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Friedrich der Große hasste und vertraute ihm „Seit Grumbkows Tode hat sich alles in Berlin gewandelt; sein Hingang hat bei uns den öffentlichen und den häuslichen Frieden hergestellt. Dank dem Himmel, ich stehe jetzt mit dem Könige so gut wie nur möglich.“ So schreibt Friedrich im Jahr 1739 an seine Schwester Wilhelmine, drei Monate nach dem Dahinscheiden eines der engsten Vertrauten seines Vaters, des alten Ministers Friedrich Wilhelm v. Grumbkow. Die Friedrich-Literatur kennt den am 4. Oktober 1678 in Berlin geborenen Grumbkow als Günstling Friedrich Wilhelms I., galant und von schlechtem Charakter. Tatsächlich gehörte er für den Kronprinzen zum festen Personal seiner dunkelsten Stunden. Grumbkow war Zeuge der Misshandlungen im Tabakskollegium, war einer der Hauptakteure im Intrigenspiel um die preußisch-englische Doppelhochzeit und Leiter jener Kommission, die 1730 den verunglückten Fluchtversuch zu untersuchen hatte. Und ausgerechnet mit diesem Mann, dem chamäleonhaften Diplomaten und Vizepräsidenten des allmächtigen Generaldirektoriums, nahm Friedrich 1731 eine umfangreiche Korrespondenz auf. Knapp 130 Briefe sind erhalten, und gerade hier finden sich viele der prägnantesten Selbsteinschätzungen des zukünftigen Königs. Noch im Herbst 1730 hatte Grumbkow angedeutet, beim König einiges erreichen zu können, wenn Friedrich seinem Vater nur etwas entgegenkäme. An Hans Hermann von Kattes Schicksal hatte auch das nichts mehr ändern können. Friedrich hoffte aber, mit Grumbkow als „Sekundanten“ die Zwangsverlobung mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern im letzten Moment noch abwenden zu können. Wenigstens ein paar Alternativen wollte er ins Spiel bringen, zumal die Beschreibungen der Prinzessin, die ihn erreichten, ein denkbar unvorteilhaftes Bild zeichneten. Ohne das arme Mädchen überhaupt zu kennen, bezeichnete er die Prinzessin mal als „corpus delicti“, mal ganz schlicht als „hässliche Kreatur“. Friedrich sträubte sich mit allen Mitteln. Er drohte, sie bei der nächsten Gelegenheit zu verstoßen und sich auch sonst schlecht zu benehmen. Auf dem Höhepunkt seiner Verzweiflung kündigte er Grumbkow schließlich an, seinem Leid notfalls mit einer Pistolenkugel ein Ende zu setzen. Der Minister, der sich ohnehin schon auf gefährlichem Terrain bewegte, war außer sich vor Empörung und nahm dabei ausnahmsweise kein Blatt vor den Mund. Dem erschrockenen jungen Prinzen wurde endlich klar, dass die Zeit der Ausflüchte nun vorbei war. Sechs Tage später gab er seinem Vater die Zustimmung zur Verlobung. Überraschenderweise hatte dieser Eklat kaum Auswirkungen auf den Briefwechsel. Friedrich brauchte Grumbkows Verbindungen, sei es, um Freunden zu helfen, Schulden zu tilgen oder die Verbreitung gewisser Gerüchte über ihn zu verhindern. Beide, Friedrich wie auch der Minister, gingen dabei ein hohes Risiko ein, zumal der eigenwillige Kronprinz sich mit der bevorstehenden Eheschließung immer noch nicht abgefunden hatte. Er ließ keinen Zweifel daran, dass seine Zuneigungsbekundungen an Elisabeth Christine reines Theater waren. Natürlich war so viel schonungslose Offenheit kein Selbstzweck. Indem der Prinz den General Grumbkow als seinen „censeur“ betitelte, der es mit leichter Hand versteht, „uns von unserm Unrecht und unsern Verkehrtheiten zu überzeugen“, stellte er ihm eine persönliche Beziehung in Aussicht, die der eines Lehrmeisters zu seinem Schüler entsprach. Das brachte allerdings den Minister in eine zunehmend komplizierte Lage. Er war jetzt nicht nur der Vertraute des Königs, sondern auch noch der des Kronprinzen. Dazu kam, dass er als Lobbyist einer an Österreich orientierten Außenpolitik auch gegenüber Wien in der Pflicht stand. Wie eng seine Verbindungen zum habsburgischen Hof tatsächlich waren, dürfte zu dieser Zeit weder dem König noch dem jungen Friedrich ganz klar gewesen sein. Aber spätestens seit dem Fluchtversuch waren die Seelenzustände des preußischen Thronfolgers eben keine Privatsache mehr, sondern ein europäisches Politikum. Grumbkows wichtigste Mission war es, Friedrichs Blick von den Einschränkungen der Gegenwart auf die Möglichkeiten in der Zukunft zu lenken – und ihn dabei sanft auf einen kaiserfreundlichen Kurs zu lotsen. Er ahnte nicht, wie gründlich ihm das misslingen würde. Erst zwei Jahre nach der erzwungenen Hochzeit mit Elisabeth Christine kommt die Korrespondenz mit Grumbkow wieder in Fahrt. Der stets bestens informierte Minister hatte heimlich damit begonnen, seinen Prinzen nicht nur mit französischen Neuerscheinungen für die Privatbibliothek zu versorgen, sondern auch mit größeren Mengen diplomatischer Akten und aktuellen Korrespondenzen. Es entspann sich ein lebhafter und andauernder Austausch über die Bedingungen und Möglichkeiten der Diplomatie, über die Machtverschiebungen in Europa und über Preußens Position in diesem Gefüge. Sogar die Leistungen des Vaters erschienen dem Sohn jetzt in einem helleren Licht. Intensiv beschäftigte er sich in diesen Jahren mit der philosophischen Frage nach den Grundsätzen politischen Handelns. Anfang 1738 werden die Briefe zwischen Friedrich und Grumbkow plötzlich seltener, im Sommer reißt die Korrespondenz ganz ab. Friedrich hatte sich verändert. Er war nun bereit, wie ein König zu handeln. Und der Vater, erleichtert über die Wandlung seines Sohnes, erkannte in ihm schließlich doch noch den Mann, der sein Werk fortsetzen würde, wenn nötig, auch mit militärischem Nachdruck. Außen- und innenpolitisch behielt Grumbkow noch alle diplomatischen Fäden in der Hand. Aber der Kronprinz brauchte ihn nicht mehr. Für Friedrich repräsentierte Grumbkow eine politische Praxis, die er von ganzem Herzen ablehnte. Er empfand sie als amoralisch, als eines souveränen Herrschers ganz und gar unwürdig. Tatsächlich nahm in dieser Zeit die Idee zu seinem berühmten „Antimacchiavel“ schon feste Gestalt an. Friedrich wollte keine geheimen Koalitionen mehr, keine Hintertürchen und keine bestochenen Kammerdiener. Friedrich wollte nur noch klare Fronten – und Ruhm. Von Kindesbeinen an hat Friedrich Wilhelm v. Grumbkow dem Haus Hohenzollern gedient, und bis zuletzt genoss er das Vertrauen seines Königs, der ihm ein Staatsbegräbnis erster Klasse spendierte, mit Glockengeläut, Salut und Militärparade. Kronprinz Friedrich schrieb an seine Schwester. Er konnte sich sein bissiges Resümee einfach nicht verkneifen:
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