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Deutsches Geld ja, deutsche Sprache nein Es erscheint absurd, aber Deutschland zahlt nun bereits über lange Jahre hinweg riesige Summen in den gemeinsamen europäischen Topf ein, während die Sprache der Deutschen im Brüsseler Europa nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die letzten Wochen haben erneut bewiesen, daß alle Anstrengungen vom Bundestag und den verschiedenen Landtagen, diesem Mißstand entgegenzuwirken, in der Realität nichts oder so gut wie nichts erbracht haben. Der seit Jahren andauernde Trend einer systematischen Benachteiligung der deutschen Sprache hält weiter an. Das Geld ihres Hauptnettozahlers Deutschland schluckt die Brüsseler Kasse der Europäischen Union (EU) allerdings gern. Im Jahr 2007 übertrafen die deutschen Einzahlungen mit 7,4 Milliarden Euro die Summen, die an deutsche Empfänger zurückgeflossen sind. So geht es jedenfalls aus den Berechnungen der EU-Kommission in ihrem jüngsten Finanzbericht hervor. In den neunziger Jahren hat Deutschland noch deutlich höhere Beiträge geleistet – und das trotz der erheblichen finanziellen Belastungen, die die Deutschen durch die Überwindung der Sozialismusfolgen bei der Wiederherstellung ihrer staatlichen Einheit in ihrem eigenen Land hatten, und die – unter Freunden – eigentlich ein Moratorium, also eine Pause bei den Zahlungen nach Brüssel verlangt hätten. Allerdings: Nimmt man zum Beispiel die Jahre von 1995 bis 2003 – wie es der Heidelberger Finanzwissenschaftler Franz-Ulrich Willeke getan hat, den die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ als „einen der besten Kenner der europäischen Finanzen“ einstuft –, dann hat Deutschland als Nettozahler in diesem Zeitraum 76,7 Milliarden Euro nach Brüssel gezahlt, gefolgt von Großbritannien mit 16 Milliarden Euro, den Niederlanden mit 14,3 Milliarden und Frankreich mit 11,1 Milliarden Euro. Als Nettoempfänger hielten im genannten Zeitraum die Hand auf: Spanien mit 64,5 Milliarden Euro, Griechenland mit 36,2 Milliarden Euro und Portugal mit 24,1 Milliarden Euro. Willeke machte zugleich deutlich, daß für eine „angemessene Netto-Zahlung“ als Indikator nicht die Einwohnerzahlen von 80 oder 40 Millionen, sondern das Pro-Kopf-Einkommen genommen werden müßte. Dabei zeigt sich, daß für den genannten Zeitraum von 1995 bis 2003 Deutschland weit hinter anderen liegt: zum Beispiel mit 25616 Euro hinter Frankreich (26616 Euro), Belgien (26470 Euro) und Großbritannien 27179 Euro). Die Berechnungen Willekes zeigen, daß die tatsächlichen Zahlungen Deutschlands weit über angemessene Maß hinausgehen. Sein Fazit: Die Deutschen wurden in den untersuchten Jahren relativ am stärksten zur Zahlung heran-gezogen. Im November haben nun die Bundesregierung und mehrere Bundesländer, ermahnt und gestützt von Bundestag und Landtagen, mit Nachdruck eine Gleichstellung des Deutschen mit den beiden anderen Arbeitssprachen Englisch und Französisch in der Praxis des europäischen Alltags verlangt. Längst wird die deutsche Sprache, die zu den 23 Amtssprachen zählt und formell eine der drei „Arbeitssprachen“ ist, bei der Übersetzung wichtiger Arbeitsdokumente schlicht übergangen. So liegen manche Rechtstexte, die der Bundestag ratifizieren muß, nur auf Englisch oder Französisch vor, wirtschaftlich bedeutsame Ausschreibungen der Brüsseler Behörden sind erst „nach verdächtig langer Zeit“ in deutscher Übersetzung vorhanden, Internetseiten der Ratspräsidentschaften ebenfalls. Die deutsche Sprache, die von über 100 Millionen Menschen der Europäischen Union gesprochen wird, wurde unlängst unter der Überschrift einer „Mehrsprachigkeits-Strategie“ mehr oder weniger abgespeist. Zwar wird im Rahmen dieser „Strategie“ festgestellt, daß auch die europäischen Gremien die Mehrsprachigkeit für die Beziehungen zwischen Brüssel und „den nationalen Institutionen im Rahmen ihrer Kompetenzen“ auszubauen hätten. Das Anliegen des größten Nettozahlers, seine Sprache dem Englischen und Französischen gleichzustellen, wurde hinter dem schwammigen Begriff der „Mehrsprachigkeit“ versteckt. Hatte doch die Große Koalition in Berlin in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten: „Wir werden dafür sorgen, daß die deutsche Sprache in Europa ihrer Bedeutung entsprechend berücksichtigt wird.“ Das berechtigte deutsche Anliegen auf die Ebene allgemeiner „Mehrsprachigkeit“ abzuschieben, wird dem nicht gerecht. Jetzt erst recht sind Bundestagspräsident Lamers, die Bundesregierung und die Europaminister der Landesregierungen, wie die von Nordrhein-Westfalen und Hessen, die sich in dieser Frage engagiert hatten, gefordert, endlich das Ziel anzusteuern, der in Europa am meisten gesprochenen Sprache die ihrer kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung zukommende Rolle in der Brüsseler EU zu verschaffen, damit sie diese Aufgabe auch erfüllen kann. W. Böhm
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