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Steinerne Erinnerung an die Befreiungskriege Ein Jahrhundert nach den Befreiungskriegen wurde in Breslau die Jahrhunderthalle eröffnet, deren Kuppel mit einer freien Spannweite von 65 Metern Durchmesser zu jener Zeit die weltweit größte ihrer Art war. Zeitgleich mit der Halle erhielt Breslau ein Messegelände, dessen Zentrum diese bildet. Noch 100 Jahre später waren die Breslauer Bürger stolz auf die Bedeutung ihrer Stadt für die Befreiungskriege. Am 10. März 1813, dem Geburtstag seiner Frau, der berühmt gewordenen Königin Luise (1776–1810), hatte Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Breslauer Schloss das Eiserne Kreuz nach dem Vorbild des Ordenskreuzes der Deutschritter gestiftet. Eine Woche später war der berühmt gewordene „Aufruf an mein Volk“ zur Unterstützung des Krieges gegen Napoleon und die Gründung von Freikorps wie das berühmt gewordene Lützowsche Freikorps gefolgt. Vor diesem Hintergrund beschloss der Stadtrat Breslaus drei Jahre vor der zu erwartenden Hundertjahrfeier von 1913 den Bau einer repräsentativen Erinnerungsstätte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts planten und bauten mehrere Städte Stadthallen. So wurde der in Breslau als Stadtbaurat wirkende Max Berg (1870–1947) im Jahre 1911 beauftragt, ein wirkungsvolles und repräsentatives Bauwerk zu planen, das auch eine breite Palette wirtschaftlichen Nutzens bieten sollte. Es muss als absolute Pioniertat gewürdigt werden, wie Berg mit seinem engsten Mitarbeiter Richard Konwiarz (1883–1961) und den Bauingenieuren Günther Trauer und W. Gehlen die gestellte Aufgabe anging und bewältigte. Zwar stand Berg mit dem Stahlbeton ein neuer Werkstoff zur Verfügung und mit der von Friedrich von Thiersch erbauten Festhalle in Frankfurt am Main aus dem Jahr 1907 gab es auch ein architektonisches Vorbild, aber Erfahrungen mit der Verwendung von Stahlbeton im Kuppelbau – schon gar in solchen Dimensionen – lagen noch nicht vor. Deshalb müssen auch die Leistungen des berechnenden Statikers Trauer, aber auch die bemerkenswerte und solide Ausführung durch die Hochbaufirmen Dykerhoff & Widmann und Phillip Holzmann AG gewürdigt und anerkannt werden.
Die Idee Bergs basierte auf einem Grundriss von zwei sich kreuzenden Ellipsen, die im Kreuzungsbereich von der kreisrunden Kuppel gekrönt werden. Durch die Anlehnung an kirchliche Baugliederungen empfanden Besucher eine ähnliche Feierlichkeit wie in sakralen Bauten. Bis heute beeindrucken die gewaltigen Dimensionen der Halle. Der Kuppeldurchmesser beträgt achtbare 65 Meter und überspannt 6.000 Quadratmeter. Der Durchmesser des Unterbaus erreicht sogar 95 Meter, womit die überbaute Gesamtfläche 13.000 Quadratmeter ausmacht. Die Gesamthöhe bis in die Kuppel-Laterne beträgt stolze 45 Meter. Mit dieser Spannweite überrundete die Jahrhunderthalle nach 1800 Jahren die bis dahin am weitesten gespannte Kuppel des Pantheons in Rom (43 Meter), aber auch die Kuppeln vom Dom in Florenz von Filippo Bruneleschi (42 Meter), der Peterskirche in Rom von Michelangelo (42,5 Meter) und der Sophienkirche in Konstantinopel (33 Meter). Und während die Kuppel des Pantheons „ganze“ 1.500 Quadratmeter überdacht, bedeckt die Jahrhunderthalle einschließlich der sie umgebenden Ringhalle eine Fläche von 10.000 Quadratmetern. Über dem Unterbau befindet sich der erste Fensterring, dem noch ein weiterer Oberlichtkranz aufgesetzt ist. Die Kuppel wird geprägt von einer abgestuften Befensterung aus vier umlaufenden Lichtbändern. Diese großzügige Ausstattung mit natürlichen Lichtquellen bewirkt, dass in der Halle nahezu Tageslichtverhältnisse herrschen, die sie auch für Ausstellungen besonders geeignet macht. Die Halle besitzt rund 6.000 Sitzplätze, bei Verwendung von Stehplätzen fasst sie beinahe 20.000 Personen. Vor 100 Jahren wurde die Jahrhunderthalle im Rahmen einer mehrdimensionalen Feier eröffnet. Am 31. Mai 1913 eröffnete eine Aufführung des „Festspiels in deutschen Reimen“, das der schlesische Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann (1862–1946) im Auftrage der Stadt für diesen Zweck verfasst hatte, den Reigen der Veranstaltungen in der Jahrhunderthalle. In dem zur Zeit der napoleonischen Kriege spielenden Stück lässt Hauptmann Athene Deutschland sagen: „Und alldurchdringend, mich durchdringend allzu gleich, erkenn ich meines Daseins, meiner Waffen Sinn: die Tat des Friedens ist es, nicht die Tat des Kriegs. Die Wohltat ist es! Nimmermehr die Missetat! Was andres aber ist des Krieges nackter Mord?“ Diese großen Worte wider den Krieg führten zum Abbruch der Veranstaltung durch den Breslauer Magistrat nach Protesten von Kriegervereinen und dem preußischen Kronprinzen. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges hat das Bauwerk recht gut überstanden hatte, so dass es auch in der Nachkriegszeit seine große architektonische Bedeutung behielt. Im Zuge der dramatischen Zäsur, welche die Geschichte Breslaus 1945 erlebte, wurde aus der Jahrhunderthalle eine „Hala Ludowa“ (Volkshalle), der Bezug auf die preußisch-deutsche Geschichte galt nicht mehr als opportun. Aber auch in Polen gab es nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Phase einen Wandel im Umgang mit der deutschen Geschichte Schlesiens. Sie wurde vorsichtig in das eigene Geschichtsbild aufgenommen. Nach Bemühungen aus der polnischen Stadtverwaltung wurde das Bauwerk aus dem Jahre 1913 im Jahre 2006 unter dem Namen „Centennial Hall“, der englischen Übersetzung von „Jahrhunderthalle“, als Pionierleistung des Stahlbetonbaus und der modernen Architektur in die Liste des Weltkulturerbes der Unesco aufgenommen. Und neuerdings wird die Halle in der Republik Polen selber als „Hala Stulecia“, die polnische Übersetzung von „Jahrhunderthalle“ bezeichnet.
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