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Tumult bei Veranstaltung der Vertriebenen-Union
Gießen-Kleinlinden (mö). Bei einer Veranstaltung der Union der Vertriebenen
ist es am Donnerstagabend im Kleinlindener Bürgerhaus zu einem Tumult
gekommen.
Nachdem eine halbe Stunde nach Beginn etwa 25 Personen aus der Gießener
Antifa-Szene den Bereich um das Rednerpult besetzten und Gastreferent Hartmut
Saenger vom Mikrofon schubsten, kam es zu einem Handgemenge zwischen den
Linksautonomen und »normalen« Besuchern der Veranstaltung. Die vom energischen
Einschreiten der anderen Zuhörer, darunter einiger rüstiger Senioren,
offensichtlich überraschten Störer traten eilig den Rückzug aus dem Saal an,
wobei Stühle durch die Luft flogen und Gläser umfielen. Verletzt wurde niemand,
auch Sachbeschädigungen waren nicht erkennbar. Entsetzt zeigte sich die Wirtin
des Bürgerhauses, Nicole Daniel: »Seit ich hier bin, hat es so etwas noch nie
gegeben.« Eine herbeigerufene Polizeistreife ließ sich den Vorfall schildern und
bat um Zeugenaussagen.
Egbert Schellhase, Vorsitzender der UdV im Kreis Gießen, die eine Vereinigung
der CDU ist, hatte sich zu Beginn der Veranstaltung, die er unter das Motto »Die
Wahrheit siegt« gestellt hatte, noch erfreut über die Anwesenheit der
jugendlichen Besucher gezeigt. Die spendeten Schellhase zunächst auch lautstark
Beifall, der freilich ironisch gemeint war. Als der UdV-Vorsitzende in seiner
Begrüßungsrede sagte, die Vertreibung von bis zu 16 Millionen Deutschen dürfe
nicht durch Verweise auf die »Ursache und Wirkung« historischer Abläufe und den
Massenmord an den Juden relativiert werden, riefen einige der Linksautonomen »Jawoll«
und »Endlich sagt's mal einer«. Auch Trillerpfeifen kamen zum Einsatz. Später
wurde ein Transparent mit der Aufschrift »Gegen Geschichtsrevisionismus und
deutsche Opfermythen« entrollt, ehe es zum besagten Tumult kam. Auf den
reagierte Hauptredner Saenger gelassen. In Universitätsstädten gebe es eben
»antifaschistische Sturmtruppen«, aber der Vorfall sei vergleichsweise harmlos
gewesen, schließlich könne die Veranstaltung fortgesetzt werden, meinte Saenger.
Der stellvertretende Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen in Hessen (BdV) und
Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft wurde im Sommer bundesweit bekannt, als
Forderungen laut wurden, Saenger und einem weiteren Vertriebenenfunktionär die
stellvertretende Mitgliedschaft im Rat der Stiftung »Flucht, Vertreibung,
Versöhnung« zu entziehen. In Saengers Fall wurde die Rücktrittsforderung wegen
eines Beitrags des Rosbachers in der »Pommerschen Zeitung« erhoben, in dem er
Polen eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gab. Als BdV-Präsidentin
Erika Steinbach ihren Mitstreiter Saenger in einer Vorstandssitzung der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion Anfang September mit der Bemerkung verteidigte, sie
könne auch nichts dafür, dass Polen im März 1939 mobil gemacht habe, war der
Eklat da.
In Kleinlinden sprach Saenger von einer »unseligen Begleitdiskussion«, die »Teil
einer Verhinderungsdebatte« sei, um das Ausstellungsprojekt der Stiftung zu
torpedieren. Sein Zeitungsbeitrag sei »instrumentalisiert« worden, um die
BdV-Präsidentin in Misskredit zu bringen. Steinbach werde »abgestraft«, weil sie
das Thema Vertriebenenzentrum voranbringe, sagte Saenger. Daher hänge der BdV
den Streit um ihn und seinen Kollegen Arnold Tölg »ganz niedrig«, um den Dialog
im Stiftungsrat in Gang zu setzen, was in der ersten Sitzung am vergangenen
Montag auch gelungen sei.
Für Saenger steht außer Frage, dass die Vertreibung der Deutschen am Ende des
Zweiten Weltkriegs Hauptteil der geplanten Ausstellung sein muss. Gleichzeitig
stellte der Redner klar, dass es einen Unterschied zwischen dem Genozid an den
Juden und den ethnischen Säuberungen in den Ostgebieten des damaligen Deutschen
Reichs gebe. »Natürlich darf man das vergleichen, man muss dann aber
unterscheiden«, sagte Saenger. Ob die Vertreibung, der rund zwei Millionen
Deutsche zum Opfer gefallen seien, im Verlauf genozidähnliche Züge angenommen
habe, werde die wissenschaftliche Aufarbeitung im Rahmen des
Vertriebenenzentrums zeigen.
Nachdem Saenger einige Fragen aus dem Publikum beantwortet hatte, war die
Veranstaltung beendet. Anders als vom Veranstalter angekündigt, äußerte sich der
Gastredner auf Grund der fortgeschrittenen Zeit dann nicht mehr zur, so
Schellhase, »These von der Alleinschuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg«.
Die Einladung der UdV an Saenger - die Veranstaltung war von der Senioren Union,
Jungen Union und Schüler Union unterstützt worden - wurde gestern vom Vorstand
des SPD-Unterbezirks heftig kritisiert. Dass sich Untergliederungen der
heimischen CDU vor den »Karren der Propagandapolitik der Vertriebenenverbände
spannen lassen, ist ungeheuerlich«, heißt es in einer Presseerklärung. Saengers
Thesen zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs seien »wissenschaftlich unhaltbar«
und gefährlich für die Beziehungen zu Polen und der Tschechischen Republik.
CDU-Kreisehrenvorsitzender Volker Bouffier müsse daher »dieses Treiben am
rechten Rand seiner Partei beenden«.
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