Warschau will
den Spieß umdrehen
Rückgabe polnischer
Kulturgüter gefordert - Offen bleibt, um was es gehen könnte von Klaus Apfelbaum
Der Streit mit
Warschau um die Rückführung deutscher Kulturgüter hat eine neue Dimension
erreicht: Jetzt verlangt die polnische Außenministerin Anna Fotyga zuerst „die
Rückgabe polnischer Kunstgegenstände, die in deutschen Museen lagern“. Gegenüber
der Zeitung „Gazeta Wyborcza“ blieb sie die Antwort schuldig, um welche
Kulturgüter es sich handeln könnte; sie habe das Kultusministerium angewiesen,
eine Liste aufzustellen. Allerdings war sie sich in einem Punkt sicher: Die in
Deutschland lagernden Kunstschätze polnischer Herkunft sollen rund 15 Milliarden
Euro wert sein.
Deutlich ist,
daß Warschau mit diesem Vorstoß Forderungen aus Deutschland abwehren will, im
Zweiten Weltkrieg ausgelagerte deutsche Kulturgüter zurückzuführen. Nach dem
Völkerrecht ist Polen zur Rückgabe verpflichtet, und unter dem Dach der EU wäre
auch eine juristische Auseinandersetzung um die Kunstschätze nicht ohne
Erfolgsaussichten.
Zu den
Kulturgütern gehören Handschriften Goethes, Mozarts und das Original-Manuskript
Hoffmann von Fallerslebens mit dem Text der deutschen Nationalhymne. Der
deutsche Sonderbotschafter Tono Eitel, der mit Warschau über die Rückgabe
verhandelt, hatte diese Kunstschätze die „letzten Gefangenen des Zweiten
Weltkriegs“ genannt.
Die Pflicht
zur Rückführung will Warschau unterlaufen – das hat Methode. Nicht übersehen
werden darf nämlich, daß die Außenministerin Fotyga einer untergehenden
Regierung angehört – das Kabinett von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski kann
ohne parlamentarische Mehrheit kaum noch etwas ausrichten. Es wird in Warschau
erwartet, daß das polnische Parlament Ende kommender Woche endgültig den Weg für
Neuwahlen freimachen wird. Nur die Linksparteien können die Auflösung des Sejm
noch verzögern.
Inzwischen
prägt ein verwirrendes Geflecht von gegenseitigen Anschuldigungen die
Tagespolitik in Warschau – vor allem die ehemaligen Koalitionspartner aus der
Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), der „Samoobrona“ und der „Liga
polnischer Familien“ überhäufen sich mit Vorwürfen von Machtmißbrauch,
Bespitzelung und Sex-Affären.
Profitiert hat
vom Koalitions-Desaster bisher die liberale Bürgerplattform unter Donald Tusk,
sie liegt bei den Umfragen mit 31 Prozent vorn. Allerdings hat die PiS in den
letzten Tagen wieder Boden gutmachen und auf 28 Prozent Wählerzustimmung
aufschließen können. Die PiS läßt keine Gelegenheit aus, mit antideutschen
Affekten Stimmung für sich zu machen. Auch Anna Fotyga schürt das Feuer: In
einem Interview mit der „International Herald Tribune“, das in Polen stark
beachtet wurde, nannte sie Deutschland den „ewigen Feind Polens“.
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