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Die St. Katharinen-Kirche in Arnau Der Einsatz der Ostpreußen für ihre Heimat ist beispielhaft. Viel wurde auf den Weg gebracht, aber die Umstände erlaubten es oft nicht, dass ein mit großem Enthusiasmus begonnenes Projekt die angestrebte Verwirklichung erfuhr. Umso erfreulicher ist es, dass sich die Arnauer St. Katharinenkirche, nachdem sie 1992 der völligen Zerstörung anheim zu fallen schien, wie ein Phoenix aus der Asche erhob. Und alle Anzeichen deuten darauf hin, dass kontinuierliche Arbeiten an dem Projekt, wenn auch äußerst mühsam, so doch nach und nach Fortschritte in Richtung Wiederherstellung machen.
Nach mehreren Bauabschnitten seit 1992 (Wiederherstellung des Turmes, neuer Dachstuhl und Eindeckung des Daches, Notfenster, teilweise Ausbesserung der Außenwände) ergab sich Ende 2007 eine Situation, in der das Projekt auf eine verlässliche rechtliche Grundlage gestellt werden musste. Seit Dezember 2007 erlaubte ein neues russisches Gesetz auch privaten Käufern, ein öffentliches Denkmal zu erwerben. Dadurch wurde die Gefahr heraufbeschworen, dass die Kirche in Hände geriet, die nicht dafür geeignet waren. In der Tat meldeten sich Interessenten, die weniger genehme Ziele verfolgten. Die Gefahr konnte abgewendet werden, indem die Kirche der Verwaltung des Königsberger „Museums für Geschichte und Kunst” unterstellt wurde und damit den offiziellen Status eines Museums erhielt. Am 15. Juli 2008 gaben die Gebietsverwaltung, die Leitung des Museums und das „Kuratorium Arnau e.V.” in der Kirche eine vielbeachtete Pressekonferenz, an der allein sechs Fernsehstationen, mehrere Printmedien sowie drei Rundfunksender teilnahmen. Diese Pressekonferenz hatte ein starkes Echo und führte dazu, dass in der Folgezeit mehrere russische Kulturzeitschriften ausführliche Beiträge über Arnau brachten. Aufgrund dieser Berichte kamen zahlreiche Besucher, die historisch oder kunstgeschichtlich interessiert waren. Leider fehlt auf deutscher Seite eine vergleichbare Resonanz, so dass das Kuratorium in Zukunft seine PR-Arbeit in dieser Richtung eigentlich verstärken müsste.
Um die rechtliche Basis weiter auszubauen, schloss das Kuratorium am 18. Juli 2008 mit der Gebietsverwaltung und der Museumsleitung einen auf 10 Jahre befristeten Kooperationsvertrag, der das Kuratorium in bezug auf alle weiteren Arbeiten am Projekt als gleichberechtigten Partner anerkennt und wechselseitige Konsultationen festlegt. Weiterhin wird in diesem Vertrag dem Kuratorium das Recht auf eigene Veranstaltungen bzw. Ausstellungen in der Kirche eingeräumt sowie eine spezielle Räumlichkeit zugestanden. Die Praxis seit Vertragsabschluss hat gezeigt, dass sich eine ersprießliche und konstruktive Zusammenarbeit mit dem Museum unter der sachkundigen Leitung von Dr. S. A. Yakimov ergibt, während im Falle der Gebietsverwaltung von uns Geduld und Beharrlichkeit aufgebracht werden muss, insbesondere wenn sich lähmender Verwaltungseifer mit kunsthistorischen Aufklärungsbedarf mischt. Aber auch hier lassen sich die Probleme mit diplomatischem Einfühlungsvermögen und freundlicher Insistenz lösen.
Die Kirche steht nunmehr allen Besuchern als Museum offen. Der Eintritt kostet 2,- Euro bzw. 70,- Rubel, und es empfiehlt sich, den Besuch vorher beim Kuratorium anzumelden. Eine wichtige Maßnahme des Museums war es im Jahr 2008, das Areal der Kirche mit einem soliden Schutzzaun zu umgeben, der aus in Metallverstrebungen eingehängtem Wellblech besteht. Dadurch werden zerstörerische Intentionen, die erfahrungsgemäß bei derartigen Objekten in diesem Gebiet nicht selten sind, von vornherein abgewehrt. Zusätzlich wurde das Gebiet zwischen der Schnellstraße Königsberg-Gumbinnen und dem Pregel unter Landschaftsschutz gestellt. Das unmittelbare Gebiet um die Kirche herum wurde darüber hinaus noch als spezielle Schutzzone eingestuft. Die Einhaltung der Bestimmungen wird streng überwacht, so dass sogar vor einiger Zeit ein Stallgebäude abgerissen werden musste. Bei der Einrichtung dieser Zonen stellte man sogar fest, dass eine Fläche von ca. 420 qm um die Grabstätte der Familie von Schön grundbuchamtlich eingetragenes Eigentum der Königsberger Propstei ist. Überhaupt wird sich die Struktur von Arnau wohl in Zukunft ändern. Zwischen der Stadtgrenze von Königsberg und Arnau entsteht gegenwärtig ein großer Klinikkomplex, und die Königsberger Stadtplanung sieht vor, Arnau einzugemeinden und verkehrsmäßig anzubinden. Baulich wurde die Sakristei wiederhergestellt, die bislang als Lastwageneinfahrt einen besonders deprimierenden Eindruck machte. Der in Ruinen gefallene, kunstvoll gestaltete Nordeingang erhielt eine große Schutzhaube. Neben der Arbeit an den Wandgemälden wird hier eine wesentliche Aufgabe des Kuratoriums liegen. Zunächst müssen die für die Rekonstruktion erforderlichen speziellen Formsteine hergestellt werden. Dies soll in einer alten deutschen Ziegelei in Insterburg geschehen. Unter Anleitung der Lüneburger Spezialfirma „Törringer Backsteinwerk Rettmer GmbH” wurde das alte deutsche Werk wieder in Betrieb genommen und produziert seit Januar 2009. Die Wiederherstellung des mit einem kunstvollen Rippennetz ausgestatteten Nordeingangs bzw. Paradieses stellt derartige Anforderungen an die handwerkliche Geschicklichkeit, dass man wohl auf deutsche Fachkräfte zurückgreifen muss. Der Erwerb von zwei Räumen in dem der Kirche benachbarten ehemaligen Glöcknerhaus durch das Kuratorium steht unmittelbar vor dem Abschluss. Hier ist ein kleines Museum vorgesehen. Eine Gruppe von 15 Schülern und Schülerinnen der Mindener Waldorfschule wird im Juni 2009 während eines einwöchigen Aufenthaltes in Arnau unter Anleitung ihres Lehrers die ersten Arbeiten für die Museumseinrichtung durchführen. Untergebracht werden die Jugendlichen in dem Fort Freiherr vom Stein, das zu dem im 19. Jahrhundert um Königsberg herum entstandenen Festungsring gehört und nur etwa drei Kilometer von Arnau entfernt ist. Heute dient die eindrucksvolle Anlage als Museum und wird von einem historischen Verein betreut. Wer Arnau besucht, sollte sich unbedingt auch das auf dem Wege liegende Fort Stein ansehen (Anmeldung: Fortstein@mail.ru, Information: www.kr.koenig.ru/fortstein). Im Dezember 2008 hat das Kuratorium den Zustand im Inneren der Kirche überprüft, um Erkenntnisse für die weiteren Arbeiten zur Sicherung der Wandgemälde zu gewinnen. Im Inneren haben wir daher zahlreiche Mess-Stellen eingerichtet, die uns Aufschluss über die physikalischen und biochemischen Vorgänge geben. Insbesondere durch den jetzt fortschreitenden Austrocknungsprozess entstehen zerstörerische Salzausblühungen. Die Auswertung der Messergebnisse wird uns eine Grundlage für weitere Restaurierungsmaßnahmen verschaffen. Große Sorgen bereitet uns das Abplatzen von Wandschichten und Besucher könnten sich verleitet fühlen, schnell mal ein kleines Souvenir davon mitzunehmen. Erfreulich ist jedoch, dass wir selbst bei unseren Arbeiten im Dezember 2008 Besucher in der Kirche begrüßen konnten. Auch für das Jahr 2009 liegen bereits zahlreiche Anmeldungen vor: die Katharinenkirche ist wieder zu einem Ort der Ausstrahlung geworden. Ihre Wirkung erstreckt sich jetzt auch auf das Herrenhaus Preußisch Arnau. Die russischen Behörden sind bereit, das Herrenhaus unter Denkmalschutz zu stellen, warten dazu jedoch vorerst auf ein ausführliches Gutachten des Kuratoriums. Dieses ist daher dankbar für Archivalien, Material oder Hinweise zum Komplex Preußisch Arnau. Die Arbeiten an der Kirche werden noch lange Jahre in Anspruch nehmen und viel Kraft erfordern. Jede Form der Hilfe ist daher willkommen und bringt das Projekt weiter. Durch die Wiedererstehung der Kirche wird ein zentrales architektonisches Kulturdokument der Ordenstätigkeit in die Zukunft ragen und den nachfolgenden Generationen ein Zeugnis der in Jahrhunderten erbrachten Leistung geben.
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