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Friedrichs II. erste schwere Niederlage Im Siebenjährigen Krieg stand Friedrich der Große einer Koalition unter Führung der kontinentalen Großmächte gegenüber. Um das Habsburgerreich für einen Separatfrieden gefügig zu machen und so aus der feindlichen Allianz herauszubrechen, marschierte er nach der Eroberung Sachsens im April 1757 mit vier Armeeabteilungen in Böhmen ein. Auf der Gegenseite plante Prinz Karl von Lothringen, der Schwager Maria Theresias und Befehlshaber der Österreicher, gegen die Lausitz vorzustoßen und dann gemeinsam mit den Verbündeten zu operieren. Die österreichische Armee war inzwischen von Feldmarschall Graf Leopold Daun, einem Meister der Verteidigung, neu organisiert worden. Vor Prag stießen die Armeen aufeinander. In der nun folgenden Schlacht von Prag vom 6. Mai 1757 errang Friedrich zwar einen beachtlichen Sieg, da er einen starken Gegner aus einer vorbereiteten Stellung warf. Doch die Verluste von über 14.000 Mann waren schwer zu ersetzen. Prinz Karl ließ sich in Prag einschließen und sandte einen Hilferuf nach Wien, in dem er die Kaiserin um Entsatz bat. König Friedrich befand sich in keiner beneidenswerten Lage. Angesichts der starken Besatzung der Stadt konnte er keinen Sturmangriff wagen; er stellte sich auf eine längere Belagerung ein, für die zunächst ausreichend Artillerie herangebracht werden musste. Ein derartiges Vorhaben war aber ein großes Wagnis, da er mit einem Entsatzversuch rechnen musste und obendrein Meldungen von der Annäherung einer französischen Armee eintrafen. Inzwischen hatte Maria Theresia den erfahrenen Feldmarschall Daun mit dem Entsatz von Prag beauftragt. Sie ließ ihn wissen, dass das Schicksal ihres Reiches und ihrer Dynastie von seiner Führungskunst abhinge. Daun sammelte zahlreiche Versprengte und zog wieder eine ansehnliche Armee südöstlich von Prag zusammen, während Husarenabteilungen unter General Franz Leopold Graf Nádasdy den Rücken der Belagerer bedrohten. So fasste der König, obwohl er zahlenmäßig im Nachteil war, den kühnen Entschluss, die Entsatzarmee zur Schlacht zu stellen. Er ließ Truppen unter Feldmarschall James Keith zur Einschließung Prags zurück und zog mit 34.000 Mann und 90 Geschützen nach Osten in Richtung Kolin, wo er Daun zu stellen hoffte. Dieser hatte inzwischen etwa zehn Kilometer westlich der Ortschaft parallel zur „Königstraße“ eine gute Höhenstellung gewählt und dort seine Armee in der Stärke von 50.000 Mann mit 145 Geschützen postiert. In Reserve standen noch einige Regimenter sächsischer Reiterei, die sich in Reaktion auf die schlechte Behandlung Sachsens durch Friedrich auf die Seite der Österreicher geschlagen hatten.
Als Friedrich am 18. Juni morgens auf den Gegner stieß, ließ er seine Truppen entlang der Straße anhalten und nahm Einblick in die gegnerischen Linien. Er erkannte, dass sich der rechte Flügel Dauns um die Krechor-Höhe zog, deren Verlust den Gegner sicherlich schwer unter Druck setzen würde. So beschloss Friedrich, seinen Hauptstoß in „schräger Schlachtordnung“ gegen diese Höhe zu richten. General Johann Dietrich von Hülsen sollte mit sieben Bataillonen die Vorhut führen, gefolgt von zehn Bataillonen des Generals Joachim Friedrich Christian von Tresckow, während auf dem äußersten linken Flügel die preußische Kavallerie eine Umfassung versuchen sollte. Demgegenüber hatten das Zentrum und der rechte Flügel stillzuhalten. Die Truppen mussten bei drückender Hitze unter Waffen stehen, ehe sie um 13 Uhr endlich den Befehl zum Abmarsch in die Ausgangsstellung erhielt. Daun hatte erkannt, dass sich die Hauptmacht der Preußen nach Osten verschob und befahl daher seinem Reservekorps, hinter seinen rechten Flügel zu rücken und dort Stellung zu beziehen. Dieser Entschluss sollte sich als vorausschauend erweisen, denn die Reserven kamen gerade noch rechtzeitig, um die Bataillone Hülsens bei Krechor in ein schweres Gefecht zu verwickeln, das den Angriff ins Stocken brachte. Außerdem leistete leichte Infanterie in dem mit Buschwald bedeckten, unübersichtlichen Gelände zähen Widerstand. Das hohe Getreide und viele Hohlwege bewirkten Stockungen, so dass Friedrich die letzten Bataillone des Prinzen Moritz von Anhalt, der die Reserve führte, einsetzen musste, um die Lücken zu füllen. Erst gegen 16 Uhr stieß das erste Bataillon auf die Stellungen der Österreicher. Um diese Zeit ertönte zur Überraschung Friedrichs Gefechtslärm im Zentrum, denn Generalmajor Christoph Hermann von Manstein hatte dort ohne Wissen des Königs mit fünf Bataillonen den Angriff eröffnet. Dieses Vorgehen widersprach eindeutig dem Befehl; es ist fraglich, ob Manstein den Befehl, der ihm überbracht worden war, falsch verstanden hatte oder ob er die Österreicher, die ihrem rechten Flügel zustrebten, „festnageln“ wollte. Jedenfalls wurde auf diese Weise aus dem geplanten Flankenstoß eine Frontalschlacht. Während nun im Zentrum die gegnerische Artillerie den frontal angreifenden Preußen schwere Verluste zufügte, konnte Hülsen gegen 17 Uhr endlich die Krechor-Höhe stürmen. Bei diesem Angriff zeichnete sich der junge Oberst Friedrich Wilhelm von Seydlitz mit einer Dragonerbrigade aus. Seydlitz sollte bald zum berühmtesten Reiterführer Friedrichs werden. Doch der Zeitverlust hatte es Daun ermöglicht, hinter der Höhe einen Abwehrriegel aus sieben Bataillonen zu errichten. Es ging nun darum, ob die preußischen Reiter diesen Riegel sprengen und das Zentrum der Österreicher aufrollen konnten. Schon hatten die Grenadiere Tresckows den Gegner im Zentrum zusammengedrängt und eine Großbatterie erobert, als die letzten österreichischen Reserven einen Gegenstoß führten, worauf Seydlitz weichen musste. Nun wollte der König um 17.30 Uhr mit starker Kavallerie den rechten Flügel der Österreicher endgültig überrennen. Die preußischen Kürassiere unter General Jean Jacques de Penavaire griffen aber nicht dort an, wo der Gegner schwächelte, sondern wandten sich gegen dessen noch intakte Truppen. Die Österreicher konnten ihre Stellung mühsam halten, und als 19 ihrer Schwadronen einen wuchtigen Flankenangriff ritten, wich die preußische Kavallerie fluchtartig zurück. Hierauf fasste Daun alle greifbaren Schwadronen zusammen und warf sie den Bataillonen Hülsens und Mansteins in die Flanke, worauf diese ebenfalls weichen mussten. Doch Friedrich wollte den Rückschlag nicht hinnehmen. Um 19 Uhr, bei sinkender Sonne, ließ er nochmals seine verbliebenen 14 Bataillone, unterstützt durch die Kavallerie Penavaires, zum Angriff vorrücken. Wieder entstand zwischen dem rechten Flügel der Österreicher und deren Zentrum eine kritische Lage, denn Prinz Moritz von Anhalt drängte auf den Durchbruch. Doch ein wallonisches Dragonerregiment brachte den Umschwung. Dauns Reserven waren nun alle zur Stelle, der preußische Stoßkeil wurde an beiden Flanken angegriffen und geriet in mörderisches Kreuzfeuer. Friedrichs Kavallerie versäumte es, rechtzeitig einzugreifen. So erlitt die preußische Infanterie schwerste Verluste. Manche Bataillone wurden überritten, die Überlebenden gingen in Gefangenschaft. Der König war tief deprimiert. Mit gezogenem Degen führte er zu Pferd die Reste eines Bataillons zum Sturm gegen eine österreichische Batterie. Immer mehr von den ihm folgenden Soldaten fielen, doch er ritt weiter, als ob er den Tod suchen wollte. Da konnte ihn endlich sein Flügeladjutant mit den Worten „Sire, wollen Sie die Batterie allein erobern?“ zur Umkehr bewegen. Während sich das I. Bataillon der Garde gegen nachsetzende Kavallerie opferte, um den Rückzug zu decken, ritt der König mit einer Eskorte in Richtung Prag. Angesichts der hereinbrechenden Nacht ließ Daun nicht weiter verfolgen. Zwei Tage später war die Belagerung Prags aufgehoben. Kolin bedeutete die erste schwere Niederlage Friedrichs. Er hatte fast 14.000 Mann, darunter 3.000 Deserteure, verloren, wogegen sich die Verluste der Österreicher auf 9.300 Mann beliefen. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit war dahin, und seine Gegnerin Maria Theresia triumphierte. Der König brauchte längere Zeit, um die Niederlage zu verkraften. Er führte seine geschlagene Armee nach Sachsen zurück und entließ in einer Zornesregung seinen Bruder August Wilhelm, der in Ungnade gefallen war. Auf dem Rückzug kam noch der verwundete General von Manstein ums Leben, als er und sein Tross von 800 Kroaten und Panduren angegriffen wurden. Inzwischen drang Prinz Karl nach Schlesien ein und bereitete die Vereinigung mit der französischen Armee vor, die gemeinsam mit Reichstruppen von Westen heranrückte. Zum ersten Mal in diesem Krieg steckte Friedrich in einer höchst unangenehmen Situation. Die Schlacht von Prag vom 6. Mai 1757 Nach dem Einmarsch in Böhmen im Frühjahr 1757 sammelte Friedrich eine Armee mit 65.000 Mann vor Prag, das der Gegner gut bevorratet hatte und keineswegs preisgeben wollte. Die österreichische Armee in der Stärke von 62.000 Mann erwartete den Angriff. Am 6. Mai 1757 unternahm Friedrich einen Flankenmarsch, um die Österreicher von Osten und Südosten her anzugreifen. Die Husaren des Generals Hans von Zieten stießen weit ausholend auf dem linken Flügel vor und zersprengten die gegnerische Kavallerie. Inzwischen hatte Prinz Karl das Plateau, das sich ostwärts von Prag erstreckte, im Norden und Osten mit seiner Infanterie und Artillerie besetzt und leistete starken Widerstand. General Hans Karl von Winterfeld, der Generaladjutant des Königs, unternahm mit 14 Bataillonen einen improvisierten Angriff gegen das Plateau, der aber unter schrecklichen Verlusten zusammenbrach. Winterfeld wurde dabei schwer verwundet. Als der alte Feldmarschall Kurt von Schwerin sah, dass die Truppen zurückwichen, setzte er sich an die Spitze eines Regiments und wollte den Angriff erneuern. Er wurde aber aus dem Sattel geschossen, und sein Regiment ergriff die Flucht. In dieser Lage erkannte König Friedrich, der mit dem zweiten Treffen aufmarschiert war, dass sich zwischen den beiden österreichischen Flügeln eine Lücke gebildet hatte, und stieß mit 18 Bataillonen in sie hinein. Der Gegner wich zäh kämpfend zurück, während sich Prinz Heinrich, der Bruder des Königs, dadurch auszeichnete, dass er die erschöpften Soldaten anspornte und aufs Neue zum Angriff vorantrieb. Schließlich gingen die Österreicher auf Prag zurück. Die Preußen hatten eine Schlacht gewonnen, doch den Krieg noch lange nicht, noch nicht einmal den Kampf um Böhmen. Die blutige Schlacht von Prag fand einen literarischen Nachruf in der schaurig-schönen Ballade „Lenore“ von Gottfried August Bürger, der hierin den Gefallenen ein Denkmal setzte. H.M.
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