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Entlassung 1808

 


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»Sie gehören nun der Geschichte an«
Vor 200 Jahren wurde Preußens Staatsminister Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein entlassen
von Manuel Ruoff

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte: Mit Stein setzte Napoleon einen seiner erbittertsten Gegner als preußischen Regierungschef durch. Als der Franzose seinen Irrtum bemerkte, zog er die Konsequenzen.

Nach dem Sieg über Preußen im Vierten Koalitionskrieg von 1806/1807 forderte der Kaiser der Franzosen die Entlassung des bis dahin für die preußische Politik verantwortlichen Ministers Karl August Freiherr von Hardenberg. Als Nachfolger schlug er ausgerechnet Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein vor.

Abgesehen von Steins Abneigung gegen Bonaparte, welche diesem damals noch unbekannt war, schien aus französischer Sicht manches für den Reichsfreiherrn zu sprechen. Er stammte aus dem westdeutschen Nassau, was eine Nähe zu Frankreich erhoffen ließ. Er war am 3. Januar 1807 im Streit aus preußischen Diensten geschieden, was bei seiner Berufung zum Regierungschef neuen Streit an Preußens Spitze erhoffen ließ. Zudem fühlte sich Napoleon durchaus auch als Exporteur der Errungenschaften der Französischen Revolution, und Stein war bei seinen Reformvorschlägen für Preußen durchaus auch von den Entwick­lungen in Frankreich geprägt. Daß Stein Preußens Modernisierung nicht aus Bewunderung und Sympathie für Frankreich erstrebte, sondern um das Königreich fit zu machen für die Auseinandersetzung mit dem Kaiserreich, blieb dem Franzosenkaiser vorerst verborgen.

Napoleon fand ungewöhnliche Alliierte in seinem Eintreten für Stein. Auch Hardenberg und Königin Luise machten sich beim zögernden König Friedrich Wilhelm III. für den Reformer stark. Sie erkannten, daß Preußen in dieser schwarzen Stunde seiner Geschichte einen energischen Mann wie Stein an der Spitze benötigte. Dem vereinten Druck gab der Preußenkönig schließlich nach und stattete Stein in der Kabinettsorder vom 4. Oktober 1807 mit Vollmachten aus, wie sie wohl noch nie ein preußischer Minister erhalten hatte. So schnell wie Steins Stern an Preußens Himmel aufstieg, so schnell verlosch er allerdings auch wieder. Hieran war der Staatsminister selbst nicht ganz schuldlos.

Die Erfolge der Spanier und ihrer Verbündeten in ihrem Unabhängigkeitskrieg gegen die französische Fremdherrschaft ließen Stein am 15. August 1808 euphorisch zur Feder greifen und einen antifranzösischen Brief schreiben, der ihn kompromittieren mußte, sollte er in die Hände Napoleons gelangen. Dort heißt es beispielsweise: „Die Erbitterung nimmt in Deutschland täglich zu, und es ist ratsam, sie zu nähren und auf die Menschen zu wirken. Ich wünschte sehr, daß die Verbindungen in Hessen und Westfalen erhalten würden und daß man sich auf gewisse Fälle vorbereite, auch eine fortdauernde Verbindung mit energischen, gut gesinnten Männern erhalte und diese wieder mit andern in Berührung setzte. Sollten Ew. Durchlaucht mir hierüber Eröffnung tun können, so bitte ich Sie, mir Herrn Koppe oder sonst einen vertrauten Mann wieder herzuschicken. Die spanischen Angelegenheiten machen einen sehr lebhaften Eindruck. Es wird sehr nützlich sein, sie möglichst auf eine vorsichtige Art zu verbreiten. Man sieht hier den Krieg mit Österreich als unausbleiblich an. Dieser Kampf würde über das Schicksal von Europa entscheiden und also auch über unsers.“

Adressat dieses Schreibens war Friedrich Wilhelms III. Vertrauter Wilhelm Ludwig Georg Fürst von Wittgenstein. Bote war der im Schreiben genannte Assessor Karl Wilhelm Koppe. Unvorsichtigerweise führte der Weg des Kuriers über das von französischen Besatzungssoldaten wimmelnde Berlin. Unweit der preußischen Hauptstadt wurde Koppe am 26. August 1808 bei Tegel von zwei französischen Gendarmen verhaftet und nach Spandau gebracht. Steins Brief wurde zusammen mit weiteren Papieren konfisziert. Stein selber äußerte später den Verdacht, ein französischer Spion habe über Koppes Ehefrau von der Mission erfahren.

Genüßlich kosteten die Franzosen diesen vermeintlichen Beweis preußischer Illoyalität aus, um die Preußen vorzuführen. Am 8. September 1808 veröffentlichten sie Teile von Steins Brief in ihrem Amtsblatt „Moniteur“ mit dem bissigen Kommentar: „Man kann den König von Preußen nur beklagen, daß er solche ebenso ungeschickte wie verderbte Minister hat.“

Nach diesem Brief schien Stein als preußischer Delegierter für den Fürstentag, der vom 27. September bis 14. Oktober 1808 in der Anwesenheit Napoleons in Erfurt stattfand, untragbar. Statt seiner wurde ein anderer entsandt. Anschließend wurden Stein erst die Verantwortung für die Außenpolitik und dann weitere Kompetenzen genommen. Vor 200 Jahren, am 24. November 1808, gab Friedrich Wilhelm III. dann Steins Rücktrittsgesuch statt.

Bonaparte begnügte sich jedoch nicht mit dem Sturz Steins. Vielmehr bestimmte er im Anschluß an die Entlassung, daß die Güter Steins auf dem Territorium Frankreichs und der Rheinbundstaaten zu beschlagnahmen seien und der Reichsfreiherr selber zu verhaften, ja zu erschießen sei, wenn man seiner habhaft werde. Stein floh daraufhin in das Preußen benachbarte und weder mit Frankreich verbündete noch von französischen Truppen besetzte Kaiserreich Österreich.

Wenn Steins Amtszeit als Staatsminister auch kurz war, so war sie doch voller Reformen, und August Neidhardt von Gneisenau ist beizupflichten, wenn er dem Exilanten bescheinigte: „Sie gehören nun der Geschichte an.“          

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt, Ausgabe 47/08, 22.11.2008

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