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Die Rundfunkansprache des britischen Königs, in der er 1939 die Kriegserklärung an Deutschland bekannt gab, wurde bereits über eine Woche vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges entworfen. Das belegt ein bislang unbekanntes Redemanuskript. „Nach langen, vergeblichen Friedensbemühungen befinden wir uns im Krieg“, ließ König George VI. seine Untertanen am 3. September 1939 wissen. Zwei Tage zuvor hatte mit dem deutschen Angriff auf Polen der Zweite Weltkrieg begonnen und Großbritannien löste nun seine Warschau gegebene Zusage ein, die Souveränität und die territoriale Integrität Polens unter allen Umständen zu garantieren. Alle, die die Rede des Königs hörten, glaubten ihm, man habe ehrlich um den Frieden gerungen und bis zum unvermeidlichen Kriegseintritt an der Seite Polens auch tatsächlich an ihn geglaubt. Dass dem nicht so war, sondern dass man in London spätestens am 25. August 1939 nicht nur mit einem baldigen Kriegsausbruch, sondern sogar mit einer Kriegsbeteiligung des Empire rechnete, geht aus einem Schriftstück hervor, das am 10. Dezember beim Londoner Auktionshaus Sotheby’s für umgerechnet 12.600 Euro versteigert wurde. Das dreiseitige Maschinenmanuskript stammt aus dem Nachlass des 1970 verstorbenen Harold Vale Rhodes und war bis zur Einlieferung bei Sotheby’s unentdeckt geblieben. Rhodes war ein hoher Regierungsbeamter, der im weiteren Verlauf des Krieges eine wichtige Rolle beim Aufbau des britischen Informationsministeriums spielte. Das Dokument ist betitelt „Draft King’s Speech 25/8/39“ (Entwurf der Rede des Königs 25.8.39) und ist damit eindeutig datiert. Seine Provenienz und Echtheit sind ebenfalls eindeutig nachgewiesen. „In dieser schweren Stunde, vielleicht der schwersten in unserer Geschichte“ wendet sich der König an sein Volk und informiert es über die britische Kriegserklärung an das Deutsche Reich. Deutschland und seine Nazi-Partei seien aggressiv und tyrannisch und strebten danach, die schwächeren Nationen zu unterdrücken und bald die Welt mit brutaler Gewalt zu beherrschen, heißt es weiter. Man kämpfe jedoch nicht nur für das Überleben Großbritanniens, sondern auch für etwas Größeres und Edleres, nämlich für die Prinzipien von Freiheit und Gerechtigkeit. Das Manuskript geht offensichtlich auf einen sogar noch früheren Redeentwurf aus der Feder von Rhodes zurück, denn dieser hat am Rand handschriftlich vermerkt, die Rede leide im Vergleich zu seiner, der ersten, Fassung an zu komplexen Formulierungen und zu langen Sätzen. Gesprochenes müsse sofort auf den Punkt kommen. Tatsächlich ist die Rede, die George VI. am 3. September live über das Radio gehalten hat, deutlich kürzer und prägnanter als der Entwurf. Auch wenn der Grundtenor gleich geblieben ist, erwähnt George weder Deutschland noch Hitler, sondern spricht allgemein von „denen, die uns in einen Konflikt gezwungen“ hätten und „die jetzt unsere Feinde sind“. Außerdem schwört er seine Landsleute auf „dunkle Tage“ ein und bereitet sie darauf vor, dass der Krieg nicht auf das Schlachtfeld beschränkt bleiben werde. Die Kriegsrede Georgs VI. gilt wegen ihrer großen moralischen Wirkung auf seine Landsleute als eine der wichtigsten und bewegendsten öffentlichen Ansprachen des 20. Jahrhunderts. Zugleich war sie ein großer persönlicher Erfolg für den Monarchen, für den jede öffentliche Äußerung wegen seiner Neigung zum Stottern eine besondere Herausforderung war. Die spontane Deklaration eines unvermeidlichen Waffenganges war sie jedoch nicht, wie nach 74 Jahren durch einen Zufallsfund ans Licht gekommen ist. Der verhinderte
Frieden Die Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges ist untrennbar mit den 1919 durch den Versailler Vertrag festgeschriebenen Machtkonstellationen und der territorialen Neuordnung Europas verbunden. Dieses Diktat war kein Werk der gegenseitigen Verständigung zwischen Siegern und Besiegten, sondern der Versuch, Deutschland politisch und wirtschaftlich zu schwächen. Dementsprechend wurden umfangreiche Gebiete ohne Volksbefragung vom Reich abgetrennt. An der Grenzfrage entzündeten sich schließlich die politischen Spannungen des Jahres 1939. Seit seinem Amtsantritt hatte Adolf Hitler das Ziel verfolgt, die abgetretenen Gebiete wiederzuerlangen, allerdings möglichst unter Vermeidung internationaler Konflikte. Tatsächlich gelang es ihm, einige Kriegsfolgen zu revidieren und Deutschland durch geschickte Verhandlungen aus seiner außenpolitischen Isolation herauszuführen. Die Politik der Annäherung endete jedoch im Frühjahr 1939 mit dem deutschen Einmarsch in die Tschechoslowakei, und Großbritannien und Frankreich gaben daraufhin eine Beistands- und Garantieerklärung für Polen ab. Hitlers Vorschlag, Deutschland solle das deutsche Danzig sowie eine freie Straßen- und Eisenbahnverbindung durch den polnischen Korridor nach Ostpreußen erhalten, Polen dafür einen Freihafen und einen Nichtangriffspakt für 25 Jahre, lehnte Warschau im Vertrauen auf die britische Garantie ab. Nunmehr begannen die europäischen Staaten, für den Kriegsfall Allianzen zu bilden. Den Höhepunkt dieser Verhandlungen stellte der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt vom 24. August 1939 dar, auf den Großbritannien am folgenden Tag mit einem Beistandspakt mit Polen reagierte, der ausdrücklich gegen Deutschland gerichtet war. Eine Einladung Hitlers zu Gesprächen in Berlin lehnte Polen im Hinblick auf das Beistandsversprechen der Westmächte am 29. August schroff ab. Dagegen verliefen die seit dem 26. August zwischen Berlin und London geführten Gespräche zunächst erfolgversprechend. Hitler akzeptierte am 29. August alle Vorschläge der britischen Regierung, forderte allerdings in ultimativer Form die Entsendung eines mit allen Vollmachten ausgestatteten polnischen Unterhändlers bis zum Abend des folgenden Tages, dem 30. August. Tatsächlich erschien kein Vertreter der polnischen Regierung, die, durch das Ultimatum alarmiert, die Generalmobilmachung anordnete. Die britische Regierung wirkte auch noch am 31. August auf Warschau ein, trotzdem Verhandlungen zu führen – vergeblich, so dass Hitler den Angriff auf Polen für den nächsten Morgen befahl. Er nahm an, dass Großbritannien und Frankreich ihrer Bündnisverpflichtung gegenüber Polen angesichts dieser Umstände nicht nachkommen würden. Zunächst sah es tatsächlich danach aus, denn die diplomatischen Drähte glühten weiter. Polen dagegen lehnte Verhandlungen weiterhin ab. Als Hitler sich am 3. September weigerte, als Voraussetzung für eine Konferenz alle Truppen aus Polen abzuziehen und lediglich einem Waffenstillstand zustimmte, waren die Würfel für den Kriegseintritt Großbritanniens gefallen. - J.H. siehe auch: Der Weg in den Krieg
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