|
|
Politisch korrekt: Düsseldorf (RP). Wie erzählt man von grauenvollen Ereignissen? Der Zweiteiler über die Vertreibung der Deutschen aus Preußens Ostgebieten wählte die Form eines konventionellen Familiendramas. Das Format kam an, jeweils über zehn Millionen Zuschauer sahen die beiden Folgen. Den ersten Teil am Sonntag schalteten 11,18 Millionen Menschen ein (Marktanteil 29,5 Prozent), Teil zwei am Montag guckten 10,16 Millionen Zuschauer, das bedeutet einen Marktanteil von 29 Prozent. ARD-Programmdirektor Günter Struve nannte allein den ersten Teil den erfolgreichsten Film im Ersten seit zehn Jahren. Dieser Film, so hieß es vor der Ausstrahlung, breche ein Tabu. So, als sei von den Verbrechen bei der Vertreibung von etwa zwölf Millionen Menschen aus den deutschen Ostgebieten am Ende des Zweiten Weltkriegs nie berichtet worden. Allerdings sind die seit den 50er Jahren dokumentierten Gräuel noch nie Bestandteil einer Spielhandlung im deutschen Fernsehen gewesen. Jetzt also kamen sie dort vor - nicht sehr ausführlich, aber deutlich. In einem seit dem US-Bürgerkriegsdrama „Vom Winde verweht“ bekannten Raster. An Oberschichtfamilien lässt sich der Untergang einer Welt trefflich darstellen: Schöne Schauplätze, schöne Menschen. Von oben ist die Welt auch etwas überschaubarer. Bei „Die Flucht“ kommt Dokumentarisches dazu. Schon 1947 hielt Libussa Fritz-Krockow, geborene Gräfin von Krockow, in Notizen fest, was sie in Pommern und auf der Flucht nach Westen erlebt hatte. Ihr Bruder, der Historiker und Schriftsteller Christian Graf von Krockow fasste diese Erinnerungen 1988 in dem Buch „Die Stunde der Frauen“ zusammen. Einzelne Episoden hinterließen deutliche Spuren in diesem Fernsehfilm. Ein Dialog verweist indirekt auf dieses Buch. Es gab gute Gründe, diesen Film nicht als Literaturverfilmung anzulegen. Zu bizarr - und zu erschreckend - sind einzelne Beobachtungen. Jetzt spielt die Geschichte in Ostpreußen, was schöne Landschaftsaufnahmen mit Wäldern und Wiesen unter hingetupften Wolken, aber auch im Schneesturm möglich macht. Auch ließ sich die Erinnerung an eine andere Gräfin bildkräftig umsetzten. Hoch zu Ross war Marion Gräfin Dönhoff von Ostpreußen nach Westen geritten. Nun reitet die Schauspielerin Maria Furtwängler als Gräfin Lena von Mahlenberg über den Bildschirm. Die ist im Herbst 1944 von Berlin nach Hause gekommen, mit unehelichem Kind. So zeigt dieser Film Emanzipation. In ihrer Familie wie auch der des Mannes, den sie heiraten soll, wird kräftig politisiert. Aussehen und Redeweise zeigen, wer zu den bösen Nazis gehört und wer nicht. Jedem Verbrechen der Roten Armee geht ein deutsches voraus. Als Schulungsmaterial für Neonazis ist der Film erfreulicherweise ungeeignet. Zum tieferen Verständnis der damaligen Geschehnisse trägt er aber auch nicht bei. Er bedient eingeschliffene Fernsehgewohnheiten. Die alte Ordnung wird schlicht zerschossen. Ohne Lenas Fürsorge kommen Angehörige ihres Trecks im Westen nicht unter. In Krockows Buch aber bitten zwei alte Adlige ihre Bedienstete, sie möge nicht weiter die Anrede „Herr Baron“ und „Frau Baronin“ verwenden, sondern „Vater“ oder „Mutter“ sagen, weil sie sonst gefährdet seien. So zerfallen alte Ordnungen.
Diese Netzseite ist optimiert für
800x600 / 1024x768 oder höher und 24 Bit Farbtiefe sowie MS-Internet Explorer 11.x
oder höher. |
|