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»Für die Freiheit – gegen Napoleon« Das Städtische Museum von Braunschweig zeigt in seiner Ausstellung „Für die Freiheit – gegen Napoleon. Ferdinand von Schill, Preußen und die deutsche Nation“ anhand von rund 100 zeitgenössischen Gemälden, Grafiken, Dokumenten und Objekten, die teils aus Schills Besitz stammen, die Bedeutung der historischen Gestalt in seiner Zeit auf. Mit der Redewendung „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ ist Ferdinand von Schill (1776–1809) bis heute in aller Munde. Diese Worte gebrauchte der Freiheitskämpfer bei einer Rede an seine Truppe während des Kriegszugs 1809 nach Stralsund. Schill bildet das männliche Gegenstück zur weiblichen Märtyrerin der preußisch-deutschen Nation: der Königin Luise (1776–1810). In der Schlacht von Auerstedt, in der die preußische Armee 1806 gegen Bonapartes Truppen eine schwere Niederlage erlitt, trug Schill als Mitglied des Königin Luise unterstellten „Dragonerregiments Königin“ eine Kopfverletzung davon. Nachdem er diese in der Festung Kolberg auskuriert hatte, beteiligte er sich mit seiner Freischar an deren Verteidigung bis zum Tilsiter Friedensschluss 1807. Dafür steht sein Säbel, der wie alle Ausstellungsstücke mit einem kurzen Erläuterungstext versehen ist. Die Autoren des Begleitbuchs vertreten die These, dass der Freiheitskämpfer Schill zumindest teilweise ein „gemachter“ Held sei. Zitiert wird aus einem Schreiben August Neidhardt von Gneisenaus, der 1807 Kommandant der Festung Kolberg war, an Schills Adjutanten Georg Bärsch: „Mag die Welt immerhin glauben, dass er Kolberg verteidigt hat; für den Staat ist es darum desto besser. Schill ist noch jung und kann der großen deutschen Sache richtige Dienste leisten. Durch Schills Popularität und allverbreiteten Namen können noch schöne Dinge gethan werden; wir müssen daher solchen verherrlichen, so viel wir können.“ Seine Beliebtheit erreichte einen ersten Höhepunkt, als er 1808 nach Abzug der französischen Besatzung an der Spitze der preußischen Truppen in Berlin einritt. Dort brach ein wahres „Schill-Fieber“ aus. Davon künden Grafiken, die ebenso wie Tassen und Tabakspfeifenköpfe mit seinem Konterfei geschmückt sind. Im Netzwerk führender preußischer Staatsmänner und Militärs zur Befreiung des Staates von der französischen Fremdherrschaft fiel Schill die Aufgabe zu, in Pommern und im von Napoleons Bruder Jérôme regierten Königreich Westfalen einen Volksaufstand zu entfachen. In einem Brief, den er am 24. April 1809 von Gerhard von Scharnhorsts Mitarbeiter Friedrich von Ribbentrop erhielt, soll gestanden haben: „Der König schwankt, Schill, ziehen Sie mit Gott!“ Der verließ am nächsten Tag mit dem 2. Brandenburgischen Husarenregiment Berlin, um ohne Befehl König Friedrich Wilhelms III. seinen Kriegszug zu beginnen. Ausgestellt ist die rote Brieftasche, die ihm Königin Luise mit der Widmung geschenkt hatte: „Für den braven Herrn von Schill“. Die präsentierte er am Tag des Ausrückens seinen Waffengefährten mit den Worten: „Dieses Gnadenbeweises will ich mich würdig erweisen!“ Doch weder durch erfolgreiche Gefechte und die Einnahme von Festungen noch durch den als Flugblatt verbreiteten Aufruf „An das deutsche Volk“, der zum Anschluss an Schills Kampf bewegen sollte, vermochte er den erhofften Volksaufstand zu entfesseln. Vielmehr kam es zu Gegenmaßnahmen: König Jérôme setzte ein Kopfgeld auf ihn aus. Direkt unter diesem Dekret wurde in Jérômes Hauptstadt Kassel von anonymer Seite ein Zettel mit Gedicht aufgehängt, der als Reproduktion in der Schau gezeigt wird: „Mit Gold wiegt man Schills Kopf nicht auf, / drum lasset ab von diesem Kauf. / 10.000 Franken sind zu wenig, / denn Schill bleibt aller Herzen König.“ Mit 1.300 Mann hatte Schill am 25. Mai 1809 Stralsund erobert. Doch die waren den 5.000 dänischen und holländischen Soldaten nicht gewachsen, die sechs Tage später auf Befehl Bonapartes Stralsund erstürmten. Schill wurde im Straßenkampf erschossen. Sein vom Körper getrenntes Haupt wurde in ein mit Spiritus gefülltes Glas gelegt und an König Jérôme geschickt. Das leere Glas ist neben Erinnerungsstücken wie Schills Weste und Pistole zu sehen. Jérôme hatte den konservierten Kopf als Trophäe am westfälischen Hof in Kassel präsentiert, bevor er in das Raritätenkabinett eines Professors in Leiden gelangte. Seit 1837 ist Schills Schädel mitsamt den sterblichen Überresten von 14 seiner Freischärler, die in Braunschweig hingerichtet worden waren, unter dem Schill-Denkmal bestattet. Das in unmittelbarer Nähe des Braunschweiger Hauptbahnhofs stehende Denkmal wurde, wie in den Sockel gemeißelt steht, mit Spendengeldern „deutscher Patrioten“ errichtet und am 19. März 1837 eingeweiht. Martin Rink schreibt im Begleitband: „Wenn Schill als Vorkämpfer gegen das französische ,Empire‘ kämpfte, so war er buchstäblich ein ,Vorreiter‘ der deutschen Nationalbewegung.“ Das Braunschweiger Denkmal aber ist längst nicht mehr nur der Erinnerung an Schill gewidmet. Die 1955 angebrachten Tafeln erinnern an die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten der braunschweigischen Truppen. Seit den 1990er Jahren ist es Teil der „Gedenkstätte KZ-Außenlager Braunschweig Schillstraße“. Veit-Mario Thiede Die Ausstellung ist bis zum 30. Mai dieses Jahres im Galeriegebäude des Städtischen Museums / Sammlung Bönsch, Steintorwall 15, 38100 Braunschweig, dienstags bis sonntags zwischen 10 und 17 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei. Der Begleitband aus dem Böhlau Verlag kostet im Museum 19,90 Euro, im Buchhandel 29,90 Euro.
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