Schlacht bei Bautzen: 25.000 Mann kostete die Franzosen der Sieg. Die Alliierten verloren 11.000

Napoleons verpatzte letzte Chance
Bei Bautzen misslang der Versuch des Korsen, vor dem Eingreifen der Österreicher den Gegner vernichtend zu schlagen
von Jürgen W. Schmidt

Im Frühjahr 1813 legte der französische Kaiser Napoleon größten Wert darauf, die preußisch-russische Hauptarmee auf deutschem Boden schnell und vernichtend zu schlagen, bevor Österreich den preußischen Seitenwechsel nachvollzog und auf der Seite seiner Gegner militärisch eingriff. Der erste Versuch eines Vernichtungsschlages war am 2. Mai bei Großgörschen nahe Leipzig missglückt. Zwar hatte Bonaparte in der Schlacht gesiegt, doch hatten die verbündeten Russen und Preußen geordnet ins östliche Sachsen abrücken und sich bei Bautzen neu sammeln können. Dort nun unternahm der Kaiser der Franzosen am 20./21. Mai in der Schlacht bei Bautzen einen zweiten militärischen Vernichtungsversuch.

Diesmal wollte Napoleon unbedingt die Entscheidung. In der fast elf Kilometer breiten, befestigten Stellung hinter der Spree bei Bautzen konnten sich die verbündeten Truppen, bei denen sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. und der russische Zar Alexander I. befanden, acht wichtige Tage erholen, bis die Franzosen unter Bonaparte aus Richtung Dresden anrückten. Das russisch-preußische Heer unter dem Oberbefehl des russischen Generals Ludwig Adolph Peter Graf zu Sayn-Wittgenstein zählte etwa 96.000 Mann, von denen 33.500 Mann Preußen unter den Generalen Gebhard Leberecht von Blücher und Ludwig von Yorck waren. Die französische Armee unter Napoleon war ihnen mit 163.000 Mann zahlenmäßig weit überlegen. Die Russen und Preußen wollten trotzdem der Schlacht nicht aus dem Wege gehen, um zu zeigen, dass sie sich trotz der Niederlage von Großgörschen nicht unterlegen fühlten. Besonders die Preußen brannten förmlich darauf, sich aufs Neue mit den verhassten Franzosen zu messen.

Um seinen Vernichtungsschlag zu landen, plante Bonaparte bei Bautzen eine Kesselschlacht mittels einseitiger Umfassung. Durch einen Angriff starker französischer Kräfte sollte die feindliche Hauptmacht bei Bautzen gefesselt werden, während sie Teilkräfte unter Napoleons bestem Truppenführer, Marschall Michel Ney, tief in ihrer rechten Flanke umgingen. Anschließend wollte man die Verbündeten in das Südoberlausitzer Bergland drücken und sie dort zur Kapitulation oder zur panischen Flucht durch die engen Gebirgspässe nach Böhmen zwingen.

Doch einen Tag vor der eigentlichen Schlacht von Bautzen hatten die Russen und Preußen Soldatenglück. Ein kurzfristig angesetzter Erkundungsvorstoß des russischen Generals Michael Andreas Barclay de Tolly, den er mit 24.000 Mann unternahm, darunter das preußische Armeekorps des Generals York, prallte am 19. Mai mittags bei der Ortschaft Königswartha etwas nördlich von Bautzen unvermittelt auf die den Truppen von Marschall Ney weit vorangeeilte italienische Division Peyri, die dabei völlig zerschlagen wurde. Dieser kleine Sieg und die feindlichen Verluste von 4.000 Mann munterten die russischen und preußischen Truppen auf und verzögerten zugleich ganz wesentlich den geplanten Umgehungsstoß von Ney, der seit Königswartha viel vorsichtiger operierte.

Am nächsten Tag, dem 20. Mai 1813, eröffnete Bonaparte gegen 12 Uhr seinen Frontalangriff auf die ausgedehnten Verteidigungsstellungen der Russen und Preußen hinter der Spree. Die Franzosen kamen gut voran, überquerten die Spree, besetzten Bautzen und drückten die Verbündeten frontal langsam zurück. Wäre in diesem Moment der geplante Flankenstoß von Ney erfolgt, hätte die Schlacht von Bautzen mit einer militärischen Katastrophe geendet. Doch Ney kam am 20. Mai nicht zum Eingreifen, weil sich sein Anmarsch erheblich verzögerte.

Die russischen und preußischen Generale hielten in Anwesenheit der beiden Monarchen am Abend des 20. Mai Kriegsrat. Die vorsichtigeren Russen waren dafür, die Schlacht abzubrechen. Sie schlugen vor, sich nach Görlitz zurückzuziehen, sich hinter der Neiße aufzustellen und Napoleon dort eine neue Schlacht zu liefern. Die preußischen Generale waren empört über diesen Vorschlag und wollten die begonnene Schlacht von Bautzen weiterkämpfen. Den Ausschlag gab Friedrich Wilhelms Generaladjutant, Oberst Karl Friedrich von dem Knesebeck, der darauf hinwies, dass ein erneuter Rückzug den Mut des Heeres schwächen und die beidseitig umworbenen Österreicher unweigerlich in die Hände Bonapartes treiben werde. Also wurde beschlossen, in den Stellungen auszuharren und die Verteidigung fortzusetzen. Von der drohenden Gefahr in der rechten Flanke ahnten die Verbündeten immer noch nichts.

Am 21. Mai um 5 Uhr morgens begann wieder die Schlacht und die Franzosen unter Napoleon erlitten diesmal bei ihren Frontalangriffen große Verluste. Nun verpatzte Ney seinen Flankenstoß. Gemäß der strikten Befehle Bonapartes hätte er nämlich weitausholend von Norden her über Baruth und Weißenberg ins tiefe Hinterland der Verbündeten vorstoßen sollen. Doch irritierte ihn, dass der Kanonendonner immer noch weit westlich aus Richtung Bautzen und Hochkirch ertönte. Er glaubte seinen Monarchen in großen Schwierigkeiten. Und da ein guter Soldat in unklarer Lage immer in Richtung auf den Kanonendonner marschieren soll, änderte Ney im besten Glauben, aber damit die Pläne seines Kriegsherren für eine Kesselschlacht total ruinierend, die Marschrichtung seiner Truppen von Baruth auf Hochkirch ab. Zwar wurde auch jetzt noch der rechte Flügel der Russen und Preußen umfasst, doch blieben ausreichend Rückzugswege offen, über welche sie sich organisiert in Richtung auf Görlitz und anschließend nach Schlesien zurückziehen konnten.

Dem Franzosenkaiser war sein so sicher geglaubter Vernichtungsschlag wiederum nicht gelungen. Weil die Franzosen bei Bautzen pausenlos angegriffen hatten, hatten sie zudem mit 25.000 Mann wesentlich größere Verluste zu beklagen als die sich hier nur aus befestigten Positionen hartnäckig verteidigenden Russen und Preußen. Diese büßten nur 11.000 Mann ein und retteten ihre gesamte Artillerie. Bonaparte verfolgte zwar in den nächsten Tagen die Russen und Preußen bis hinter die Neiße nach Schlesien, doch die preußisch-russische Armee wahrte ihre Kampfkraft. Es gab keine Deserteure und auch kaum Gefangene. Im Gegenteil, es gelang 20 angriffslustigen preußischen Kavallerieschwadronen bei Haynau, ungefähr 40 Kilometer östlich von Görlitz, am 26. Mai 1813 die weit vorgeprellte französische Division des Generals Nicolas-Joseph Maison zu überraschen und in kühner Attacke zusammenzuhauen.

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt, Ausgabe 21/13, 25.05.2013