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    | Die Österreicher und die Deutschen unterscheiden sich durch ihre gemeinsame Sprache! | 
Habe die Ehr’
Können Österreicher Deutsch sprechen? 
Der „Sprachdienst“, die Mitgliederzeitschrift der 
Gesellschaft für deutsche Sprache, hat ein Themenheft „Deutsch in Österreich und 
Deutschland“ herausgebracht, das unter anderem mit der vom Satiriker Karl Kraus 
eingeführten Mär aufräumt, „Deutsche und Österreicher haben alles gemeinsam, 
ausgenommen die Sprache“. 
Das ist einer der Glanzpunkte des dicken Hefts, 
das mit Blick auf Sprach-Geschichte und -Theorie jedoch ziemlich dünn ist. Da 
wird fast ausschließlich über den differierenden Wortschatz räsoniert, wo sich 
Sprachen nur durch Wandel ihrer Strukturen differenzieren. Der Wortschatz ändert 
sich laufend, und heute die „österreichische Küchenterminologie“ als Beleg 
sprachlicher „Plurizentrik“ im „deutschländischen“ Sprachraum zu werten, 
erscheint krampfig-bemüht, auch wenn in einer Richtlinie der 23 EU-Amtssprachen 
die „Austriazismen aus der Lebensmittelterminologie“ dem Deutschen 
gleichgestellt werden. 
Es gab in den Nachkriegsjahren vom 
Unterrichtsminister Felix Hurdes (1901–1974) den Versuch, eine österreichische 
„Unterrichtssprache“ zu konstituieren. Die Österreicher sahen sich verulkt, weil 
sie nicht „Deutsch“, sondern „Unterricht“ sprechen sollten. Sie verlachten 
Hurdes „Österreichisches Wörterbuch“ und lasen dann doch lieber den Duden. 
Der Spuk ging schnell vorüber, als der 
scharfzüngige Publizist Hans Weigel (1908–1991) Hurdes’ Neusprech als „Hurdestanisch“ 
verhöhnte. Da erinnerte man sich lieber an den deutschen Historiker Friedrich 
Meinecke (1862–1954), der schon 1908 klug zwischen „Staatsnationen“ und 
„Kulturnationen“ unterschieden hatte. Österreicher bilden eine Staatsnation, 
gehören aber sprachlich zur deutschen Kulturnation. Und wenn sie als 
„Willensnation“ (Ex-Präsident Thomas Klestil) die Austriazismen 
identitätsstärkend im deutschen Munde führen, dann – Gott mit ihnen! 
„Paradeiser mit Obers“ (Tomaten mit Schlagsahne) 
hatte ein Hamburger Nachrichtenmagazin 1962 einen höhnischen Artikel über 
„österreichische“ Sprache überschrieben. Die Hamburger ärgerten sich über den 
„Sprachchauvinismus“ der „Donaustaatler“ und verabreichten denen sprachliche 
Watschen im Doppelpack. Im Grund schossen sie mit Kanonen auf Spatzen, denn kaum 
jemand folgte den Sprachberserkern bei ihrem Kampf gegen österreichische 
„Servilität“ und „nationale Würdelosigkeit“. 
So grimmig konnte nur eine Minderheit sein, wo 
doch dem „Österreichischen“ zu eigen ist, „charmant, aber falsch“ zu sein – 
erläutert die Wiener Linguistin Jutta Ransmayr im brillantesten Heft-Beitrag. 
Wenn Deutschlektoren im Ausland ihre Schüler mit „jetzt kommt etwas Lustiges“ 
ködern, folgen meist Exkurse ins Österreichische, was zwar das Sprachansehen 
nicht fördert, aber doch die österreichische Identität. Sind „ich bin 
gestanden“, „vergessen auf“, „Marille“, „Faschiertes“, „Topfen“, „Karfiol“ 
eigentlich deutsch? Irgendwo schon. Darf man sie als Deutsch lernen? Lieber 
nicht. Soll man den österreichischen Akzent annehmen? Gott bewahre, das ist laut 
Ransmeyer „wirklich gefährlich“, denn damit droht „österreichische 
randsprachliche Schizophrenie“. - Wolf Oschlies.