Auch London kritisierte Polens Politik Der Angriff auf Polen 1939 hatte eine lange Vorgeschichte – Großbritannien kannte das schwere Unrecht an Deutschen
von Gerd Schultze-Rhonhof
Am 28. Juni 1919 wurde das Deutsche Reich mit
rüden Methoden bis hin zur fortgesetzten Seeblockade gezwungen, den
Versailler
Vertrag zu unterschreiben. Er brachte über zwei Millionen Deutsche unter
polnische Herrschaft und wurde selbst vom französischen Marschall Ferdinand Foch
illusionslos folgendermaßen charakterisiert: „Dies ist kein Friedensvertrag,
sondern ein Waffenstillstand für die nächsten 20 Jahre.“
In den Jahren 1918 bis 1921 wurden der größte
Teil der Provinz Posen, die Stadt Danzig und ihr Umland, ein großer Teil
Westpreußens sowie Ostoberschlesien teils durch die militärische Gewalt der
Polen, teils durch die Entscheidungen der Siegermächte von Deutschland
abgetrennt und (bis auf Danzig, das zur „Freien Stadt“ wurde) an Polen
angeschlossen – und damit auch über zwei Millionen Deutsche. Die Bevölkerung
Westpreußens bestand vor dem Kriege zu 70 Prozent aus Deutschen und die in
Danzig sogar zu 97 Prozent, so daß diese Gebietsverluste von keiner der 16
Regierungen der Weimarer Republik je anerkannt worden waren. So war der Versuch,
diese Deutschen „heim ins Reich“ zu holen, auf der Grundlage des
Selbstbestimmungsrechts der Völker legitim, wenn auch nicht um den Preis eines
Krieges. Dies vor allem auch angesichts einer rigiden, ja brutalen
Minderheitenpolitik Polens, die schon bis 1924 dazu führte, daß sich die Zahl
der Deutschen im damaligen Gebiet der Republik Polen gegenüber Ende 1918
halbierte.
Diese „stille“ oder auch „kalte“ Vertreibung der
Deutschen, die im Unterschied zu 1945/1946 nur punktuell von Blutvergießen
begleitet war, ist zumindest in England nicht kritiklos hingenommen worden. Am
14. Dezember 1931 beispielsweise schrieb der „Manchester Guardian“ hierzu: „Die
Minderheiten in Polen sollen verschwinden. Diese Politik wird rücksichtslos
vorangetrieben ohne die geringste Beachtung der öffentlichen Meinung in der
Welt, der internationalen Verträge und des Völkerbunds.“ Am 15. Juni 1932
berichtet Lord Noel-Buxton in einer Rede vor dem Oberhaus in London über die
Lage der nationalen Minderheiten in Polen: „Aus dem
Korridor und aus Posen sind
bereits nicht weniger als eine Million Deutsche seit der Annexion abgewandert,
weil sie die Bedingungen dort unerträglich finden.“ Dem englischen Politiker
Winston Churchill schwante offensichtlich, was sich hier zusammenbraute. Noch
vor Adolf Hitlers Machtübernahme warnte er am 24. November 1932 das Unterhaus:
„Wenn die englische Regierung wirklich wünscht, etwas zur Förderung des Friedens
zu tun, dann sollte sie die Führung übernehmen und die Frage Danzigs und des
Korridors ihrerseits wieder aufrollen, solange die Siegerstaaten noch überlegen
sind. Wenn diese Fragen nicht gelöst werden, kann keine Hoffnung auf einen
dauerhaften Frieden bestehen.“
Die Unfähigkeit der Sieger des Ersten
Weltkrieges, ihre auf Revanche und Habgier aufgebaute Nachkriegsordnung
rechtzeitig selbst zu korrigieren war eine Herausforderung für alle Regierungen
der Weimarer Republik und dann für Hitler. Hitler versuchte anfänglich
vergeblich, die gewaltsam aus ihrem Staatsverband herausgelösten Deutschen auf
dem Verhandlungsweg zurück ins Reich zu holen. Dann griff er, der freilich
bereits ab 1933 eine große Aufrüstung eingeleitet hatte, zu Drohung und Gewalt.
So schrieb der britische Botschafter Henderson damals von Berlin nach London:
„Die Nachkriegserfahrung hatte Nazi-Deutschland unglücklicherweise gelehrt, daß
man ohne Gewalt oder Androhung von Gewalt nichts erreichen konnte.“
Die Drangsal der Polen gegen ihre elf Millionen
Minderheitenbürger, gegen ihre Ukrainer, Juden, Deutsche, Weißrussen und
Litauer, zog sich 20 Jahre hin und eskalierte nach einem ersten Höhepunkt Anfang
der zwanziger Jahre erneut im Jahre 1939. Den Deutschen in Polen wurden Schulen
geschlossen, Geschäfts- und Betriebslizenzen entzogen, Arztapprobationen
entzogen, Bauernhöfe angesteckt, Geschäfte boykottiert und Deutsche auf offener
Straße verprügelt. Als die Verhandlungen um die Lösung der deutsch-polnischen
Probleme 1939 scheiterten, kam es erneut zum Krieg. Deutschland und die
Sowjetunion eroberten gemeinsam Polen. Deutschland herrschte dann zunächst 20
Monate mit Härte über Westpolen, anschließend ab Ende Juni 1941 weitere knapp
vier Jahre mit brutaler Gewalt über ganz Polen.
Die Folgen dieses Zweiten Weltkriegs für unser
Land und Volk sind allen Vertriebenen bekannt. Polen bekam zu Ende dieses
Krieges große deutsche Gebiete (zunächst allerdings nur zur Verwaltung)
zugesprochen, von denen es einige schon zu Ende des Ersten Weltkriegs bei den
Friedensverhandlungen in Paris beansprucht hatte. Andererseits mußten etwa 1,2
Millionen Polen die mehrheitlich ukrainisch, weißrussisch sowie auch litauisch
besiedelten Gebiete „Ostpolens“ verlassen. Das Wort „Ostpolen“ steht hier in
Anführungszeichen, da die Polen in diesem Raum zu keiner Zeit auch nur annähernd
die Bevölkerungsmehrheit stellten. Auch das Wort „Vertreibung“ paßt hier nur
bedingt, da diese Umsiedlung halbwegs geregelt aufgrund von Verträgen und ohne
Blutvergießen durchgeführt wurde. Allerdings wurden auch diese Menschen, genau
wie die Ostdeutschen, entwurzelt und enteignet.
So wurden 1945/1946 10,8 Millionen Deutsche aus
Schlesien, Danzig, West- und Ostpreußen, Ostbrandenburg und Ostpommern
vertrieben. Genau genommen waren im Gebiet der heutigen Republik Polen (also
ohne das nördliche Ostpreußen) bei Kriegsende 9,8 Millionen Deutsche beheimatet
(die volksdeutschen Neusiedler im Wartheland nicht eingerechnet), von denen bis
1950 8,5 Millionen Opfer von Flucht und Vertreibung wurden.
Im direkten Zahlenvergleich (der keine
Aufrechnung darstellt, da menschliches Leid sich immer nur addiert) sollten also
für jeden unterzubringenden „Ostpolen“ mehr als sieben Ostdeutsche aus den
Oder-Neiße-Gebieten ihre Heimat verlassen. Die Logik des Arguments, man hätte
Deutsche aus Schlesien, Pommern und Ostpreußen vertreiben müssen, um „Platz für
Polen zu schaffen“, ist umso fragwürdiger, als bereits im vorkriegspolnischen
Gebiet wie dargestellt mehr als zwei Millionen Deutsche beheimatet waren. Wenn
es also nur um die Unterbringung von Polen gegangen wäre, hätte kein einziger
Deutscher aus den Oder-Neiße-Gebieten die „erzwungene Wanderschaft“ antreten
müssen, als die ein deutscher Bundespräsident die Vertreibung einmal fast schon
zynisch bezeichnet hat.
Eine Postkarte
der polnischen Volksbüchereien vor dem Zweiten Weltkrieg
(Ausschnitt): Neben der dünn gekennzeichneten damaligen Westgrenze Polens
ist darauf fett die „historische Westgrenze Polens“ eingezeichnet,
wie sie im Jahre 1003/04 einmal für ein paar Monate bestand.
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