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Berichte vom
Deutschlandtreffen der Ostpreußen
− Ostpreußen bleibt −
Messe Berlin - 10. und 11. Mai 2008
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»Geben Sie Königsberg seinen Namen«
Appell an die neue russische Führung – Sprecher Wilhelm v.
Gottberg auf dem Deutschlandtreffen
von Klaus D. Voss
Niebusch, Kusse, Tulle, Unwillpiche / Plimball,
Schuggere, Wanagruppchen, / Kickwede, Dede, Karzamupchen / Michel, Mauschel,
Dargen, Zwier / sie sind unserer Heimat Zier“ – viele im Saale sprechen den
Kinderreim leise mit. Ostpreußen ist unvergessen. Was man als Kind gelernt hat,
vergißt man nicht, die ostpreußischen Dorfnamen leben weiter. Die Rede des
Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen geht ihrem Ende zu, und gleich werden
6.000 Landsleute Wilhelm v. Gottberg mit heftigem Beifall für seine
entschlossenen Worte danken. Viel mehr Menschen hätten nicht in die Halle 25 auf
der Berliner Messe gepaßt, dem Zentrum des 19. Deutschlandtreffens der
Ostdeutschen mit seinen 15.000 Besuchern an Pfingstsonnabend und Pfingstsonntag.
Zuvor hatte v. Gottberg an den neuen russischen
Präsidenten Medwedjew und Ministerpräsident Putin appelliert, sich dafür
einzusetzen, daß Königsberg seinen alten Namen zurückerhält. Außerdem sollte die
Stadt am Pregel als Sitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE) eine angemessene Aufgabe übernehmen. Der Blick zuvor über die
Jahrhunderte preußischer und ostpreußischer Geschichte hatte die historischen
Höhepunkte berührt, wissenschaftliche und kulturelle Glanzleistungen ins Licht
gerückt. Und als Mahnung aus der Geschichte eine politische Großtat des
preußischen Königs Friedrich Wilhelm I.: Er hatte für die aus Salzburg nach
Preußen geflüchteten Menschen die Entschädigung ihres Eigentums erstritten. Und
heute? Sprecher v. Gottberg beklagte die devote Haltung der Bundesregierung und
hielt fest, daß die Frage der Entschädigungen auf dem Tisch bleibt. Begonnen
hatte die Großkundgebung zum Deutschlandtreffen nach der
Totenehrung und dem
Einzug der Fahnenstaffel mit einer bestens gelaunten Christa Stewens. Die
bayerische Staatsministerin bekannte, sie habe nur einen Moment gezögert, die
Festrede für dieses Ostpreußentreffen zu übernehmen – eine „Frau mit sechs
Kindern und 19 Enkelkindern hätte an diesem Tag vielleicht auch etwas anderes
vorhaben können“. Natürlich, denn der Muttertag fiel dieses Jahr auf Pfingsten.
Pflicht bleibt Pflicht, schließlich ist Bayern seit jetzt genau 30 Jahren
Patenland – und weil sich der Freistaat weiterhin zu Ostpreußen bekennt: „Die
Kulturgeschichte aller Deutschen ist die Klammer unserer Nation“, meinte Christa
Stewens. Und nicht nur, weil Muttertag war: Die Staatsministerin würdigte die
besondere Leistung aller Frauen, die über die Leiden und Strapazen von Flucht
und Vertreibung hinweg bei der oft schwierigen Eingliederung die Familien
zusammengehalten hatten. Alle Gedankengänge auf diesem Ostpreußen-Treffen laufen
auf die Frage zu, wie man in der Welt ein Zeichen setzen kann, daß Vertreibungen
oder ethnische Säuberungen nicht mehr hingenommen werden. Und wie ein „Zentrum
gegen Vertreibungen“ zu einer Stätte der Trauer und Erinnerung aufgebaut werden
soll, im dem „gesagt werden darf, was wahr ist“ (Christa Stewens). Ganz im
Einklang mit den Zuhörern rief die Staatsministerin aus, daß „die nationale
Erinnerungskultur nicht von der Kooperationsbereitschaft der Nachbarn abhängig
gemacht werden kann“. Und: Allein der Umstand, daß in den Nachbarländern noch
verschiedene Deutungen zur jüngsten Geschichte existierten, zeige, wie wichtig
ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ sei.

Für dieses „Zentrum gegen Vertreibungen“ lohnt es
sich zu streiten. Auf der sehr gut besuchten Podiumsdiskussion am Pfingstsamstag
hatten Wilhelm v. Gottberg, Oliver Dix aus dem BdV-Präsidium, Siegfried Pelz,
langjähriger Kreisvertreter für Heiligenbeil, und Hans-Günther Parplies,
langjähriges BdV-Vorstandsmitglied, der BdV-Präsidentin Erika Steinbach allen
Respekt gezollt, wie sie unermüdlich acht Jahre hindurch das Vorhaben betrieben
hatte. Bis schließlich die Bundesregierung im März 2008 zu ihrem Wort stand und
die Errichtung eines „Sichtbaren Zeichens“ beschloß. Einigkeit herrschte auch in
der Runde, daß man sich auch weiterhin energisch gegen die Störversuche der
linken Widersacher Wolfgang Thierse, Markus Meckel oder Gesine Schwan wehren
muß, damit das „Sichtbare Zeichen“ auch zu einem würdevollen Zentrum gegen
Vertreibungen aufgebaut wird. Gestritten werden kann um die Rolle, die der Staat
bei dieser Gedenkstätte übernehmen soll. Auf der einen Seite Siegfried Pelz –
für ihn soll das „Zentrum gegen Vertreibungen“ kein Dokumentationszentrum
werden, sondern allein eine Gedenkstätte für die Opfer von Flucht und
Vertreibung, „und da lassen wir uns vom Staat nicht hineinreden“. Hans-Günther Parplies auf der anderen Seite: Es könne gar nicht genug Gedenkstätten im Land
geben, zum Gedenken an die Opfer. Aber es sei Aufgabe des Staates, das „Zentrum
gegen Vertreibungen“ als das Gedächtnis der Nation aufzubauen, denn sonst drohe,
daß wir „die Erinnerung an die Vergangenheit verlieren“. Die nächste Generation
müsse das Schicksal der Nation begreifen können. Die damals veranschlagten
Kosten, heute in Euro 80 Millionen, müsse der Staat mittragen. Und das Zentrum
solle auch durch einen Konsens der großen Parteien gesichert werden, damit die
Entscheidung für das „Sichtbare Zeichen“ nicht bei einem Regierungswechsel
umgestoßen werden könne. Wilhelm v. Gottberg forderte zur Wachsamkeit auf, wie
das „Zentrum gegen Vertreibungen“ inhaltlich gestaltet werde. Die ersten
Überlegungen zum historischen Kontext seien beunruhigend, denn: „Was haben die
in aller Welt bekannten Schandtaten der Nazis mit einer Gedenkstätte gegen
Vertreibung zu tun?“ Natürlich müsse BdV-Präsidentin Erika Steinbach in den
Gremien des Zentrum mitwirken, darüber hinaus müßten aber auch die
Landsmannschaften berücksichtigt werden. Auch Oliver Dix setzt sich dafür ein,
daß neben Erika Steinbach eine angemessene Anzahl von weiteren Repräsentanten
der Vertriebenen in die Entscheidungen eingebunden wird. Denn die deutschen
Opfer von Flucht und Vertreibung hätten ein Anrecht auf eine würdevolle
Darstellung der eigenen Geschichte, die „alle Zusammenhänge seit dem 19.
Jahrhundert“ umfassen müsse.
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