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„Vertrieben, aber nicht vergessen –
Erinnerung lebendig halten“
Die CDU braucht die Vertriebenen
zur Erhaltung der Macht zwischen Maas und Weser
Das Thema zieht. Am 1. Februar 2010, rund drei
Monate vor den anstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, lud die
CDU-Landtagsfraktion in Düsseldorf BdV-Präsidentin Erika Steinbach ins
Kongresszentrum „Rheinterrasse“ ein. Eigentlich war der Plenarsaal des Landtages
als Veranstaltungsort angedacht gewesen, doch die rund tausend Anmeldungen
hatten die Organisatoren dazu bewegt, größere Räumlichkeiten aufzusuchen.
Horst Westkämper MdL, Beauftragter der
CDU-Landtagsfraktion NRW für Vertriebene und Spätaussiedler, konnte unter
anderem die Rettung des Westpreußischen Landesmuseums durch Landesmittel
ankündigen. Der letzte Lehrstuhl, den es im bevölkerungsreichsten Bundesland für
die Geschichte der Deutschen im östlichen Europa gegeben hatte und der vonseiten
der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität geschlossen worden war, werde
zurzeit provisorisch vom Leiter der Stiftung „Gerhart-Hauptmann-Haus“, Dr.
Winfrid Halder, weitergeführt. Außerdem werde die Gedenkstätte des Deutschen
Ostens auf Schloss Burg renoviert. Es seien in der auslaufenden, 5jährigen
Legislaturperiode insgesamt 1,5 Millionen Euro für konkrete Kulturprojekte an
die einzelnen Landsmannschaften des BdV ausgezahlt worden, so der CDU-Politiker.
Aus einer offiziellen Antwort der Landesregierung vom 04.01.2010 auf eine
entsprechende „Kleine Anfrage“ der Abgeordneten Ursula Asch (Grüne) geht
allerdings hervor, dass die angeführten Gelder für die kulturelle Breitenarbeit
nach § 96 BVFG insgesamt verwendet wurden und nicht nur den Gruppen und
Verbänden des BdV zugute kamen. In Hinblick auf die finanzielle Austrocknung der
Vertriebenenarbeit durch die rot-grüne Vorgängerregierung unterstrich Westkämper:
„Knappe Kassen dürfen keine Ausreden sein für Kürzungen aus ideologischen
Gründen bei Aufgaben von nationaler Bedeutung.“ Ob dem Stellenwert der Kultur
der gesamten Vertreibungsgebiete mit einer Summe von rund 300 000 € jährlich
tatsächlich angemessen entsprochen wird, kann derweil stark bezweifelt werden.
Tatsache bleibt jedoch auch, dass die Union ihre Wahlversprechen gegenüber den
Vertriebenen im Wesentlichen eingehalten hat.
Diesen positiven Aspekt stellte auch Erika
Steinbach prägnant an den Beginn ihrer Ausführungen. Als besonders wichtig hob
sie die noch immer in Planung befindliche Lehrerhandreichung zum Thema „Flucht
und Vertreibung“ für die Schulen in Nordrhein-Westfalen hervor. Die
CDU-Bundestagsabgeordnete regte an, dass sich NRW dem Kreis der Patenländer der
Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ anschließen solle. Diese sei die
treibende Kraft hinter der fruchtbaren Debatte der letzten Jahre gewesen. Die
Eskalation lastete sie den Sozialdemokraten an, die verantwortungslos in Polen
Ängste geschürt hätten. Deutlichen Unmut ließen die Teilnehmer der Veranstaltung
verlauten, als die BdV-Präsidentin ausführte, dass die FDP zunächst positive
Signale ausgesandt habe, jedoch Außenminister Westerwelle einen Richtungswechsel
eingeleitet habe. Podiumsgast Dr. Joachim Sobotta drückte sein Unverständnis
darüber aus, dass Steinbach nicht mehr Unterstützung von namhaften Ministern
ihrer eigenen Partei und vor allem der Kanzlerin erhalte. Massive Kritik an der
mangelnden öffentlichen Solidarität durch die CDU-Führung einschließlich der
Regierungschefin wurde auch im Rahmen der Befragung der Zuhörer geäußert. Zwar
wies Steinbach auf die Tatsache hin, dass es die Bundesstiftung „Flucht,
Vertreibung, Versöhnung“, die den Sozialdemokraten abgerungen worden sei, ohne
den Willen der Unionsfraktion überhaupt nicht gebe. Ob jedoch dieser Sachverhalt
alleine für die meisten Zuhörer eine befriedigende Erklärung darstellte, bleibt
fraglich. Die BdV-Präsidentin unterstrich nichtsdestotrotz ihre klare
Überzeugung, dass eine wirkliche Unterstützung für die Vertriebenen derzeit nur
von der Union zu erwarten sei. In Reaktion auf eine Frage zum Eigentumsrecht
präzisierte die Verbandsvorsitzende: „Eine entschädigungslose Enteignung von
Menschen anderer Völker oder eigener Völker ist menschenrechtswidrig,
völkerrechtswidrig.“ Jeder könne sein Recht einklagen. Die Schicksale der
Vertriebenen auf die Eigentumsfrage zu reduzieren, käme jedoch in der
politischen Diskussion letztlich den Gegnern des BdV zupass.
Die Diskutanten würdigten die Brückenfunktion der
Vertriebenen im europäischen Integrationsprozess. Steinbach überzeugte insgesamt
durch ihre klare Argumentation und Eloquenz.
Für die deutschen Heimatvertriebenen hat die
NRW-Landtagswahl somit durch die aktuelle Debatte in Berlin neben einem klar
vorhandenen landespolitischen Schwerpunkt auch eine bundespolitische Komponente
erhalten. Nachdem CDU, CSU, FDP und der Bund der Vertriebenen inzwischen einen
Kompromiss im Streit um die Besetzung des Rates der Bundesstiftung „Flucht,
Vertreibung, Versöhnung“ gefunden haben, könnte die Bewertung dieser
Übereinkunft kaum unterschiedlicher ausfallen. Während das BdV-Präsidium dem
Einigungsvorschlag einmütig zustimmte und dabei hervorhob, dass die Stiftung
insgesamt eine qualitative Verbesserung erfahren habe, kam die Landsmannschaft
Ostpreußen in Nordrhein-Westfalen zu einer deutlich kritischeren Einschätzung:
Die zusätzlichen Sitze für den BdV würden durch die gleichzeitige Zunahme der
Sitze für Vertreter anderer, meist vertriebenenfeindlicher Gruppen praktisch
neutralisiert. Zwar kann nun kein Kabinettsmitglied mehr die Benennung eines
BdV-Vertreters alleine blockieren, doch bliebe, so die LO-Landesgruppe, die
grundsätzliche Bevormundung durch die Politik auch bei einer Entscheidung des
Bundestages bestehen. Diese Umstände würden durch die schon rein sachlich zu
begründende Vergrößerung der Ausstellungsfläche und das Einbeziehen der Daten
des Lastenausgleichsamtes nicht aufgewogen. Die Landsmannschaft Ostpreußen in
Nordrhein-Westfalen bringt in ihrer Erklärung abschließend das eigentliche
zentrale, massive Defizit der derzeitigen Vertriebenenpolitik in Bund und Land
schonungslos auf den Punkt:
„Das ganze Ergebnis zeigt, dass weder die
Regierung noch die Regierungsparteien, ganz zu schweigen von der derzeitigen
Bundestagsopposition, die berechtigten Anliegen der Vertriebenen bei der
historischen Aufarbeitung und Darstellung der Vertreibung der ca. 15 Millionen
Deutschen zu berücksichtigen gewillt sind, wenn den Vertriebenen in
politischen Sonntagsreden auch Anerkennung ausgesprochen wird. Der Hintergrund
ist eine offizielle Geschichtspolitik, die sich der Erkenntnis verweigert,
dass der letzte Weltkrieg nicht Ursache, sondern eine zynisch genutzte
Gelegenheit für die Vertreibung war. Will man diese Erkenntnis aber
unterdrücken, kann eine erstrebte Versöhnung mit den Vertreiberstaaten nicht
gelingen.
Die Vertriebenen werden sich mit dem Gedanken
befassen müssen, dass sie mit diesem Anliegen, das auch ein nationales Anliegen
sein sollte, von den derzeitigen politischen Kräften bevormundet und weitgehend
allein gelassen werden.“
Vielleicht hatte die diplomatisch geschickt
taktierende BdV-Präsidentin ja diese Erkenntnis im Hinterkopf, als sie in
Düsseldorf formulierte, dass der BdV die Bundesstiftung, die ja schließlich ein
Kind der Vertriebenen sei, uneingeschränkt begrüße und sie, wenn nötig, auch
etwas streng begleiten werde.
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Die vollständige
Videoübertragung des CDU-Werkstattgesprächs „Vertrieben, aber nicht vergessen –
Erinnerung lebendig halten“ mit Erika Steinbach in Düsseldorf ist exklusiv im
Ostpreußischen Rundfunk zu sehen
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Quelle:
Ein Artikel von Peter Groenen,
veröffentlicht in der BJO-Zeitschrift „Fritz“, Ausgabe 1/2010
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