LONDON - Schwere Vorwürfe gegen die britische Regierung,
unter dem verstorbenen Premier Winston Churchill, erhebt ausgerechnet ein Mitglied
der Kommission für Militärgeschichte in London. Der Historiker Jonathan Walker behauptet
in seinem jetzt auch in polnischer Sprache veröffentlichtem Buch "Der britische
Verrat", dass Großbritannien 1940 nicht wegen dem deutschen Angriff auf Polen in
den Krieg gegen Hitler zog, sondern einzig um Deutschland am Boden zu sehen. er
betont besonders, dass Churchill Polen nicht nur vor und während, sondern auch
nach dem Kriege im Stich liess. Walker prüfte in den Vorbereitungen zu seinem Buch
z.B. intensiv die Rolle Londons zum Warschauer Aufstand von 1944 und den Einsatz
polnischer Soldaten für das Vereinigte Königreich, denen die britische Regierung
Unterstützung im Kampf zur Befreiung ihres Landes von deutschen- sowjetischen Besatzern
versprochen hatte. "Die Polen vertrauten ihren "Verbündeten" von den Inseln, doch
sollten sie dramatisch enttäuscht werden" - schreibt der Historiker.
In einer landesweit, über Radio ausgestrahlten, Ansprache hatte der britische Premierminister
nach der deutsch-sowjetischen Invasion bekanntlich 1940, gesagt: "Polen ist nicht
mehr allein". Für den Historiker Jonathan Walker bedeutet diese Aussage Winston
Churchills nicht mehr als Hohn. Er erklärte, dass dieser von Anfang an sich nur
einem einzigen Ziel widmete - der Niederlage Deutschlands - und alle anderen Pläne
diesem Ziel unterordnete. In seinem 2008 in Großbritannien unter dem Titel "Poland
Alone" veröffentlichten Originalwerk in englischer Sprache, schrieb der Autor hauptsächlich
über die Arbeit der Special Operations Executive (SOE) während der Endphase der
polnischen Heimatarmee (AK) 1944 in Warschau. Der SOE war eine britische Geheimdienst-Struktur, die Aktionen von Widerstandsbewegungen in den von Deutschland besetzten
Ländern in Europa unterstützte. In der polnischen Ausgabe seines Buches "Der britische
Verrat", zeigt Walker erschütterndes Gesamtbild des britischen Beitrages zur Befreiung
Polens auf.
Walker: "Polen war der Vorwand, welcher Großbritannien in den Zweiten Weltkrieg
führte. Die Angst vor einem neuen Hitler-Stalin-Pakt dürfte da schon eher einer
der Gründe zum Kriegsbeitritt gewesen sein. Weder England noch Frankreich hatten
damals die materiellen Mittel zu verhindern, dass Deutsche und Sowjets im Jahre
1939 polnische Grenzen überschritten. Da war Polen dann tatsächlich nicht mehr allein.
In den folgenden vier Jahren sollten die polnische Regierung im Exil und ihre Streitkräfte,
der alliierten Kriegführung wichtige Hilfen leisten. Im Gegenzug erhielt die polnische
Heimatarmee insgesamt nur armselige 600 Tonnen Hilfsgüter. Sie kämpfte einsam und
alleine beim blutigen Warschauer Aufstand von 1944 gegen die deutsche Armee um die
Kontrolle über die Stadt. Die erwartete Hilfe der Alliierten traf nie ein und die
rote Armee wartete schon gierig vor den Toren der Stadt. Die Polen sollten auch
ihnen später hilflos ausgeliefert sein".
Historiker Jonathan Walker, der heute in Kanada lebt, prüfte in seinen Recherchen
ob Großbritannien damals mehr hätte tun können, um das polnische Volk im Krisenjahr
1944 zu retten. Beschäftigte sich mit Aktionen der Royal Air-Force, der Politik
in London, der Rolle polnischer Kuriere, dem Scheitern des britischen Geheimdienstes
und der Schuld der angelsächsischen Presse. Londons Politik im Bezug auf die polnische
Frage während des Zweiten Weltkrieges war für ihn zentrales Thema und er musste
schon bald erkennen, dass Großbritannien eigentlich nur den Verbündeten verraten
hatte: "Die Polen haben für das Vereinigte Königreich gekämpft, nachdem man ihnen
britische Unterstützung im Kampf zur Befreiung ihres Landes von der deutschen und
der sowjetischen Besatzung versprochen hatte. Doch nach dem Sieg der Alliierten,
wurde Polen wie eine heisse Kartoffel fallen gelassen".
Aus einer Stellungnahme Walkers geht auch hervor, dass die polnische Exil- Regierung
in London die Briten in ihrer angeblichen Möglichkeit, im Namen Polens sich der
Sowjetunion zu widersetzen, überschätzt habe. "Niemand in London war hierzu bereit,
auch nicht im Gegenzug für die großen Verluste welche das polnische Militär an der
Seite Großbritanniens und mit anderen Alliierten schon erlitten hatte. Die Freiheit
und die territoriale Integrität Polens wurde archiviert" - betonte der Autor. Er
fügte hinzu, dass London nur "sehr wenig strategisches Interesse" an Polen hatte
bzw. die geographischen Lage des Landes hoffnungslos war, da auch ein Zugang der
Alliierten auf polnisches Gebiet, vor einer Niederlage Deutschlands, undenkbar war.
Durch die Kapitulation Churchills vor Stalin und Verbündeten bei der
Konferenz von
Teheran sei der unvermeidliche Preis, die weitere Teilnahme der Sowjetunion am Krieg
gewesen. Polen habe man damit verraten.
Das Buch Walkers verweist auch auf britische Entscheidung keine Bomben auf Auschwitz-Bahngleise abzuwerfen: "Jegliches rationale Denken widersetzte sich Gerüchten, dass
die Nazis so dumm sein könnten, ihre eigenen Arbeitskräfte zu töten, wodurch ihnen
vollends die Chance genommen werde den Krieg zu gewinnen". Was die polnische Untergrundbewegung
angeht, betonte der Autor, dass die britische Regierung in ihrer Haltung gegenüber
den Widerstandskämpfern sich selten eins war. SOE-Offiziere distanzierten sich in
ihren Positionen aber auch von der polnischen Exil- Regierung. So war der SOE z.B.
dagegen, dass polnische Flugzeuge 1944 Nachschub für die 27. Division der AK über
Polen abwarfen. Die britische Regierung hatte sogar ein generelles Verbot für Maßnahmen
in der Nähe der russischen Front verhängt, trotzdem aber liess der SOE die polnischen
Piloten ihr Werk vollenden. Laut Historiker Walker war dem SOE die "Unvermeidlichkeit"
des Warschauer Aufstandes bekannt. Die Alliierten hätten aber nichts getan, die
Polen von einer solch tragischen Lösung abzuhalten. Bekanntlich schauten ja auch
die Sowjets bei dem Gemetzel zu.
Jonathan Walker bedauert, dass der SOE zur Unterstützung der polnischen Untergrundbewegung,
nur 600 Tonnen Hilfsgüter mit dem Flugzeug über Polen platzierte. Zum Vergleich
nannte er Lieferungen von 5.796 Tonnen an Griechenland oder gar 10.000 Tonnen
nach Frankreich. Nach seinen Unterlagen haben 80.000 Polen während des Krieges
"sehr profitabel" in nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit mit dem britischen SOE
gewirkt. Hinzu kämen viele Erfolge des polnischen Geheimdienstes, wie z. B. die Beibringung
der Enigma oder der Abbau einer kompletten V2-Rakete. Die Briten hatten während
des zweiten Weltkrieges vor allen Dingen Polen an die vordersten Fronten geschickt
und hatten selbst in diesen grausamen Jahren nur relativ geringe Verluste. Sie haben
nie eine Selbstanalyse über die auch unrühmliche britische Rolle im zweiten Weltkrieg
erarbeitet. Einzig die strategische Bombardierung von Dresden schwirrt neuerdings
in einigen Köpfen als "mögliches" Kriegsverbrechen herum. Für den Massenmord an
der Bevölkerung und der Auslöschung der ehemaligen europäischen Kulturmetropole
setzte London polnische Crews ein.
Im Mai 1945 hatte Churchill im britischen Unterhaus gesagt: "Wir sind eine sehr
anständige Bande in diesem Land. Diese Aussage beschreibt vortrefflich die verschleierte
britische Sicht auf ihren Beitrag am zweiten Weltkrieg und dessen Vorgeschichte.
Diese Netzseiten sind optimiert
für 800x600 / 1024x768 oder höher und 24 Bit Farbtiefe sowie MS-Internet Explorer 11.x oder höher.
Netscape ab 7.x oder andere Browser mit Einschränkungen verwendbar. - Soundkarte
für Tonwiedergabe erforderlich.