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Thierse: Großer Schaden an Versöhnung mit Polen
Berlin
- Das Theater um die Besetzung der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" in
Berlin, hat die sonst immer kräftig mitspielenden Polen zuletzt kaum noch
berührt. Hatte man doch ein beruhigendes
Versprechen des deutschen
Aussenministers Guido Westerwelle (FDP) in der Tasche, dass nur über seine
Leiche die "falsche Vertriebene" Erika Steinbach zu einem Sitz im Stiftungsrat
kommen würde. Nun, wie wir alle wissen, hat sich der Streit inzwischen in
Luft aufgelöst, ein Kompromiss wurde gefunden
mit dem sogar die kritischsten Polen, nach eigenen Angaben, leben können. Wer
mit diesem Kompromiss aber nicht zufrieden ist sind nicht etwa die Opfer, also
die Vertriebenen um die es bei der ganzen Angelegenheit geht, sondern
führende Politiker der SPD und Grünen, die sich
nun mit Vehemenz bemühen, erneut Stimmung östlich der Oder zu machen.
Thierse beschwert sich in Polen
In der ersten Reihe der Kritiker aus SPD und Grünen stehen
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und ausgerechnet der umstrittene grüne
"Menschenrechtler" Volker Beck, der ansonsten eigentlich mehr auf allen Paraden
der Welt auftritt. Die Kritik aus den Reihen der Grünen und der SPD bezüglich
einer Kompromisslösung um Erika Steinbach hatten konservative polnische Medien,
wie erwartet, natürlich nicht überhört. Schon am Wochenende traf sich Thierse
mit Piotr Jendroszczyk, Deutschland-Korrespondent der konservativen polnischen
Tageszeitung "Rzeczpospolita". Dieser wollte natürlich genauer wissen was
tatsächlich hinter der scharfen Kritik Thierses steckt und fragte:" Muss Polen
sich erneut Sorgen machen, nachdem Erika Steinbach nun freiwillig ihren Platz im
Stiftungsrat des Vertriebenenzentrums geräumt hat?"
Rz: "Wird nach dem Kompromiss die Stiftung nun das letzte Wort
in ihrer Bezeichnung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" streichen müssen?"
Thierse: "Die Idee ihrer Gründung war kollektive Erinnerung und
Versöhnung mit unseren östlichen Nachbarn. Es ist mir klar, dass dieser Idee nun
großer Schaden zugefügt wurde."
Rz: "Kann man jetzt die Zusammenarbeit mit Polen und anderen
Ländern bei der Umsetzung der Ziele der Stiftung ausschließen?"
Thierse: "Professor
Thomas Tomasz Szarota trat bereits "angewidert" von der Teilnahme an der
Arbeit des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung zurück. Der Konflikt um das
Entscheidungs-Gremium und Unsicherheiten in Bezug auf die ganze Sache haben ihn
hierzu bewegt. Aus diesem Grund verweigern auch andere polnische Historiker sich
an dieser Veranstaltung zu beteiligen. Dies beweist, dass der Grundgedanke des
Projekts, im Hinblick auf die Versöhnung und ein gemeinsames Gedächtnis,
beeinträchtigt wurde."
Rz: "Wird sich nun keine Formel der Zusammenarbeit mit Nachbar
Deutschland mehr finden lassen?"
Thierse: "Noch ist nicht bekannt, wie die endgültige
Zusammensetzung des Personals aussehen wird und wie sich die anderen Mitglieder
gegen die stärkere Vertretung des Vertriebenen-Verbandes widersetzen können. Wir
kennen die Absichten von Erika Steinbach und es ist klar, dass sie nicht
aufgeben werden."
Rz: "Ist es von daher zu befürchten, dass im
Vertriebenenzentrum nun die Deutschen als erstrangige Opfer von Vertreibungen
und des Weltkrieges dargestellt werden könnten?"
Thierse: "Ja, es gibt diese Befürchtungen. Und deshalb ist es
notwendig vorsichtig kritisch das was schon in der Gründung geschieht zu
beobachten. Bei den Vorstandsmitglieder außerhalb des Bundes der Vertriebenen
liegt nun die große Verantwortung, die Umsetzung der früheren Absichten Erika
Steinbachs zu verhindern. Ich hoffe dass die FDP sowie Oppositionsparteien im
Bundestag dazu beitragen werden."
Rz: "Hat nun der Kompromiss den BdV und seine Präsidentin
erheblich gestärkt?"
Thierse: "Dies ist eine gute Frage an Bundeskanzlerin Angela
Merkel. Als Chefin der CDU hat sie die Gesamtverantwortung für die Situation.
Und sonst niemand. Frau Steinbach ist Mitglied der CDU und ihr Arm im Parlament.
Angela Merkel hätte den ganzen Streit mit einem Wort schon längst abschliessen
können. Papst Benedikt kritisierte sie im Zusammenhang mit den Lefebristen, aber
Frau Steinbach wagt sie nicht zu kritisieren. Eine erstaunliche Haltung. Ihr hat
sie Einrichtungen der CSU/CDU zur Verfügung gestellt, mit der sie politischen
Druck ausüben kann. Die Verantwortung hierfür liegt alleine beim Präsidium der
Christdemokraten."
Rz: "Hat Guido Westerwelle (FDP) nicht taktisch unklug
gehandelt als er sich in Warschau gegen Steinbach aussprach und sich damit den
Vorwurf konservativer Kreise aussetzte, die Interessen Polens zu vertreten?"
Thierse: "Die Einwände gegen Steinbach, die ja auch zuvor die
SPD schon als Koalitionspartner der CDU / CSU geltend gemacht hatte, hatten
schon immer eine Mehrheit im Bundestag und auch bei der Bevölkerung. Ich kann
mir aber nicht vorstellen, dass es nun eine neue Debatte über das gesamte
Projekt geben wird. Alles hängt nun von der FDP ab."
Einladung zur Debatte
Wolfgang Thierse beurteilte, daß die polnische Zurückhaltung bei dem
Besetzungstreit zum Stiftungsrat von richtiger Einstellung geleitet sei. "Polen
hat jedoch das Recht die Aktivitäten der Stiftung zu beobachten. Die Polen
können jederzeit an der deutschen Debatte teilnehmen, die ja auch für sie gilt"
- lautete das Schlusswort des Bundestagsvizepräsidenten Thierse im Interview mit
der "Rzeczpospolita", der zweitwichtigsten polnischen Tageszeitung.
Kommentar:
Polen und Deutsche haben unterschiedliche Auffassungen zu den Vertreibungen der
Deutschen aus ihren Ostgebieten. Während viele Polen diese Akte, die von
schwersten Verbrechen begleitet wurden, als gerechte Folgen des zweiten
Weltkrieges betrachten und dann einen Punkt setzen, halten viele Deutsche die
Vertreibungen für völkerrechtswidrig und klagen ungesühnte Verbrechen und
entschädigungslose Enteignungen weiterhin an. Das gemeinsame Wirken von
Vertretern der "Vertriebenen und Vertreibern" in einem Gremium war somit von
vorneherein schon zum Scheitern verurteilt, denn es mangelt in der
deutsch-polnischen Geschichte an etlichen bedeutenden Wahrheiten, und eine
ehrliche Aufarbeit scheitert regelmäßig an deutschen Linken und polnischen
Rechten.
"Polskaweb" ist der Auffassung, dass diese gemeinsame Geschichte jener schlimmen
Zeit überwiegend auf von den Sowjets diktierten Doktrinen basieren die vielfach
nichts mit der Wahrheit zu tun hatten. Warum Leute wie Thierse und Beck sich
besonders um eine Versöhnung über Unwahrheiten bemühen, sollte doch mal genauer
hinterfragt werden.
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weitere Informationen:
13.02.2010: Stiftungsrat ohne Steinbach
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/themenderwoche/1125080/;
11.02.2010:
BdV Presse-Information:
www.bund-der-vertriebenen.de/presse/index.php3?id=986;
TV-Berichte auf Ostpreußen-TV:
Kompromiss: Mehr Sitze für den BdV im Stiftungsrat/Steinbach verzichtet
www.youtube.com/user/OstpreussenTV#p/a/u/0/ShK9RSTp3e8;
Kompromiss im Stiftungsstreit: BdV stimmt zu (Reuters)
www.youtube.com/user/OstpreussenTV#p/a/u/0/Dd9iwKmph3M;
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