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Staatsrechtler zu Stiftungsstreit
"Gute Klagechancen für Steinbach"

Darf die Bundesregierung verhindern, dass Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach in die Stiftung einzieht? Nein, findet Staatsrechtler Eckart Klein - und warnt im Interview mit SPIEGEL ONLINE vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung.

SPIEGEL ONLINE: Herr Professor Klein, Ihr Freiburger Kollege Dietrich Murswiek hat darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung die Aufnahme Steinbachs in den Rat der "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" nicht einfach so ablehnen kann. Sehen Sie das auch so?

Klein: Ja, im Wesentlichen teile ich die Auffassung. Im zugrundeliegenden Stiftungsgesetz heißt es, dass die Bundesregierung in ein anderes Gremium Mitglieder "entsendet". Bei diesem Stiftungsrat ist aber festgelegt, dass der Bund der Vertriebenen seine Vertreter "benennt", und die Bundesregierung sie "bestellt".

SPIEGEL ONLINE: Und Außenminister Guido Westerwelle lehnt die Bestellung ab.

Klein: Ohnehin kann das nur das Kabinett als Ganzes. Das steht aber nicht im freien Ermessen der Bundesregierung, sie kann nur unter engen Voraussetzungen einen Vertreter ablehnen.

SPIEGEL ONLINE: Im Gesetz sind keine Kriterien genannt.

Klein: Das macht nichts. Genauso wäre ja undenkbar, dass die Regierung die vom Bundestag benannten Vertreter aus politischen Gründen ablehnt. Natürlich muss es eine Prüfung geben können, damit diese Zweistufigkeit sinnvoll ist. Das sehe ich aber nur in zwei Fällen: Nämlich zum einen eine eher formale Prüfung, ob der Benannte auch wirklich ordnungsgemäß von der jeweiligen Gruppe bestimmt worden ist. Daran kann es hier keine Zweifel geben. Zum zweiten, ob durch diese Person der Stiftungszweck, vor allem die Arbeit "im Geiste der Versöhnung", gewahrt bleibt. Und auch hier sehe ich keinen Grund, warum das nicht der Fall sein soll.

SPIEGEL ONLINE: Steinbachs Kritiker sehen gerade das als verletzt an, weil sie 1991 im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gestimmt habe.

Klein: Gerade das ist meiner Ansicht nach nicht haltbar. Man kann doch einem Abgeordneten nicht seine Gewissensentscheidung vorhalten. Hier ging es ja auch nicht etwa darum, dass Frau Steinbach eine Menschenrechtsverletzung oder sonstiges Unrecht gebilligt hätte, sondern es ging um eine neutrale Territorialfrage. Und gerade weil die Abstimmung damals anders ausging, und diese Gebiete nun unzweifelhaft zu Polen gehören, darf man davon ausgehen, dass Versöhnung für Frau Steinbach um so wichtiger ist.

SPIEGEL ONLINE: Angesichts massiver Kritik aus Polen würde die Bestellung Steinbachs die Versöhnung aber zumindest faktisch erschweren.

Klein: Solange sich diese Aversion nicht auf nachvollziehbare Gründe stützt, und die sehe ich nicht, kann das für mich kein Anlass sein, das Benennungsrecht auszuhebeln. Persönliche Gründe liegen nicht vor, und politische Gründe reichen nicht aus.

SPIEGEL ONLINE: Könnte Steinbach, wie angedroht, gegen ihre Ablehnung klagen?

Klein: Nicht persönlich, aber der Bund der Vertriebenen könnte eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin anstrengen.

SPIEGEL ONLINE: Und mit welcher Chance?

Klein: Man kann über die Frage, ob der Stiftungszweck gewahrt ist, sicher diskutieren. Ich sehe aber für Frau Steinbach gute Chancen, dass sie in einem solchen Streit Recht bekäme.

Das Gespräch führte Dietmar Hipp.

Quelle:
Spiegel-Online, Nachrichten, 18.01.2010,
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,672352,00.html

Biografie: Prof. Dr. Eckart Klein - Universität Potsdam
Lehrstuhl für Staats-, Völker- und Europarecht
http://www.uni-potsdam.de/u/ls_klein/bio.htm

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