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Die heidnische Religion
  
von Beate Szillis-Kappelhoff Die Prußen gehörten einer Naturreligion an, die 
deshalb "heidnisch" genannt wurde, weil die Gottesdienste in freier Natur, in 
Wäldern oder auf Heideflächen praktiziert wurden. Diese Religion ist mit dem 
noch heute ausgeübten japanischen Shintoismus zu vergleichen.  In einer Naturreligion wird geglaubt, dass alles 
auf der Welt eine Seele (Wele) hat, selbst die Steine sind manifestierte Seelen 
und wurden deshalb als heilig verehrt. Aus diesem Glauben resultierte ein tiefer 
Respekt gegenüber der Natur und allen Lebewesen, seien sie tierisch oder 
pflanzlich.  Man nahm sich zum eigenen Lebensunterhalt nur 
soviel wie man wirklich brauchte und dankte dem Lebewesen mit einem Ritual, dass 
es für einen das Leben hatte hergeben müssen. Zu bestimmten Jahreszeiten war das 
Töten von Tieren oder das Fällen von Bäumen mit einem Tabu belegt, um die Seelen 
nicht zu verletzen. Man lebte mit der Natur, nicht gegen sie und hatte auf diese 
Weise Jahrtausende lang das ökologische Gleichgewicht gehalten.  "Da sie von unserem Gott nichts wußten, kam es 
dazu, daß sie statt Gott die gesamte geschaffene Welt verehrten: Sonne, Mond, 
Sterne, den Donner, Vögel, ja vierbeinige Tiere wie Kröten. Sie hatten überdies 
heilige Haine, Felder und Gewässer." Die Geister der Toten wohnten auf einem 
Sandhügel, auf dem Bänke und Tische standen, damit man den Toten einen Imbiss 
bringen konnte um ihn mit ihnen zu teilen. Neben der "Wele", einem ätherischen 
Schattenwesen, gab es noch die „Dusin“ (prußisch) bzw. die "Siela" (litauisch). 
Diese Seele verließ die Erde nicht sondern verwandelte sich in Bäume, Blumen, 
Säugetiere oder Vögel. Die Dusin entwich dem Leib eines Toten als Odem, als 
Atemhauch, und nistete sich sogleich in einer Pflanze, einem Tier oder Vogel 
ein. Die Dusin einer Frau entwich gerne in eine Linde oder Fichte, in einen 
Sperling, Kuckuck oder in eine Ente. Die männliche Dusin bevorzugte Eichen, 
Birken oder Eschen, aber auch Falken, Raben oder einen Hahn.  So waren auch Teufel oder gar Hölle der 
heidnischen Religion völlig unbekannt, denn die Wele eines Verstorbenen ging zu 
den Göttern, während seine Dusin in Kontakt mit den Menschen blieb. So durften 
auch Friedhofsbäume nie gefällt oder gestutzt werden, denn tat man diesen 
Pflanzen etwas Böses an, so fügte man auch den Verstorbenen Schmerz zu. Die 
Hügel-Friedhöfe waren auch nicht umzäunt, und man nahm in Kauf, dass wilde Tiere 
die Körper ausgruben. Dagegen fiel es den Prußen später außerordentlich schwer, 
ihre Toten auf umfriedeten Kirchhöfen beizusetzen, weil sie fürchteten, dass 
dort die Seelen unfrei wären.  |