die ganze Schlacht, sandte Hilfstruppen, und die durchbrochenen Reihen wurden wiederhergestellt. Auch wo Blücher stand, bei Möckern, wurde tapfer gefochten, dreimal war das Dorf genommen und dreimal wieder verloren. "Nun", sprach der alte Herr, "da wollen wir einmal ein Hurra machen!" Da sprengt auch York mit den tapferen Husaren daher. "Vorwärts!", und die Husaren reiten alles nieder, was ihnen nahe ist. Blücher hat 50 Kanonen und viele Gefangene erbeutet. So war es Abend geworden. Tausende von Wachtfeuern brannten, und acht Dörfer und Städte loderten empor. Viele brave Soldaten schliefen den Todesschlaf, und viele lagen auf dem Schlachtfelde verwundet, ächzten und stöhnten und flehten den Himmel um Erbarmen an. Am folgenden Tag wurde wenig oder gar nicht gekämpft. Napoleon suchte Friedensverhandlungen einzuleiten, aber man traute ihm nicht. Am 18. Oktober war der Tag der Entscheidung. Der Kampf begann mit neuer Wut. Von Mitternacht her drangen Johann von Schweden und Blücher, von Morgen der russische General Bennigsen und von Mittag der Oberfeldherr Schwarzenberg mit stärkster Macht vor. Dieser hatte den blutigsten Kampf zu bestehen, denn Napoleon schickte den Kern seines Heeres ihm bei Probstheida entgegen. Ein furchtbares Blutvergießen begann hier. Zuletzt konnten die Streiter nicht mehr über die Leichen hinweg. Auch Blücher focht an diesem Tag wieder mit Erfolg. Napoleon sandte ihm Garden über Garden entgegen, vergebens, der Alte ließ sich nicht mehr irre machen: "Nur immer vorwärts!" Die Sachsen hatten bisher für Napoleon gekämpft, aber nun hielten sie es nicht mehr länger aus. Zusammen mit anderen Bundesgenossen des französischen Heeres gingen sie, wie durch einen elektrischen Schlag geweckt, in geschlossenen Reihen und mit klingendem Spiel zu ihren deutschen Brüdern über und stritten nun für die gerechte Sache. Ein Dorf nach dem anderen wurde den Franzosen genommen, und die Verbündeten drangen immer weiter vor. Der österreichische Kaiser Franz, der Kaiser Alexander und Preußens König standen auf einem Hügel und beobachteten den Gang der Schlacht. Da sprengt Schwarzenberg heran und ruft: "Wir haben gesiegt, der Feind zieht ab!" Da stiegen die Fürsten von den Rossen, knieten nieder und dankten Gott für den Sieg. Das war der große Friedenstag für Deutschland. "Gott erhalte uns den Frieden!" Auf dem Schlachtfeld ließen 22.000 russische, 16.000 preußische, 12.000 österreichische, 300 schwedische und 30.000 französische Soldaten ihr Leben. - RVR
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