Zigeunerschnitzel mit Pommes
 

Politisch Inkorrekt:
Wenn Sprache das Denken verändern soll
Eine Kolumne von Klaus Kelle

Der sicher honorige Kampf gegen diskriminierende Begriffe führt in Deutschland oft zu echten Stilblüten. Problematisch wird es, wenn mit Wortschöpfungen unser Denken manipuliert werden soll.

Das "Forum für Sinti und Roma" in Hannover erfreut uns diese Woche mit einem originellen Vorschlag. In einem Brief an die Hersteller von Grillsaucen fordert es, auf den Begriff "Zigeunersauce" zu verzichten, um sich nicht dem Vorwurf von Diskriminierung auszusetzen. Einen Vorschlag, wie die Sauce zukünftig heißen soll, gibt es noch nicht. Das dürfte auch nicht einfach werden, denn nur "Scharfe Sauce" könnte zu Abgrenzungsproblemen für die Verbraucher führen. Doch wohin soll das alles führen? Sinti und Roma wurden in Deutschland und werden bis heute in vielen Ländern diskriminiert. Das ist alles andere als witzig. Aber was verbessert sich, wenn wir Grillsaucen umbenennen? Müssen wir demnächst "Lustig ist das Leben der reisenden ethnischen Minderheit, faria, faria ho..." singen?

Seit Jahren erleben wir eine Art Volkserziehung durch das Ändern von Begrifflichkeiten. Der Sarotti-Mohr war in meiner Kindheit überall präsent, irgendwann wurde er zum Sarotti-Magier. Der Negerkuss wurde zum Mohrenkopf, dann zum Schokokuss und ist heute, glaube ich, eine Schaumwaffel. Hat es etwas geändert? Gibt es keine Diskriminierung mehr? Ist sie weniger geworden? Ich habe nicht den Eindruck. Und während in unseren Radiosendern Rap-Musik aus den USA gedudelt wird, in denen sich die schwarzen, also die farbigen, ich meine die Sänger afroamerikanischer Herkunft, selbst gesanglich als "Niggaz" bezeichnen, arbeiten wir uns an Lebensmitteln und ihren politisch korrekten Bezeichnungen ab.

Das klingt heiter, ist es aber nicht. Seit Jahren bemühen sich etwa Feministinnen darum, dem großen "I" zum Durchbruch zu verhelfen. BürgermeisterIn statt Bürgermeister, neuerdings auch Bürgermeister_In. Oder die Anrede "Liebe Christinnen und Christen" statt des geschlechterumfassenden "Christ". Alles in Ordnung, solange es darum geht, Diskriminierung zu vermeiden. Aber ist Ihnen aufgefallen, dass auf das große "I" gern verzichtet wird, sobald es negativ besetzte Begriffe sind? Die unsägliche Kampfparole "SoldatInnen sind MörderInnen" werden Sie nie hören.

George Orwell hat in seinem Roman "1984" den Begriff "Neusprech" geprägt. Dabei ging es um eine vom Regime künstlich veränderte Sprache, geschaffen, um das Denken zu manipulieren. Was hat das mit Zigeunersauce zu tun, werden Sie sich nun fragen. Direkt nichts. Das aktuelle Beispiel sollte aber anregen, über die Veränderung von Begrifflichkeiten nachzudenken. Und darüber, ob es nicht der Manipulation dient, wenn zum Beispiel in einer sogenannten "gerechten Bibel" von "Jüngerinnen und Jüngern" geschrieben steht.

Quellen:
Foto: Archivmaterial;
Text: RP-Online, Politik, 16.08.2013,
www.rp-online.de/politik/deutschland/kolumnen/politischinkorrekt/wenn-sprache...