Trägt jetzt den Namen des SPD-Politikers Otto Wels: Eines der Bundestagsgebäude in Berlin. Otto Wels  SPD (1873-1939)
Trägt jetzt den Namen des SPD-Politikers Otto Wels:
Eines der Bundestagsgebäude in Berlin.
Otto Wels, SPD, (1873-1939)
ging im Mai 1933 ins Exil

Otto Wels (SPD):
Als Namensgeber ungeeignet
von Jan Heitmann

Jetzt hängen die Schilder, und vor allem die SPD-Bundestagsabgeordneten freuen sich über ihre neue Adresse: Otto-Wels-Haus. Auf Anregung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte der Ältestenrat des Parlaments kürzlich beschlossen, das für Abgeordnetenbüros genutzte Gebäude Unter den Linden 50 nach dem einstigen SPD-Vorsitzenden zu benennen. Nun ist Wels jedoch weder ein ausgesprochener „Wegbereiter der Demokratie“, als der Lammert ihn sieht, noch hat er persönlich die weiße Weste, die ihn zu der Lichtgestalt der Sozialdemokratie machen würde, als die er heute in den Geschichtsbüchern hingestellt wird.

Wels, ein entschiedener Gegner der Kommunisten und des linken SPD-Parteiflügels, trug 1930 maßgeblich zum Ende der letzten von einer parlamentarischen Mehrheit getragenen Reichsregierung unter seinem Parteifreund Hermann Müller bei. Dessen Nachfolger Heinrich Brüning ließ er bei der Regierungsbildung im Stich, er untersagte jegliche Verhandlungen der SPD mit der Regierung Kurt von Schleicher und verhinderte nach dem sogenannten Preußenschlag einen Generalstreik.

Otto Wels (SPD): Rede am 23. März 1933 zur Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes.Hindenburg als letztes Hindernis vor dem FührerstaatMit alldem leistete er – mehr noch als man es Hindenburg vorwerfen könnte – dem Erstarken des Nationalsozialismus Vorschub. Wie sehr sich Wels von den sozialdemokratischen Idealen der Freiheit und der internationalen proletarischen Solidarität entfernt hatte, erkennt man daran, dass er keine Einwände gegen Hitlers Pläne zur Aufrüstung und Autarkie hatte. Seine berühmte Rede am 23. März 1933, in der er die Ablehnung des „Ermächtigungsgesetzes“ durch die SPD begründete, war zweifellos eine mutige Intervention für die Demokratie und eine Sternstunde des Parlamentarismus, allerdings war sie nicht geeignet, sein vorangegangenes Versagen zu kompensieren.

Nicht weniger schwer als seine politischen Fehler wiegen seine persönlichen Defizite. Nachdem Wels im Mai 1933 ins Exil gegangen war, wurde über viele Jahre in Parteikreisen kolportiert, er habe sich zuvor die Parteikasse angeeignet.

Ein weiterer Beweis für seine mangelnde persönliche Integrität ist sein beschämendes Verhalten im Fall eines durch ihn getöteten Kindes. Dazu gibt es im Sperrbestand des Landesarchivs Berlin eine Akte, die der Berliner Historiker Michael Foedrowitz vor einigen Jahren entdeckte. Danach kam Wels am 21. Januar 1931 in Berlin mit seinem Auto bei einem Überholmanöver auf vereister Fahrbahn wegen überhöhter Geschwindigkeit ins Schleudern, geriet an der Ecke Attilastraße/Schönebergerstraße auf den Gehweg und tötete dort die neunjährige Ursula Riehl. In den polizeilichen Vernehmungen zeigte sich Wels vollkommen uneinsichtig. Obwohl die Schuldfrage eindeutig war, wies er jede Verantwortung von sich und äußerte kein Wort des Bedauerns. Für seine Tat wurde er nie zur Rechenschaft gezogen. Wohl dank seines politischen Einflusses wurde die Sache nicht weiter verfolgt, drang nichts davon an die Öffentlichkeit und verschwand die Akte im „Giftschrank“.

Unter den geschilderten Umständen sind Zweifel daran, dass Wels vorbildlich und ehrwürdig genug ist, um einem Bundestags-Gebäude seinen Namen zu geben, mehr als angebracht.
 

Quellen:
Fotos und Audio-Datei: Archivmaterial;
Text: Preußische Allgemeine Zeitung - Ausgabe 15/17 vom 24.04.2017