Durch die Volksgruppe zieht sich ein Riss: Hauptkundgebung beim 68. Sudetendeutschen Tag in Augsburg
Durch die Volksgruppe zieht sich ein Riss: Hauptkundgebung beim 68. Sudetendeutschen Tag in Augsburg

Kein Kompromiss in Sicht
Sudetendeutsche Landsmannschaft will neue Satzung verabschieden – Es ist schon der dritte Anlauf
Von Gernot Facius

Die Sudetendeutschen sehen der Entscheidung mit Spannung entgegen: Am letzten August-Wochenende will die Bundesversammlung ihrer Landsmannschaft zum dritten Mal in Folge versuchen, die Satzung der Organisation neu zu formulieren.

Am 29. Juni hatte das Landgericht München I alle Beschlüsse und Wahlen vom 27./28. Februar 2016 aufgehoben. An jenem Wochenende war auf Drängen der „Reformer“ um Bernd Posselt (CSU) der Vereinszweck – „Wiedergewinnung der Heimat“ und Restitution beziehungsweise gleichwertige Entschädigung – gestrichen worden. Gegen diesen Beschluss klagte Ingolf Gottstein, ein Mitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft aus Mönchengladbach, unterstützt von Freunden aus dem national-konservativen Witikobund, mit Erfolg. Das Gericht argumentierte, die Beschlüsse seien allesamt nichtig, „da sie nicht in einer ordnungsgemäß einberufenen Mitgliederversammlung erfolgt sind“.

Zum Hintergrund: Der inzwischen verstorbene Versammlungsleiter Edmund Liepold hatte als ältestes Mitglied der Bundesversammlung wegen offensichtlicher verfahrensrechtlicher Mängel bei der Einberufung die Sitzung gar nicht erst eröffnet. Er wünschte den Delegierten nach kurzer Begrüßung eine gute Heimreise und verließ den Saal. Die Versammlung wurde daraufhin durch das zweitälteste Mitglied, Herbert Fechtner, eröffnet. In deren Verlauf kam es zu den umstrittenen Entscheidungen. In seinem Urteil, gegen das die Landsmannschafts-Spitze Berufung beim Oberlandesgericht München eingelegt hat, findet sich auch der brisante Hinweis, dass die Wahl des Sprechers der Sudetendeutschen Volksgruppe vom 27. Februar 2016 „nichtig und Bernd Posselt nicht Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe ist“.

Folgt man dieser Auslegung, dann hat die Landsmannschaft derzeit keinen Sprecher. Ihr Bundesvorstand sieht das allerdings anders und will „im Rahmen einer weiteren Bundesversammlung die 2016 in München und 2017 in Wiesbaden gefassten Beschlüsse unter abermals sorgfältigster Prüfung der satzungs- und vereinsrechtlichen Anforderungen erneut zur Abstimmung zu stellen“. In der aktuellen Auseinandersetzung spielt auch die Frage eine Rolle, inwieweit der Klägeranwalt, der Münchner Jurist Heinz Veauthier, auf die Verhaltensweisen von Edmund Liepold Einfluss genommen hat und ob dies eventuell als „Fremdbestimmung“ zu werten ist.

Die vom Landgericht München I unterstellte Unbefangenheit des Alterspräsidenten Liepold stehe, so die Landsmannschafts-Spitze in „höchstem Zweifel“, wie die „Sudetendeutsche Zeitung“ schreibt. Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils vom 29. Juni 2017 hatte sie eine „Klarstellung“ veröffentlicht. Sie beschränkte sich damals auf den Hinweis, dass diese juristische Entscheidung noch nicht rechtskräftig sei und daher „bislang keinerlei juristische Konsequenzen“ habe. Es müssten sich erst die Juristen damit befassen.

Das ist nun geschehen. Während des Sudetendeutschen Tages 2017 in Augsburg hatte Posselt durchblicken lassen, dass er gewillt sei, an dem „Reformkurs“ festzuhalten, „auch wenn wir in der Bundesversammlung zehnmal abstimmen“. Manches deutet nach Meinung seiner Kritiker darauf hin, dass er bereits vor dem Sudetendeutschen Tag den Tenor der Gerichtsentscheidung kannte, er sein Wissen aber für sich behielt, um den groß gefeierten Auftritt des tschechischen Vizepremiers Pavel Belobradek während der Hauptkundgebung am Pfingstsonntag nicht zu gefährden. Für den christlich-demokratischen Politiker aus dem Nachbarland war die Satzungsänderung Voraussetzung für seine Präsenz in Augsburg.

Am 28. Februar 2015 hatte die Bundesversammlung der Landsmannschaft erstmals versucht, deren Satzung zu „reformieren“, wie Posselt es formulierte. Das zuständige Registergericht in München stoppte jedoch die „Reform“. Begründung: Da es sich um eine Zweckänderung handele, hätten erst die Mitglieder gefragt werden müssen – was nicht geschehen ist. Das Gericht folgte im Wesentlichen der Argumentationslinie des Rechtsanwalts Veauthier, der bei seiner Prüfung des Vorganges zu dem Ergebnis gekommen war: „Dieser Beschluss (vom 28. Februar 2015) ist nichtig. Er ist nicht satzungskonform zustande gekommen, denn die Bundesversammlung besitzt keine Legitimation, den Vereinszweck abzuändern oder aufzuheben. Der Beschluss ist auch rechtswidrig, denn für eine Zweckänderung ist die Zustimmung aller Mitglieder des Vereins erforderlich (§ 33, Abs. 1 S.2 Bürgerliches Gesetzbuch). Die einstimmige Zustimmung fehlt.“

Das Amtsgericht München hat die Nichtigkeit der Satzungsänderung am 19. Mai 2015 bestätigt. Gleichwohl hatte der „Schirmherr“ der Sudetendeutschen, Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), bereits am 18. Februar 2015 in einem Interview der – inzwischen eingestellten – „Prager Zeitung“ den „historisch zu nennenden Verzicht der Sudetendeutschen auf Restitution oder Entschädigung“ als vorbildlich herausgestellt. Seit mehr als zwei Jahren zieht sich also ein Riss durch die Volksgruppe. Ob und wann er gekittet werden kann, wird vom Ausgang der bevorstehenden Bundesversammlung abhängen. Ein tragfähiger Kompromiss beginnt sich derzeit nicht abzuzeichnen.´
 

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt Ausgabe 33 / 18.08.2017