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Vermögensstreit zwischen Kirche und Staat Das Ministerium für Wirtschaftliche Entwicklung Russlands bereitete einen Gesetzesentwurf „Zur Übergabe von Vermögens-Objekten mit religiöser Bedeutung an kirchliche Institutionen“ vor. Dessen Durchsetzung kann viele neue Probleme an Stelle der alten entstehen lassen. Der Gesetzesentwurf hat eine heftige und
emotionsgeladene Polemik herbeigerufen. Sein Ziel ist es, alle Gebäude mit
religiöser Bedeutung aus dem staatlichen und städtischen Besitz an die
entsprechende religiöse Konfessionen abzugeben. Das betrifft auch weiterhin
religiöse Kultobjekte wie z. B. Ikonen, die sich zur Zeit im Besitz von Museen
befinden. Nur sehr berühmte Denkmäler, etwa solche, die in der
Weltkulturerbe-Liste von UNESCO aufgezählt sind, sollen nicht in den Besitz der
Konfessionen kommen, sondern zu einer unentgeltlichen, fristlosen Nutzung zur
Verfügung gestellt werden. Zuerst sieht alles nach einem logischen Schritt zur Wiederherstellung eines einheitlichen des Rechts auf Glaubensfreiheit aus. Es sieht jedoch auch danach aus, dass eine zu geradlinige Herangehensweise der Regierung, die den Gesetzesentwurf ausgearbeitet hat, zu einer scharfen Spaltung der Gesellschaft führt. Die Verfasser des Gesetzesentwurfes haben die Probleme, die das neue Gesetz lösen soll, kaum öffentlich beleuchtet. Doch diese liegen auf der Oberfläche, als im völligen Einklang mit dem allgemeinen Trend der russischen Gesetzesreformen. Erstens strebt der Staat danach, jegliche finanzielle Verantwortung auf die Schultern von Privatpersonen oder öffentlichen Institutionen zu verlegen. Und zweitens wünscht sich der Staat mehr
Budget-Einnahmen. Die neu aus dem Ei geschlüpften konfessionellen Eigentümer
sollen auf eigene Kosten die Instandhaltung und Restaurierung der zugewiesenen
Denkmäler betreiben und zugleich eine ziemlich hohe Besitzsteuer an den Staat
entrichten. Die Position der großen Religionen Russlands ist ziemlich ähnlich und einfach. Sie wollen die Kultobjekte besitzen. Die Haltung der zivilen kulturellen Gemeinschaft
Russlands ist zu einfältig und undifferenziert. Es gibt keine Garantien für die
Erhaltung des nationalen russischen Kulturerbes. Woher sollen die religiösen
Konfessionen Mittel bekommen, um sich selbständig in dieser Richtung zu
betätigen? Oder die Ikonen: werden die Kunstschätze in den Kirchen unter
entsprechenden Museumsbedingungen aufbewahrt? Und überhaupt: wird das Kulturerbe
Russlands nach dem Besitzerwechsel noch zugänglich für russische Bürger und
Gäste sein? Wie wir sehen, gibt es hier keinen Konflikt
zwischen Religion und Atheismus und auch keine Widersprüche in den Sekten. Das
ist nur eine Frage von Besitzverhältnissen, die vom Staat geregelt werden soll.
Der Staat schlägt eine neue Nutzungsverordnung für einen Teil seines Besitzes
vor und ist dazu verpflichtet, einen annehmbaren Kompromiss zwischen der
historischen Gerechtigkeit und der Sorge um die Bewahrung des nationalen
Kulturerbes zu finden. Sogar auf dem Hintergrund von diesen Kollisionen hat sich Kaliningrad durch seine Besonderheit bemerkbar gemacht. Seine russlandweit einzigartige Geschichte hindert diese Stadt daran, sich in den universalen Rahmen einzupassen. Die Verfasser des Gesetzesentwurfes und die Vertreter der Konfessionen haben schon mehrmals öffentlich mitgeteilt, dass es sich bei dem Gesetzesentwurf um keine Restitution handelt. Und dennoch steht in einem Zusatzschreiben, dass es notwendig ist, das Kircheninventar, das von der kommunistischen Regierung konfisziert wurde, an die Kirche zurückzugeben. Doch in der Region Kaliningrad haben alle Bauten
eine religiöse Bedeutung, andere Sach- und Landeseigentümer befinden sich im
staatlichen Besitz unter ganz anderen rechtlichen Voraussetzungen. Was die
russisch-orthodoxe Kirche betrifft, so hatte sie auf diesem Territorium
überhaupt kein Eigentum gehabt. Da fragt man sich, an wen und unter welcher
Begründung sollen die Bauten der protestantischen und katholischen Kirchen
abgegeben werden? Und inwieweit wird diese Übergabe gerecht sein? Auch diese
Frage ist berechtigt. Es muss dabei gesagt werden, dass sich mit dem Fall der
atheistischen Sowjetmacht eine ziemlich loyale Beziehung zwischen Staat und
religiösen Konfessionen ausgebildet hat. Viele ehemals deutsche Kirchen dienen
heute als russisch-orthodoxe Tempel. Diese Umprofilierung verlief leicht und
konfliktlos nach den vorhandenen Gesetzen wie ebenfalls auch die Übergabe von
Kirchengebäuden an protestantische und katholische Gemeinden. Welche Veränderungen bringt das neue Gesetz? In erster Linie gibt es jeder Konfession das Recht, alle regionale Bauten mit religiöser Bedeutung für sich zu beanspruchen. Dazu brauchen sie nur einen Antrag an die entsprechende staatliche Institution einzureichen und ihre Ansprüche zu begründen. Da aber jeder von ihnen nicht Ruinen, sondern Gebäude in gutem Zustand haben will, von denen es allerdings nur sehr wenige gibt, könnte auf dieser rein materiellen Grundlage ein religiöser Konflikt entstehen. Ein weiterer konfliktreicher Punkt sind die Kulturdenkmäler, in deren Wiederaufbau schon etliche private Mittel von Mitgliedern verschiedener Vereine und Gemeinschaften investiert wurden wie beispielsweise von der Gesellschaft „Arnau“. Das ist doch eine ganz logische Frage: wieso kann ein Gebäude, das nur dank seinem Kulturdenkmal-Status mit Hilfe von Spenden, öffentlichen Geldern und Budget-Mitteln restauriert wurde, plötzlich zum Eigentum einer der Konfessionen werden, obwohl diese nicht einmal einen krummen Pfennig für den Aufbau geopfert hat? Und der dritte Stein des Anstoßes sind
bedeutende Kultureinrichtungen, die sich momentan in vielen Bauten mit
religiöser Bedeutung befinden. Nehmen wir nur die Kathedrale als Beispiel. Was
wird mit diesen Einrichtungen geschehen? Nach dem Gesetzesentwurf sollen dafür
andere Räume zur Verfügung gestellt werden. Wer, wann und mit welchen Mitteln
soll das machen? Darüber finden wir im Dokument kein einziges Wort. Ohne auf den sprichwörtlichen Donnerknall zu warten, wurden schon Kompromissverhandlungen auf dem regionalen Niveau geführt. Die Konfessionen unterschreiben z.B. einen offiziellen Verzicht auf ihren Gebäudeanspruch oder schließen unentgeltliche Mietverträge mit den gegenwärtigen Besitzern ab. Doch eine klare rechtliche Basis wird damit nicht geschaffen. Die Regierung des Kaliningrader Gebietes hat das auf sie zukommende Problem früh genug erkannt und hat sofort ihre Korrekturvorschläge an die Gesetzemacher abgeschickt. Begründet sind diese durch die historische Besonderheit des Kaliningrader Gebietes und durch Schicksalsbeispiele von hiesigen Bauten mit religiöser Bedeutung. In diesem Zusammenhang wurde vorgeschlagen, das Königsberger Gebiet als ein besonderes Territorium mit eigenen besonderen Regelungen für die Übergabe von Kircheneigentum einzustufen. Leider wurden diese Vorschläge abgelehnt. Trotzdem hoffen regionale Beamte und die Kulturgemeinschaft immer noch darauf, dass ein Verständnis der besonderen örtlichen Probleme seitens der föderalen Regierung doch noch erreicht werden kann. - Igor KOWALJOW - Foto: Eduard MOLTCHANOW
Kirchen bekommen neue Eigentümer Die russisch-orthodoxe Kirche bekam im Kaliningrader Gebiet weitere 10 Kirchen und andere Bauten, die eine sakrale Bedeutung hatten, in ihr Eigentum überschrieben. Eine entsprechende Regierungsanordnung unterzeichnete Ende September der Ministerpräsident Wladimir Putin. Alle übergebenen Bauten befanden sich im Bundeseigentum. Die Verordnung betrifft folgende Objekte:
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