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Der Kompromiß
Nun sind die Würfel gefallen. Die Bundesregierung hat am 13. März die von Kulturstaatsminister Neumann konzipierte Kabinettsvorlage zur Errichtung eines „Sichtbaren Zeichens“ für die Opfer von Flucht und Vertreibungen beschlossen. Das „Sichtbare Zeichen“ wird den Charakter einer unselbständigen Stiftung unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums erhalten und seinen Platz in Berlin im Deutschlandhaus in der Stresemannstraße finden. Kern des sichtbaren Zeichens soll die Bonner Ausstellung „Flucht, Vertreibung, Integration“ werden, die in der veröffentlichten Meinung reichlich Zustimmung fand. Für die Einrichtung des „Sichtbaren Zeichens“ sind 29 Millionen Euro angesetzt, die jährlichen Kosten werden mit 2,4 Millionen Euro beziffert. Der größere Teil der veranschlagten Einrichtungssumme wird für die Renovierung des Deutschlandhauses benötigt. Weitere Mittel für ein vom Bund der Vertriebenen (BdV) gefordertes „Zentrum gegen Vertreibungen“ (ZgV) gibt es vom Bund nicht. In die Aufsichtsgremien der Dokumentationsstätte sollen Regierungsvertreter, Abgeordnete, Vertreter der Vertriebenen und anderer gesellschaftlicher Gruppen entsandt werden. Die Präsidentin des BdV, Erika Steinbach (MdB), zeigte sich über die Kabinettsentscheidung für das „Sichtbare Zeichen“ sehr zufrieden. „Jetzt ist der Weg frei für eine würdevolle Ausstellungs-, Informations- und Dokumentationseinrichtung“, äußerte sie vor der Presse. Die Gremien des BdV haben bisher keine Stellungnahme abgegeben. Acht Jahre haben die BdV-Präsidentin und mit ihr die Gremien und die Untergliederungen des BdV für ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ geworben und gekämpft. Dazu wurde die Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ geschaffen, die meisten Verbände des BdV sorgten mit einer Einmalzahlung für den Aufbau eines Stiftungsvermögens. Zahlreiche Kommunen, aber auch potente Einzelspender leisteten Zustiftungen. Hessen, Baden-Württemberg und Bayern haben die Absicht bekundet, finanzielle Zuwendungen verteilt auf mehrere Jahre an die Stiftung leisten zu wollen. Nach Einrichtung des „Sichtbaren Zeichens“ stellt sich die Frage, welchen Zweck die Stiftung ZgV nunmehr verfolgen wird. Eine Frage, auf die der Stiftungsvorstand in naher Zukunft eine Antwort geben muß. Festzuhalten bleibt, daß das „Sichtbare Zeichen“ ein Ergebnis der Bemühungen der BdV-Präsidentin ist. Bald nach Offenlegung entsprechender Pläne für ein vom BdV gewünschtes Zentrum gegen Vertreibungen begann die damalige rot-grüne Bundesregierung eine verbale Abwehrschlacht gegen die Initiative. Massive Unterstützung dafür holte man sich aus den Nachbarstaaten Polen und Tschechien. Ein auf den Weg gebrachtes Vorhaben gegen das ZgV, Netzwerk für Erinnerung und Solidarität genannt, scheiterte. Im Herbst 2005 wurde schließlich in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU / CSU und SPD das „Sichtbare Zeichen“ in das Regierungsprogramm aufgenommen. Die nun in die Realisierungsphase tretende Dokumentationsstätte „Sichtbares Zeichen“ ist nicht das von den deutschen Heimatvertriebenen gewünschte „Zentrum gegen Vertreibungen“. Auch das BdV-Projekt hat im Laufe der Jahre Federn lassen müssen, um politisch in der Diskussion zu bleiben. Ursprünglich war beabsichtigt, das Projekt „Haus der 15 Millionen Vertriebenen“ zu nennen und mit Zeitzeugenarchiv, Bibliothek, Videothek und geeigneten Räumen zur Information für Gruppen und Schulklassen einzurichten. Die Heimatvertriebenen, beziehungsweise die von ihnen Beauftragten, sollten mehrheitlich in die Aufsichtsgremien der Gedenkstätte ZgV entsandt werden. Das alles ist nun vom Tisch. Für den Kern des „Sichtbaren Zeichens“ wurde also die Bonner Ausstellung „Flucht, Vertreibung, Integration“ ausgewählt. Bei den Betroffenen der Erlebnisgeneration fand diese Ausstellung wenig Beifall, weil wichtige Aspekte des Themas nicht angesprochen wurden. Dies sowie die Tatsache, daß das Konzept des „Sichtbaren Zeichens“ in Polen bereits bekannt war, bevor die entsprechende Gesetzesvorlage im Kabinett verabschiedet wurde, läßt kaum Zweifel aufkommen: Die Ursachen und Gründe für Flucht, Vertreibung und Deportation der Ostdeutschen 1945 werden staatlicherseits vorgegeben. Im Schloß Cecilienhof in Potsdam haben seinerzeit die Siegermächte zwischen dem 17. Juli und dem 2. Aug. 1945 die menschenverachtende, völkerrechtswidrige Vertreibung beschlossen. Der Würde der 2,5 Millionen deutschen Vertreibungsopfer wäre es angemessen, die Dokumentationsstätte an diesem Ort einzurichten.
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