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Deutsch ist durchaus eine Weltsprache Immer wenn ich von einer Fernreise nach Deutschland zurückfliege, freue ich mich auf deutsche Zeitungen an Bord, die ich dann ausgiebig studiere – nur im Flugzeug habe ich stundenlang Zeit, mich durch BunteSpiegelWeltBildFAZtaz zu lesen. Bei meinem letzten Flug drehten sich erstaunlich viele Artikel um die deutsche Sprache, genauer: um die Rolle des Deutschen im In- und Ausland. Deutsch soll ins Grundgesetz, las ich da (nicht zum ersten Mal). Zuwanderer sollten Deutsch können, finden jetzt auch Politiker links der Mitte. Und mal wieder plädierte irgendein Minister dafür, dass Deutsch in der EU eine wichtigere Rolle spielen solle. Ich freute mich über das Thema – und ärgerte mich zugleich über die scheinheiligen, immer gleichen Debatten. Deutsch ist zwar die meistgesprochene Muttersprache in der EU, Deutsch liegt zwar mit rund 100 Millionen Muttersprachlern im Weltvergleich auf Platz zehn, Deutsch ist zwar bei Wikipedia die zweitwichtigste Sprache (nach Englisch), ist also durchaus eine Weltsprache. Trotzdem wird es in Brüssel zugunsten von Englisch und Französisch untergebuttert, trotzdem ist Deutsch als Wissenschaftssprache flächendeckend auf dem Rückzug, trotzdem werden Goethe-Institute geschlossen, trotzdem verkaufen wir unsere Muttersprache sogar gegenüber Zuwanderern, die dauerhaft bei uns leben wollen, unter Wert. Als mir an Bord die deutschen Zeitungen ausgingen, stieg ich um auf englische Blätter. Und fand dort mitten in einem englischen Text das schöne Wort schadenfreude. Und in einem anderen englischen Artikel war von the autobahn die Rede. Zu Hause habe ich recherchiert und Erstaunliches entdeckt: Nach einer Auswertung des Deutschen Sprachrats sollen gut 6.000 deutschstämmige Wörter in über 70 fremde Sprachen ausgewandert sein. In Schweden kennt man zum Beispiel besservisseri, in Russland butterbrody, in Frankreich le blödman. In Finnland macht man eine Kaffepaussi, und wer in der früheren deutschen Kolonie Papua-Neuguinea auf seinen Gesprächspartner sauer ist, beschimpft ihn als rinfi (Rindvieh). Diese ausgewanderten Wörter darf man mit Fug und Recht als Libesbrif (wie der Slowake sagt) an die deutsche Sprache bezeichnen – und als Beweis dafür, dass sich die Welt viel leichter tut mit der Weltsprache Deutsch, als EU-Bürokraten und die Deutschen selbst. Der Autor ist Reise-Ressortleiter der WELT-Gruppe
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