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EKLAT: Kritik an Aktion gegen Steinbach Vortrag der Vertriebenen-Chefin an Potsdamer Uni verhindert CDU und SPD distanzieren sich POTSDAM - Nach einem verhinderten Vortrag der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen und CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach an der Potsdamer Universität hat Hochschulministerin Johanna Wanka (CDU) die Studenten kritisiert. „Ich habe für die handgreiflichen Ausschreitungen kein Verständnis“, sagte Wanka gestern. „Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt für alle gleichermaßen.“ Am Dienstagabend hatten rund 100 Studenten und Mitglieder von Antifa-Gruppen eine Veranstaltung blockiert, auf der Steinbach sprechen sollte. Die Polizei löste die Sitzblockade auf. Veranstaltungsteilnehmer wurden mit wassergefüllten Luftballons beworfen. Die Linke stellte sich hinter den Protest. „Eine Universität ist ein Ort wissenschaftlicher Diskussion, aber kein Ort von revisionistischen Positionen“, erklärte der hochschulpolitische Sprecher der Fraktion, Peer Jürgens. Die Auflösung der Blockade von der Polizei sei ungewöhnlich hart gewesen. „Dabei haben leider auch Professoren der Universität Potsdam eine negative Rolle gespielt. So hat der Vorsitzende des MenschenRechts-Zentrums der Uni, Professor Eckard Klein, die Polizisten angefeuert, eine andere Lehrkraft ist sogar selbst handgreiflich geworden.“ Eckhard Klein wies die Vorwürfe zurück. Es sei „völlig abwegig“, dass er zu Handgreiflichkeiten aufgerufen habe, sagte der Staatsrechtler der MAZ. Klein erklärte, nach seiner Beobachtung hätten sich nur wenige Studenten an den Protesten beteiligt. „Das waren zum großen Teil Leute aus der linken Anarcho-Szene.“ Auch der Historiker Manfred Görtemaker sagte, er habe kaum Studenten wahrgenommen. „Ich vermute, dass das von einem Bündnis aus Asta und Antifa-Gruppen geplant wurde“, sagte er. Die Universitätsleitung wies die Verantwortung für die Eskalation zurück. „Man hat ja nicht ahnen können, dass es zu einem Boykott kommen wird“, sagte Sprecherin Janny Armbruster. Vorläufig werde die Vortragsreihe „Siedlungsgeschichte der Deutschen in Ostmitteleuropa“ mit Frau Steinbach ausgesetzt. Die Hochschulleitung wolle jetzt Gespräche mit Studenten und dem Veranstalter der Reihe, dem Historischen Institut, führen. Professor Klein dazu gegenüber der MAZ: „Ich würde es gut finden, wenn wir Frau Steinbach noch einmal nach Potsdam einladen würden.“ CDU und SPD im Landtag äußerten sich kritisch. CDU-Fraktionsvize Wieland Niekisch, der am Dienstagabend vor Ort war, sagte gestern gegenüber der MAZ: „Das war für mich eine sehr bedrückende Situation. Mit Demokratie hatte das nichts zu tun.“ SPD-Kollegin Klara Geywitz sagte, man müsse die Positionen von Frau Steinbach nicht teilen, aber zur Demokratie gehöre der Austausch von Meinungen. „Das sollte für junge Menschen, die einen Hochschulabschluss anstreben, eigentlich selbstverständlich sein.“ Erika Steinbach zeigte sich bereits am Dienstagabend enttäuscht. „So etwas ist mir noch nie passiert“, sagte sie. „Demokratie heißt, Meinungen auszutauschen.“ Gestern wollte Steinbach sich nicht noch einmal äußern. Der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (Asta) verteidigte dagegen sein Vorgehen und warf Frau Steinbach Geschichtsfälschung und Revisionismus vor. Schon vor der Veranstaltung hatte der Asta daran erinnert, dass Steinbach 1990 im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gestimmt habe. „Frau Steinbach hat an der Universität nichts zu suchen“ sagte Asta-Öffentlichkeitsreferent Tamás Blénessy der MAZ. Auf die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, die CDU-Politikerin erst anzuhören und dann mit ihr zu diskutieren, sagte Blénessy: „Was soll ich mit der Frau diskutieren? Ich kenne doch ihre Meinung.“ (Von Henry Lohmar und Rüdiger Braun) Henry Lohmar über die verhinderte Steinbach-Rede an der Universität PotsdamMeinungspolizistenDu bist anderer Meinung als ich, und ich werde dein Recht dazu bis in den Tod verteidigen.“ Das flammende Bekenntnis Voltaires zur Meinungsfreiheit ist fast 300 Jahre alt, aber es hat nichts an Aktualität eingebüßt. Vielleicht hätten die Studenten, die verhindert haben, dass Erika Steinbach an der Potsdamer Universität spricht, mal bei dem französischen Philosophen nachschlagen sollen, bevor sie das Audimax blockierten. Dann wären sie womöglich auf die Idee gekommen, dass es klüger gewesen wäre, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen und CDU-Bundestagsabgeordnete erst mal zu Wort kommen zu lassen. So aber wurden eine völlig legitime Veranstaltung der Historischen Fakultät gesprengt und die eingeladene Referentin verunglimpft – das ist peinlich für die Uni und ein Armutszeugnis für die Studentenvertretung Asta. Man muss nicht alles, was die Chefin der Vertriebenenorganisation sagt, gutheißen. Aber was, bitteschön, ist gegen einen Vortrag zur Siedlungsgeschichte der Deutschen in Ostmitteleuropa zu sagen? Wer das von vornherein als „Geschichtsrevisionismus“ verunglimpft, dem sind längst die Argumente ausgegangen. Dass sich die Linkspartei dem Protest anschließt, wirft kein gutes Licht auf ihr Demokratieverständnis.
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