Tag der Heimatvertriebenen im österreichischen Parlament
Leistungen am Wiederaufbau Österreichs nach 1945 würdigen
Es
ist die Aufgabe der politischen Öffentlichkeit, sich in Zeiten von Finanzkrisen
an die Leistungen jener Menschen zu erinnern, die nach dem Zweiten Weltkrieg am
Wiederaufbau Österreichs beteiligt waren. Gerade dann, wenn der Wirtschaftsmotor
ins Stocken kommt, die Budgets von sozialen Einschnitten gekennzeichnet sind und
der Gürtel enger geschnallt werden muss, bemüht man sich um Vergleiche aus der
Vergangenheit. Dass Österreich im 20. Jahrhundert gleich zweimal aus Schutt und
Trümmern neu errichtet wurde, zeugt von einer besonderen Widerstandsfähigkeit
seiner Bewohner. Immerhin, und das darf mit einigem Stolz gesagt werden, zählt
dieses kleine Land heute zu den reichsten Ländern auf dem gesamten Erdball.
Damals, am Ausgangspunkt seiner Entwicklung nach Saint Germain, war noch von
einer Republik die Rede, die keiner wollte - wie sich die Zeiten doch ändern!
Zuletzt wurde im Gedenkjahr 2005 der lange Weg unserer Heimat als großartige
Erfolgsgeschichte vorgestellt. Einen maßgeblichen Anteil daran hatten die
volksdeutschen Heimatvertriebenen. Sie stammten aus den verschiedensten Teilen
der ehemaligen Habsburgermonarchie, wo sie über viele Jahrhunderte hinweg in
Böhmen, Mähren und Schlesien, in Siebenbürgen, im Karpatenraum, in der Krainer
Gottschee und im südlichsten Teil des Herzogtums Steiermark, oder nach dem
Zurückdrängen der Osmanen im Königreich Ungarn das politische, kulturelle,
geistige und wirtschaftliche Leben an vorderster Reihe gestalteten. Am 28.
September 2010 lud Martin Graf, Dritter Nationalratspräsident und ehemaliger
Vertriebenensprecher der FPÖ, zu einer Gedenkveranstaltung ins österreichische
Parlament ein. In seiner Begrüßungsrede wies Graf auf den epochalen Charakter
dieser Veranstaltung hin: "Es ist seit 1945 das erste Mal, daß die
Parlamentsdirektion unter dem Vorsitz von Nationalratspräsidentin Barbara
Prammer die Heimatvertriebenen zu einem solchen Festakt einlädt, um hier nicht
nur deren Geschichte vorzustellen, sondern um ihren Beitrag zum wirtschaftlichen
Aufbau Österreichs anzuerkennen." Wie groß die Sehnsucht der Betroffenen nach
einem Wort der Anerkennung ist, bewiesen die 190 Teilnehmer, die das
Abgeordnetenzimmer im Säulensaal des Parlaments bis zum letzten Platz
ausfüllten. "Der Vertriebenengeneration danke ich für die erbrachten Leistungen
für unsere gemeinsame Heimat", schrieb Graf in seinem Vorwort zum Buch Die
Wiederaufbauleistungen der Altösterreicher in der Zweiten Republik. Diesem
Dank schlossen sich auch die Vertriebenensprecher von SPÖ, Marianne Hagenhofer,
und ÖVP, Norbert Kapeller, in ihren Grußworten an. Insgesamt vier Referenten
stellten dann das Thema vor. Zunächst schilderte Anneliese Kitzmüller am
Beispiel ihres Vaters eine erfolgreiche Karriere im österreichischen
Wirtschaftsleben. Ein ganz ähnliches Schicksal steht auch für Valentin Reimann,
dem Vater von Rudolf Reimann, der zum Leben seines Vaters meinte: "Harte Arbeit
und das Engagement für die eigenen Landsleute in der Landsmannschaft prägten
sein Leben." Alfred Oberwandling skizzierte dann die Wirtschaftskraft der
Sudetendeutschen am Beispiel Oberösterreichs. Dort konnten sich zahlreiche
international bekannte Betriebe etablieren. Nach Oberwandling trug die
wirtschaftliche Aufbauarbeit der Sudetendeutschen maßgeblich zu deren
gesellschaftlichen Integration in Oberösterreich nach 1945 bei. Die Etappen
dieses Integrationsprozesses mit einem Rückblick auf die Geschichte der
Donauschwaben stellten dann auch im Beitrag von Christian Reinhardt den
inhaltlichen Schwerpunkt. Eine spannende Schlußdiskussion unter Beteiligung des
Publikums bildete den Abschluß der Veranstaltung, in deren Rahmen das Buch
Die Wiederaufbauleistungen der Altösterreicher in der Zweiten Republik
präsentiert wurde. In 11 Beiträgen werden darin die Aufbauarbeit der
Heimatvertriebenen sowie deren Herkunft, das Leben in den ersten
Nachkriegsjahren und die Schwierigkeiten der Integration in der Anfangszeit
vorgestellt. Das reiche Bildmaterial stammt vornehmlich aus dem Bildarchiv im
Haus der Heimat unter Leitung von Sebastian Wassertheurer.
Martin Graf - Anneliese Kitzmüller (Hg),
Die
Wiederaufbauleistungen der Altösterreicher in der Zweiten Republik. Wiener
Neudorf 2010.ISBN 978-3-9502849-1-1