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Was Westpreußen Friedrich II. verdankt So problematisch Friedrichs des Großen Beziehung zu Ostpreußen war, so positiv war jene zu Westpreußen. Westpreußen war sozusagen sein Kind. In seiner Regierungszeit ist der größte Teil Westpreußens durch die sogenannte Erste Teilung Polens vom 5. August 1772 zum Königreich Preußen gekommen; Friedrich hat die Provinz aus vormals polnischen beziehungsweise königlich-preußischen und ostpreußischen Territorien geformt; er hat ihr ihren Namen gegeben. Friedrichs Verdienst um Westpreußen bestand vor allem in dem energischen Versuch, die aus vorher vornehmlich polnisch regierten Territorien bestehende Provinz „auf preußischen Fuß“ herzurichten, sprich das Niveau auf die Höhe der Altgebiete und des hohenzollernschen Gesamtstaates anzuheben. Spätestens seit unserer kleinen Wiedervereinigung von 1990 haben wir eine Vorstellung davon, was eine derartige Niveauanhebung für eine Sisyphusarbeit ist. Auch bei der sogenannten Ersten Teilung Polens handelt es sich ja um eine Art Wiedervereinigung, hatten doch Ostpreußen und der größte Teil Westpreußens bis zum Zweiten Thorner Frieden von 1466 beide zum Deutschordensstaat gehört. Das war 1772 jedoch schon lange her. Inzwischen hatten das, was man unter den Begriffen „polnische Anarchie“ und „polnische Wirtschaft“ versteht, in Westpreußen Einzug gehalten. Die polnische Adelsrepublik hatte bis 1772 ja noch nicht einmal das Stadium des Absolutismus erreicht. Das hatte der Hohenzollernstaat bereits unter Friedrichs Urgroßvater, dem Großen Kurfürsten. Mittlerweile war man in Preußen bereits beim aufgeklärten Absolutismus. Es war denn auch ein Aufklärer, Voltaire, von dem das Urteil stammt, zu Recht gehe ein mehr oder weniger verrottetes Staatswesen an aufgeklärte Herrscher über. Dabei war Voltaire nicht nur ein Aufklärer, sondern auch ein Franzose, und wir wissen um die traditionelle Polenfreundlichkeit Frankreichs. Friedrichs Ziel, Westpreußen auf gesamtpreußisches Niveau zu bringen, war naheliegenderweise besonders in den Politikfeldern ambitioniert, in denen der Hohenzollernstaat besonders fortschrittlich war. Hierzu gehört die Schulpolitik. Wir alle wissen um Preußens Pionierleistungen bei der Einführung der allgemeinen Schulpflicht. Bei der Verfolgung des Ziels, die allgemeine Schulpflicht auch in Westpreußen einzuführen, begann Friedrich mit der Einrichtung von Schulen auf den Domänenämtern für die Bildung des Landvolkes. Für die Finanzierung stiftete er extra einen Fonds von 200.000 Talern, der in Landbesitz angelegt werden sollte. Ein Taler hatte ein Feingewicht von 16,704 Gramm Silber (1). Friedrich richtete 187 Landlehrerstellen ein, 46 deutsch-evangelische, 47 deutsch-katholische und 94 polnisch-katholische. Allerdings konnten statt der geplanten 187 Landschulen nur 150 eingerichtet werden. Es fehlte an polnisch-katholischen Lehrkräften. Hilfesuchend wandte sich Friedrich an den polnisch-katholischen Bischof des Ermlands. Doch selbst der konnte oder wollte nicht helfen. Dabei hätten diesem ja polnische Multiplikatoren auf staatlichen Planstellen ein Herzensanliegen sein müssen. Für die Bildung des Adels gründete Friedrich 1776 in Kulm eine Kadettenanstalt. Diese Anstalt verhieß dem Zögling nicht nur Bildung, sondern auch Lohn, Brot und Ansehen im preußischen Offiziersstand. Insbesondere der zahlreiche Kleinadel machte hiervon regen Gebrauch. Die Nachfrage war groß und so wurde die Zahl der Kadetten von anfänglich 48 auf später 60 erhöht. Diese Kadettenanstalt erzeugte Loyalität zum Staate und einer ihrer mehrheitlich nichtdeutschen Schüler wurde einer der Großen Preußens: Ludwig Yorck von Wartenburg, ein Kaschube. Die höhere Schulbildung hatte in Westpreußen vor der sogenannten Ersten Teilung Polens in den Händen der Jesuiten gelegen. Damit war 1773 Schluss. Aber nicht etwa wegen des neuen protestantischen Landesherren, sondern wegen des Papstes, der den Orden in jenem Jahr aufhob. Friedrich erhielt deren Kollegien Altschottland bei Danzig, Braunsberg, Bromberg, Deutsch-Krone, Graudenz, Kontz, Marienburg und Rössel nicht nur als Bildungseinrichtungen, sondern sogar als katholische Bildungseinrichtungen. Sie wurden katholische Gymnasien. Die Gymnasien Altschottland und Braunsberg erhielten gar den Status „Akademisches Gymnasium“ und wurden in den Dienst der Ausbildung katholischer Geistlicher gestellt. Friedrich wahrte dabei die Kontinuität auch insofern, als die Leiter und Lehrer aus dem Kreis der vormaligen Ordensmitglieder rekrutiert wurden. Dieses alles zeigt nicht nur die Bedeutung, die Friedrich der Bildung beimaß, sondern auch seine große religiöse Toleranz. Friedrich brachte Westpreußen die religiöse Toleranz, denn die polnische Adelsrepublik war zutiefst intolerant. Würde die sogenannte Erste Teilung Polens heute stattfinden und statt von den damaligen Nachbarn Preußen, Russland und Österreich von der westlichen Wertegemeinschaft durchgeführt werden, würden wir sie als humanitäre Mission preisen. Der durch die sogenannte Erste Teilung Polens bewirkte Wechsel von Orthodoxen von der polnischen unter die russische und von Protestanten von der polnischen unter die preußische Herrschaft kam für die Betroffenen einer religiösen Befreiung gleich. Es ist menschlich völlig verständlich, wenn die befreiten deutschen Protestanten nun von ihrem neuen protestantischen König, wenn schon nicht Vergeltung, so doch wenigstens eine Rückgängigmachung des ihnen während der polnischen Herrschaft angetanen Unrechts forderten. Aber ähnlich wie nach dem Erwerb Schlesiens vom katholischen Österreich kam Friedrich entsprechenden Bitten und Forderungen nicht nach. Da Friedrich die Katholiken nicht zwang, vormals protestantische Kirchen zurückzugeben und andererseits aus Gründen der Sparsamkeit nur wenig Geld zum Bau neuer protestantischer Kirchen zur Verfügung stellte, blieb das durch die polnische Intoleranz entstandene Missverhältnis weitgehend bestehen. 1772 standen in Polnisch-Preußen 388 katholischen Kirchen nur 70 evangelische gegenüber. Bis zu Friedrichs Todesjahr 1786 erhöhte sich der protestantische Bestand nur um drei Kirchen, zwei Bethäuser und vier Gottesdiensträume. Westpreußens Protestanten mussten sich damit begnügen, dass zu dem unter dem katholischen König von Polen erlittenen Unrecht unter dem protestantischen König von Preußen nicht neues hinzukam. Die Katholiken konnten von einem andersgläubigen Herrscher nicht mehr erwarten, als Friedrich ihnen gab. Kam es trotzdem zu Auseinandersetzungen, so lag das weniger an einer religiösen Intoleranz Friedrichs als daran, dass sich der katholische Klerus Westpreußens erstmals in der Neuzeit mit den Ansprüchen eines modernen Staates und eines absolutistischen Landesherren konfrontiert sah. Wie bereits erwähnt war zu Friedrichs Lebzeiten Polen eine vorabsolutistische Adelsrepublik und Preußen ein absolutistischer Staat. Folglich versuchte Friedrich in Westpreußen im Zeitraffer die Einführung des Absolutismus nachzuholen. Was bedeutet Einführung des Absolutismus? Das bedeutet (a) die Konzentrierung der Macht in der Hand des Monarchen auf Kosten des zweiten, vor allem aber des ersten Standes, des Adels, (b) den Aufbau einer leistungsfähigen Verwaltung, mit welcher der Souverän bis in den letzten Winkel des Staates durchregieren, seinen Willen durchsetzen kann, sowie (c) die rationale Ausnutzung der wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen zur Mehrung der Macht, des Einflusses und des Wohlstandes des Monarchen. Als Vertreter eines aufgeklärten Absolutismus führte Friedrich mit dem Absolutismus auch den Rechtsstaat ein und beendete die voraufklärerische Willkürherrschaft des Adels, sicherlich eines der großen Verdienste des Preußenkönigs um Westpreußen. Nicht irgendein Preuße, sondern der polnische König Stanislaus Leszcynski sagte über Polen: „das einzige Land, wo die Masse des Volkes aller Rechte der Menschheit entbehrt“. Nutznießer dieser Rechtslosigkeit war nicht er, sondern der Adel. Nicht umsonst spricht man trotz Monarchie von der polnischen Adelsrepublik. Die Grundherren waren auch die einzigen Gerichtsherren ihrer Bauern. Ihre Gewalt über sie war unbeschränkt. Ungestraft konnten sie sie je nach Lust und Laune ausbeuten, töten oder verkaufen und letzteres auch ohne das dazugehörige Gut. Bereits im Juni 1772, das heißt schon drei Monate vor der offiziellen Besitzergreifung Westpreußens, verfügte Friedrich, dass „alle Sklaverei und Leibeigenschaft abgeschafft und die Untertanen als freie Bürger angesehen und behandelt werden wollten“. Es sei „sein ausdrücklicher Wille, dass die Untertanen als freie Leute angesehen und behandelt werden“. Per Kabinettsorder verfügte er: „Der bisherige modus procedendi zwischen den Edelleuten und Bauern hört völlig auf, und ist einem jeden Untertan erlaubt, mit Vorbeigehung der Gerichtsbarkeit seiner Grundherrschaft bei den Landes-Justiz-Collegiis Recht zu nehmen“. Damit war der Bauer rechtsfähig geworden. 1773 wurde die polnische Leibeigenschaft durch die mildere preußische Erbuntertänigkeit ersetzt. Am besten erging es den Bauern dort, wo Friedrich seine Vorstellungen am ungehindertsten und leichtesten durchsetzen konnte, auf den Staatsgütern, den Domänen. Dem Domänenbauern wurde Freiheit und Eigentum zugesichert. Sie durften ihr Land verkaufen oder vererben. Ihre Dienstpflicht wurde auf 60 Tage beschränkt. Friedrichs Hoffnung, dass der Umgang der Domänen mit den Bauern auf die adligen Gutsbesitzer abfärben könnte, erfüllte sich nicht, so dass die Domänenbauern privilegiert blieben. Schluss machte Friedrich mit der polnischen Steuerwillkür. Stattdessen führte er fürs Land ein Steuerwesen ein, das mit Besteuerung nach Leistungsfähigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz an heutigen Idealen orientiert war. Hierzu wurde 1772/1773 das Land mit preußischer Gründlichkeit vermessen, wobei auch die Bodenqualität festgehalten wurde, was die Möglichkeiten zu einer an der Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung noch verbesserte. Bei der Gelegenheit wurde im sogenannten Kontributionskataster auch gleich die Bevölkerung erfasst. Dafür können die Sozialgeschichtler und Familienforscher Friedrich heute noch dankbar sein. Wie bereits angedeutet gehörte zum Absolutismus auch der Merkantilismus mit seinen starken Eingriffen des Herrschers beziehungsweise Staates zur Förderung der Wirtschaft. Hierzu gehörte auch der Ausbau beziehungsweise Aufbau einer leistungsfähigen Infrastruktur. Entsprechend wurde auch Friedrich in Westpreußen aktiv. Hierzu wurde das Postnetz ertüchtigt, das seit den Zeiten des Deutschen Ordens heruntergekommen war. Des Weiteren wurde eine Forstverwaltung aufgebaut. Ähnlich wie beim Schuldienst kam es dabei zu einer Militarisierung, indem auf ausgeschiedene Soldaten zurückgegriffen wurde. Der Staat sorgte für preisgünstiges Saatgetreide, die Vermehrung und Verbesserung des Viehbestandes sowie die Anpflanzung von Obstbäumen. Zum Merkantilismus gehört auch der Protektionismus. Insofern war es eine volkswirtschaftliche Herausforderung, um nicht zu sagen ein Problem, dass bei der sogenannten Ersten Teilung Polens die Handelsstädte Danzig und Thorn als Enklaven bei Polen verblieben. Friedrich versuchte nun als Alternativen Elbing und vor allem Bromberg zu fördern und die Handelsströme zu den beiden Städten umzulenken. Durch Flussregulierungen von Netze, Weichsel und Nogat wurde die Wasserführung der unteren Weichsel so verändert, dass die Nogat, an der Elbing liegt, zum Hauptstrom wurde. Mit 6.000 Arbeitern wurde 1773/1774 in nur 16 Monaten der Bromberger Kanal als Verbindungsweg der Weichsel und Brahe mit der Netze, der Warthe und der Oder gebaut. Das Ziel, den Danziger Handel nach Elbing und Bromberg abzulenken, gelang zumindest teilweise. Allerdings erübrigte sich dieses Ziel bereits zwei Jahrzehnte später. Durch die sogenannte Zweite Teilung Polens von 1793 endete nämlich das Enklavedasein von Danzig und Thorn und auch diese beiden Handelsstädte kamen zur Provinz Westpreußen und dem Königreich Preußen. Da war allerdings das Leben Friedrichs des Großen schon seit sieben Jahr zu Ende.
Ähnlich verhielt es sich mit den Juden. Auch sie kamen in den Genuss von Friedrichs Glaubensfreiheit. Zudem waren sie in Preußen als einem ordentlichen, starken Rechtsstaat vor der Willkür des Mobs geschützt. Andererseits gereichte ihnen zum Schaden Friedrichs Nützlichkeitsdenken und preußische Ordnungsliebe in Kombination mit der weit verbreiteten Anschauung, dass sie Schmarotzer seien, die Staat und Gesellschaft mehr schädigten als zu nützen und sich nicht in die staatliche Ordnung einfügen und einfinden. So wurde während Friedrichs Regierungszeit mit 7.000 etwa die Hälfte der Juden aus Westpreußen ausgewiesen. Anmerkung:
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