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Was bringt Duda den Deutschen? Bislang gilt die Amtszeit von Premierminister Jaroslaw Kaczynski von 2005 bis 2007 als Tiefpunkt der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen in der jüngeren Geschichte. Der Sieg von Kaczynskis politischem Ziehsohn Andrzej Duda von der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hat nun Befürchtungen vor einer neuen politischen Eiszeit in den deutsch-polnischen Beziehungen aufkommen lassen. Noch sind es nur Vermutungen, in welche Richtungen sich Polens neuer Präsident Duda außenpolitisch hin entwickelt, wenn er im September sein Amt antritt. Anders als der Bundespräsident in Deutschland ist der polnische Präsident mehr als eine bloße Repräsentationsfigur. Mit eigenen Gesetzesinitiativen und einem Vetorecht bei Gesetzen kann der Präsident in die Tagespolitik eingreifen. Selbst wenn es der PiS nicht gelingen sollte, im kommenden Herbst auch noch die Parlamentswahlen zu gewinnen, könnte die Wahl Dudas deshalb für Deutschland folgenreich werden. Im Wahlkampf hatte sich Duda weitgehend auf sozialpolitische Themen konzentriert. Erkennbar war immerhin, dass Duda ein EU-Skeptiker ist. So hatte er in einem Interview mit der „Financial Times“ ganz offen gesagt, die Europäische Union sei zwar eine gute Sache, mit zusätzlichen Kompetenzen für Brüssel müsse nun aber Schluss sein. Die Distanz zu Brüssel ist so offensichtlich, dass die britische „Times“ bereits spekuliert, London habe nun in Polen einen Verbündeten in seiner Auseinandersetzung mit der EU gefunden. Weitgehend identisch sind die Positionen von Dudas Partei und der aktuell regierenden „Bürgerplattform“ (PO) in der Russlandpolitik. Parteiübergreifend gilt, was der EU-Ratspräsident Donald Tusk bereits im vergangenen Jahr geäußert hat: Polen stehe in der Auseinandersetzung mit Moskau „immer einen Schritt vor der EU und einen halben vor den USA“. Wirkliche Rätsel gibt bislang die Deutschlandpolitik auf, die der neue Staatspräsident verfolgen wird. Dudas politischem Mentor, Jaroslaw Kaczynski, eilt in Polen der Ruf eines regelrechten Deutschland-Hassers voraus. Auch wird aus den Reihen der PiS der regierenden „Bürgerplattform“ regelmäßig vorgeworfen, Warschau habe sich deutschen Interessen unterworfen. Welche Strategie die PiS verfolgen könnte, wenn es ihr gelingt, im Herbst auch noch den Ministerpräsidenten zu stellen, macht ein Artikel deutlich, der bereits im Mai in der „Gazeta Wyborcza“ erschienen ist. Bei dem Autor handelte es sich um Ludwik Dorn, der unter Jaroslaw Kaczynski Vize-Premier war. Zwar hat sich Dorn mit Kaczynski zerstritten, doch gilt der Mitbegründer der PiS im nationalkonservativen Lager bis heute als einflussreiche Größe. Vor diesem Hintergrund ist Dorns Entwurf einer außenpolitischen Strategie für Polen durchaus ernst zu nehmen. Demzufolge soll sich Polen in der Nato um die offizielle Aufkündigung der Nato-Russland-Akte von 1997 bemühen. Faktisch würde der Schritt den Weg für die Stationierung größerer US-Kampfverbände auch östlich von Deutschland freimachen. Abgerundet werden soll der Aufbau von US-Stützpunkten in Polen nach Ansicht von Dorn durch ein polnisches Mitspracherecht für den Einsatz taktischer Atomwaffen der USA. Aus deutscher Sicht alarmierend ist der Grundgedanke hinter der gesamten Strategie: Polen solle nicht länger Pufferstaat der Nato sein, sondern Frontstaat werden. Aus Sicht Dorns stellt Deutschland wegen seiner „Russland-Lobby“ bei diesem Vorhaben für Polen einen unsicherer Bündnispartner dar. Polen müsse daher mit der Drohung „diskreter Sabotage“ in der EU dafür sorgen, dass Deutschland unter Druck gesetzt werde. Ernst genommen werden solche Überlegungen nicht nur wegen der Bedeutung, die Dorn im nationalkonservativen Lager hat. Die Gedankenspiele von einem Polen, das gegenüber Deutschland und Russland gleichermaßen auftrumpft und Großmacht spielt, ähneln verblüffende dem, was von einflussreichen geopolitischen Vordenkern in Washington zu hören ist. So prognostiziert die Denkfabrik Stratfor, dass die USA Polen zu einer führenden Macht in Europa aufbauen würden. Zusammen mit Rumänien soll das Land in Europa vor allem als Anführer einer Anti-Russland-Koalition reüssieren. Sollten derartige Pläne tatsächlich umgesetzt werden, würde dies für Deutschlands bisherige Außen- und Europapolitik ein Fiasko bedeuten. Wie von Dorn richtig erkannt, besteht für Warschau nämlich durchaus die Möglichkeit, innerhalb der EU gegen Deutschland Sabotage zu betreiben, um notfalls polnische Vorstellungen durchzusetzen. Den Grundstein für eine derartige Strategie hätte
Berlin selbst gelegt: Wie kein anderes Land hat sich Deutschland für einen
EU-Beitritt Polens stark gemacht. Mehr noch. Blickt man auf die
Nettoeinzahlungen Deutschlands in den EU-Haushalt, dann entsprechen die
Milliardenbeträge fast genau dem, was Polen an Transfers von der Europäischen
Union erhält. Vier Forderungen an Deutschland Die Zeichen mehren sich, dass im Verhältnis zwischen Polen und Deutschland eine neue politische Eiszeit bevorsteht. Sehr offen hat Krzysztof Szczerski, der designierte außenpolitische Chefberater des polnischen Präsidenten ab dem 6. August, Andrzej Duda, weitreichend Forderungen an Berlin formuliert. Diese sollen laut Warschau erfüllt werden, damit das Verhältnis zwischen beiden Ländern weiterhin gut bleibt. Ganz konkret hat Krzysztof Szczerski in einem Beitrag für die Zeitung „Rzeczpospolita“ gefordert, dass die deutsche Regierung ihren Widerstand gegen die Einrichtung ständiger Nato-Stützpunkte in Osteuropa aufgubt. Mit dabei sein will Warschau ferner beim sogenannten Normandieformat, in dessen Rahmen bisher Russland, die Ukraine, Frankreich und Deutschland über eine Friedensregelung für den Konfliktherd Ukraine verhandeln. Einem Tabubruch in der bisher von der Bundesregierung verfolgten Klimapolitik kommt die Forderung gleich, Berlin solle von seiner bisherigen Haltung so weit abrücken, dass Polen erst einmal an seiner Kohleverstromung festhalten könne. Sprengstoff für die deutsche Innenpolitik stellt die vierte Forderung dar: Die in Deutschland lebenden Polen sollen rechtlich den Status einer nationalen Minderheit erhalten. Sollte die Bundesregierung darauf eingehen, ist eine der Folgewirkungen bereits zu erahnen. Dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, der schon seit Jahren Minderheitenrechte für die Deutschtürken fordert, würde eine Steilvorlage geliefert, um Gleichbehandlung zu verlangen. Berlin ist gut beraten, die Gedanken Szczerskis sehr ernst zu nehmen, denn gemäß der polnischen Verfassung hat der Präsident die Kompetenz, die Außenpolitik mitzugestalten. Endgültig durchsetzen könnte sich der konfrontative Politikstil gegenüber Deutschland, wenn es der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) gelänge, bei den Parlamentswahlen im Herbst auch noch in die Regierungsverantwortung gewählt zu werden. Die Chancen dafür stehen günstig, denn der polarisierende PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski hat unlängst darauf verzichtet, selbst als Spitzenkandidat anzutreten. Ins Rennen gehen soll dafür die moderater wirkende Beata Szydlo. Auf eine Belastungsprobe könnten die Beziehungen zwischen Berlin und Warschau indessen schon lange vor den Parlamentswahlen und einem möglichen Regierungswechsel gestellt werden. So hat der österreichische Nationalratsabgeordnete Peter Pilz (Grüne) bei einem Besuch in Warschau vor Kurzem darauf aufmerksam gemacht, dass nach seinen Erkenntnissen ein Großteil der Auslandstelefonate der Polen vom Bundesnachrichtendienst (BND) abgehört worden sei. Als Beleg präsentierte Pilz eine vom US-Geheimdienst NSA erstellte „Prioritätenliste“ aus dem Jahr 2005, die Rückschluss auf die Kooperation der US-Amerikaner mit dem bundesdeutschen Auslandsgeheimdienst geben soll. Demnach ist Polen „das Land, das nach den Niederlanden und Frankreich am drittstärksten betroffen war“, so Pilz nach einer Pressekonferenz im Parlament in Warschau. Der Liste zufolge hat der BND im Auftrag der NSA 28 Transitleitungen, die vom wichtigen europäischen Telekommunikationsknoten Frankfurt am Main nach Polen führten, abgehört. Warum gerade Polen so massiv von der Überwachung durch den bundesdeutschen Geheimdienst betroffen war, konnte Pilz nicht sagen: „Das werden die Deutschen beantworten müssen“, so der Sicherheitssprecher der österreichischen Grünen. Die unabhängige Sejm-Abgeordnete Anna Grodzka hat inzwischen angekündigt, Strafanzeige wegen der Spionageaktivitäten zu erstatten, wenn die polnische Regierung in der Angelegenheit nicht aktiv werde. Abzuwarten bleibt, wie sich die Enthüllungen auf
das Verhältnis Polens zu den USA auswirken werden. Die politische Klasse Polens,
die sich lagerübergreifend gern als bester Verbündeter der USA auf dem
europäischen Kontinent sieht, scheint zumindest irritiert. Die Parlamentarier in
Warschau seien ziemlich „überrascht gewesen, dass ihre amerikanischen Freunde
mit ihrer deutschen Filiale Polen dermaßen massiv überwacht“ hätten, so Pilz.
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