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Streit um Sankt Katharinen in Arnau Dem eingetragenen Verein „Kuratorium Arnau“ ist es gelungen, St. Katharinen in Arnau dem Zugriff der Russisch-Orthodoxen Kirche zu entziehen. Allerdings hat letztere sich noch nicht geschlagen gegeben, versucht es vielmehr mit allen Tricks verbissen weiter. Angesichts des Griffes der Russisch-Orthodoxen Kirche nach dem wegen seiner einmaligen und zum Teil noch recht gut erhaltenen Wandmalereien aus dem Mittelalter berühmten St. Katharinenkirche sah sich das Kuratorium Arnau gezwungen, mit gezielten diplomatischen Aktionen auf mehreren Ebenen zu reagieren. Eile war geboten, damit nicht vollendete Tatsachen entstehen, die sich im Laufe der Zeit verfestigen. Das deutsche Interesse, sich hier zu engagieren, ist allerdings gering. Dafür protestierten mehr als 30 russische Reiseleiter schriftlich beim Gouverneur gegen die Übernahme des Sakralbaus durch die Russisch-Orthodoxe Kirche. Das Ergebnis war, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche „zurückrudern“ musste. Ihr wurde das nach der Kirche von Juditten zweitältesten Gotteshaus im ehemaligen Deutschordensstaat – vorerst – nicht übertragen. Dennoch bleiben entscheidende Fragen offen und bilden ein drängendes Problem. Aus juristischer Sicht hat der zwischen dem Königsberger Gebietsmuseum für Geschichte und Kunst und dem Kuratorium Arnau geschlossene Vertrag, der das Kuratorium als gleichberechtigten Partner anerkennt, auch weiterhin bis 2018 Gültigkeit. Wie sich aber das „verbriefte Recht“ gegenüber der russischen Rechtswirklichkeit verhalten wird, ist ungewiss. Bildlich gesprochen ist Arnau im Augenblick eine schwebende Kirche, und dem Kuratorium Arnau stehen noch harte Kämpfe ins Haus. Wie hart hier gerungen wird, zeigte bereits ein Vorfall vom Beginn dieses Monats, als der Fernsehsender „Russland 1“ eine Reportage über die Arbeiten der deutschen Jugendgruppe aus dem Kreis Nienburg (Weser) vor Ort drehen wollte. Diese Jugendgruppe, die sich über einen Aufruf des Kuratoriums gefunden hatte, war in der Ferienzeit nach Arnau gekommen, um sich um den verwilderten deutschen Friedhof der Kirche zu kümmern. Hierzu gehörte auch die Pflege der Grabstätte des preußischen Reformers und Schülers Immanuel Kants Theodor von Schön, dessen Grab ebenso wie der gesamte Vorplatz der Kirche bei der Ankunft der Jugendgruppe sowie des Pädagogen Wolf-Dieter Schröppe und seiner Ehefrau – wie bereits bei einer Schülergruppe im Vorjahr – von meterhohem Unkraut überwuchert war. Über das Freizeitengagement der Jugendlichen und über das vom Kuratorium vor Ort geplante kleine Museum im neu erworbenen alten Glöcknerhaus neben der Kirche wollte der TV-Sender berichten. Doch es kam ganz anders. Auf geschickte Weise unterlief die Russisch-Orthodoxe Kirche das Vorhaben, indem sie zum Zeitpunkt der geplanten Fernsehaufnahmen einen Gottesdienst in der Kirche inszenierte. Der wenige Tage später gesendete Fernsehbericht zeigte Gläubige vor der Kirche in Arnau und während des Gottesdienstes. Es waren aber nicht die Anwohner des Dorfes Arnau, sondern eine Veteranendelegation, eine Delegation der Kosaken sowie Vertreter der orthodoxen Kirche Neuhausen, zu der Arnau verwaltungsmäßig gehört. Im Interview sagten die beiden am Gottesdienst beteiligten Priester aus, dass die Kirche dem Staat gehöre und der orthodoxen Kirche am 1. Juni 2010 zur Nutzung übergeben worden sei. Das Museum Königsberg sei „ausgebootet“. Es gäbe nun drei Möglichkeiten, so die Priester: 1) Die Russisch-Orthodoxe Kirche übernimmt alle Verantwortung für die Kirche, einschließlich der Renovierung. 2) Die Russisch-Orthodoxe Kirche versucht eine neue Zusammenarbeit mit dem Museum und dem Kuratorium Arnau zu erreichen. – Diese Variante wird angeblich von der Russisch-Orthodoxen Kirche bevorzugt. 3) Das Kuratorium nimmt sich als Beispiel die „gute Zusammenarbeit“ mit Tharau, das heißt, dass weiterhin von deutscher Seite Geld bereitgestellt wird und die Arbeiten vor Ort wie die Nutzung der Kirche der Russisch-Orthodoxe Kirchen überantwortet werden. Das Fernsehen drehte auch Szenen mit den Jugendlichen. Diese wurden aber im Bericht nicht gezeigt. Dafür wurde der Leiter der Jugendgruppe mit dem Satz zitiert: „… dass es gut sei, dass die Kirche auch für Gottesdienste genutzt werde“. Den Nachsatz von Schröppe, „dass diese Gottesdienste sich aber schädlich auf die empfindlichen Fresken auswirken werden“, und seine weiteren Bedenken bezüglich regelmäßiger Gottesdienstes in der Kirche wurden einfach weggelassen. Weiter war zu hören, dass „die Deutschen“ an der Wiederherstellung der Kirche beteiligt seien. Von großem Interesse für die Reporter war die Frage, ob die Bundesrepublik weiter Geld für die Kirche aufbringen werde. Die Antwort im Sinne des Vorsitzenden des Kuratoriums, Walter Rix, lautet, dass Geld für die Kirche und besonders für die Wiederherstellung der Fresken nur gegeben wird, wenn der zwischen dem Gebietsmuseum für Geschichte und Kunst und dem Kuratorium Arnau im August 2009 geschlossene Vertrag bis zum Jahr 2018 Gültigkeit behält. Volle Restitution bis 1917 – auf Ostpreußen kaum anwendbar Die Kirche hat einen guten Magen. Hat ganze Länder aufgefressen und doch noch nie sich übergessen.“ Wenn diese Worte von Mephistopheles in „Faust I“ zutreffen, dann für die Russisch-Orthodoxe. Sie kann gar nicht bewältigen, was ihr im Augenblick zuwächst. Nach einem Gesetz von Ende 2009 werden alle kirchlichen Güter restituiert, die ein Opfer der Revolution geworden waren. Ein derartiges Gesetz ist durchaus positiv zu werten, zeigt es doch, dass die Russische Föderation auch weiterhin auf dem Wege zum Rechtsstaat ist. Die Russisch-Orthodoxe Kirche erblickt in dem Gesetz jedoch nicht die Wiederherstellung eines Rechtszustandes, sondern sieht darin in erster Linie die Möglichkeit, Mittel und Macht zu vergrößern. Immobilien und Sakralgegenstände sind in letzter Zeit in solchem Umfang an sie übergegangen, dass sie sich daran zu verschlucken droht. Ihr fehlt zum großen Teil die Sachkompetenz, die erworbenen Immobilien zu erhalten oder zu restaurieren, von der Pflege der erworbenen Kunstgegenstände ganz zu schweigen. Viele Fachleute in Russland sehen in dieser Entwicklung sogar eine Gefährdung des nationalen Kulturerbes. Unlängst richtete der Generaldirektor der Museen des Moskauer Kremls, Andrej Batalow, gemeinsam mit über 40 russischen Museumsleitern eine leidenschaftliche Petition an den Moskauer Patriarchen Kyrill I. und die Regierung, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Solange „Gottes sterbende Häuser“, wie eine treffende Bezeichnung lautet, in Ruinen liegen, rührt die Russisch-Orthodoxe Kirche meist keinen Finger. Wenn aber etwas wiederhergestellt wurde, und das in Ostpreußen meist mit deutscher Hilfe wie beispielsweise die Kirche von Tharau, dann ist schnell ihre Begehrlichkeit geweckt. Da der Staat auf die emotionale Rückenstärkung durch die Kirche bedacht ist, verhält er sich in den meisten Fällen eher fördernd als zurückhaltend. Selbst auf die Reste der Ordensschlösser wird mit dem Argument Anspruch erhoben, dass sich in ihnen früher Kapellen befunden hätten. So ging unlängst selbst das nahe Insterburg gelegene Georgenburg in die Hände der Russisch-Orthodoxen Kirche über. Dies gilt auch für die Königsberger Kirchen, die den Krieg überstanden haben. Der Königsberger Dom ist dem Zugriff der Russisch-Orthodoxen Kirche nur entgangen, weil die maßgebliche Kraft seines Wiederaufbaus, der ehemalige Militäringenieur Igor Odinzow, über einflussreiche Kontakte weit in staatliche Stellen hinein verfügt. - J.N.
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