Radio-Interview mit
Rudi Pawelka
Preußische Treuhand verteidigt Klage gegen
Polen
Moderation: Christine
Heuer
Der
Aufsichtsratsvorsitzende der
Preußischen Treuhand, Rudi Pawelka, hat die Klage seiner
Organisation gegen Polen verteidigt. Die Frage nach einer Entschädigung für jene,
die nach 1945 aus Polen vertrieben worden seien, müsse endlich geklärt werden, sagte
Pawelka. Der nach dem Krieg gezahlte
Lastenausgleich für die Opfer sei lediglich
eine geringe Starthilfe für ihr neues Leben in Deutschland gewesen, stelle rechtlich
aber kein Ersatz für verlorenes Eigentum dar.
Christine Heuer:
Wir sind im Dezember 2006, Herr Pawelka, also gut 61 Jahre nach Kriegsende. Wieso
klagen Sie jetzt auf Entschädigung?
Rudi Pawelka: Weil das immer noch eine offene
Wunde ist. Ich muss aber vielleicht noch mal eben klarstellen, wir sind nicht aus
Polen vertrieben worden. Das war damals Deutschland, genau wie hier Köln oder Berlin.
Da gab es ja keinen Unterschied.
Heuer: Damals.
Pawelka: Wie klagen deshalb, weil wir die
Sache mal zu Ende bringen wollen endlich. Das schwelt immer weiter. Das Verfassungsgericht
hat sich bei uns mehrfach damit befasst und immer die Frage für offen erklärt -
übrigens auch in den Parteiprogrammen der CDU ist das drin, dass hier verletzte
Rechte wieder anerkannt werden müssen. All das steht natürlich im Raume und ich
sehe die Zukunft wirklich gefährdet, wenn das immer wieder mal aufgegriffen werden
kann. Deshalb sollte man schon auch die Menschen jetzt endlich damit in Ruhe lassen,
indem man eine Lösung findet.
Heuer: Die Bundesregierung sieht das anders.
Die sagt, Sie sorgen dafür, dass die Sache immer weiterschwelt. Denn im Grunde sei
die Angelegenheit erledigt. Es habe einen Lastenausgleich gegeben nach dem Zweiten
Weltkrieg für die Vertriebenen, und das stimmt ja auch.
Pawelka: Der Lastenausgleich war ja nur eine
kleine Starthilfe, denen im übrigen auch Ausgebombte hier bei uns, das vergisst
man häufig, bekommen haben, damit sie erstmal wieder etwas aufbauen konnten.
Heuer: Die Kläger, die jetzt klagen vor dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die sind nicht entschädigt worden?
Pawelka: Das sind natürlich auch zum großen
Teil Lastenausgleichsempfänger. Aber das steht ja in dem Gesetz ausdrücklich drin,
dass das kein Ersatz ist für das verlorene Eigentum.
Heuer: Aber die Leute, die klagen mit Ihnen
zusammen, mit der preußischen Treuhand, die haben schon Geld aus den insgesamt ja
immerhin 65 Milliarden Euro bekommen, die als Lastenausgleich in der Bundesrepublik
bezahlt wurden.
Pawelka: Ja, sicherlich. Ein paar Tausend
Mark. Wenn einer ein Haus hatte, hat er maximal mit Grundstück 5000 Mark bekommen,
ein Bauernhof vielleicht 10.000. Mehr war das nicht. Und für einen Haushalt - meine
Eltern kriegten 800 Mark. Das war alles. Aber es ist wie gesagt extra im Gesetz
drin, dass das keine Entschädigung ist - genauso, wie das damals die Lastenausgleichsempfänger
bekommen haben, die in den neuen Bundesländern Eigentum hinterlassen haben. Das
war damit nicht aufgegeben.
Heuer: Das ist richtig, dass sie nicht darauf
verzichtet haben, möglicherweise noch zu klagen. Trotzdem werden Ihre Erfolgsaussichten
recht gering eingeschätzt. Sicher ist aber schon, dass es neue Verwerfungen zwischen
Deutschland und Polen gibt wegen Ihrer Klage.
Pawelka: Die geringe Einschätzung - da wollen
wir mal abwarten. Also wir sagen, es ist ein großes Menschenrechtsverbrechen gewesen,
dass auch die Deutschen als Kollektivstrafe getroffen hat, weil sie eben Deutsche
waren. Im Übrigen hat man versucht, wie in der Tschechei, aber auch in anderen Gebieten,
dann andere Minderheiten gleich mit zu erledigen. Zum Beispiel die Ungarn sind genauso
vertrieben worden. Das ist also wie gesagt alles dabei zu berücksichtigen.
Heuer: Aber der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte urteilt ja auf Grundlage der Menschenrechtskonventionen. Die ist
erst 1950 in Kraft getreten, also nach der Vertreibung. Und außerdem sind die Sprüche
des Gerichtshofes für Menschenrechte nicht bindend.
Pawelka: Doch schon, die könnten entsprechend
durchgesetzt werden.
Heuer: Könnten ...
Pawelka: Mir ist nicht bekannt, dass das nicht
gemacht worden ist. Aber wir haben dann wenigstens auch einen rechtlichen Titel.
Im Übrigen, weil Sie sagten: 1950. Sie wissen, dass die vertriebenen Griechen aus
Nordzypern jetzt auch Recht bekommen haben. Das war 1974, diese Vertreibung. Da
war die Menschenrechtskonvention zwar in Kraft, aber die Türkei, die es angeht,
war noch nicht Unterzeichnerstaat, hat sich dem also nicht unterworfen. Trotzdem
hat das Gericht entsprechend das Urteil gefasst. Und was für die einen gilt, gilt
auch für die anderen. Vertriebene Polen haben sich ja auch schon an den Menschenrechtsgerichtshof
gewandt und haben dort gewonnen. Wir sagen, es ist ein Dauerdelikt, dass sich heute,
weil es eben dieses Verbrechen gegen die Menschheit war, noch auswirkt. Die Deutschen
sind kollektiv bestraft worden. Das traf alle, ob Widerstandskämpfer von Moltke
aus Schlesien oder jüdische Mitbürger. Es ist ja auch einer der jüdischen Mitbürger
einer der 22 Erstkläger.
Heuer: Einer von 22.
Pawelka: Ja.
Heuer:Herr Pawelka, Sie haben die Hoffnung
noch nicht aufgegeben zu gewinnen. Sie sprechen vom Kollektiv, einer kollektiven
Verantwortung. Haben Sie nicht auch eine Verantwortung für den Rest der deutschen
Bevölkerung, die jetzt darunter leidet, dass die deutsch-polnischen Beziehungen
durch Ihre Klage weiter belastet werden?
Pawelka: Was heißt darunter leidet? Dann müsste
ja jeder, der Ansprüche hat und der Gegenpart regt sich auf darüber, sagen, nein,
weil der sich so aufregt, dann verzichten wir darauf. Also die Vertriebenen haben
den Krieg nicht alleine verloren, den hat Gesamtdeutschland verloren. Man kann nicht
eine Gruppe willkürlich herausgreifen und sagen, ihr habt dafür zu bezahlen, und
ansonsten seid ihr mal ruhig. Wir müssen ja bezahlen, meinen aber die Vertriebenen.
Das ist ungeheuerlich.
Heuer: Aber heute stehen Sie ja ganz alleine.
Nicht einmal der Bund der Vertriebenen steht noch an Ihrer Seite und dessen Chefin
Erika Steinbach hat über Sie persönlich gesagt, mit Rudi Pawelka rede sie nicht
mehr, da sei Hopfen und Malz verloren.
Pawelka: Das ist Ihre Interpretation. Wissen
Sie, ich habe jetzt gerade in einem Interview gesagt, Sie konterkariert das, was
der Bund der Vertriebenen an Beschlüssen hat. In der Satzung des Bundes der Vertriebenen
steht die Wahrung des Eigentums drin. Es gibt viele Beschlüsse dazu bis in die letzten
Jahre hinein. Sie selbst hat noch vor einiger Zeit gesagt, jetzt hilft nur noch
der Rechtsweg. Einen entsprechenden Beschluss gibt es auch, 2003, der Bundesversammlung.
Also sie begibt sich da auf einen Weg, der nicht abgedeckt ist durch Satzungen und
durch entsprechende Beschlüsse.
Heuer: Herr Pawelka, lassen Sie uns noch ein
paar Zitate besprechen. Ihr Stellvertreter heißt Alexander von Waldow. Der hat unter
anderem gesagt, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort. Er hat
auch gesagt, Polen sei nach wie vor Besatzungsmacht in den deutschen Ostgebieten.
Sind das Zitate, denen Sie zustimmen würden?
Pawelka: Nein, natürlich nicht. Wir haben
mit völkerrechtlichen Anliegen, die über das Eigentum hinausgehen, nichts zu tun
als Handelsgesellschaft. Ich weiß nicht, wo er das gesagt haben soll. Er ist einer
der drei Aufsichtsratsmitglieder noch, die wir haben.
Heuer: Und Sie behalten Ihn im Aufsichtsrat?
Pawelka: Das werden wir jetzt sehen, wenn
die Gremien wieder zusammentreten werden. Wir kümmern uns allein um die Menschen.
Ich sage noch mal, ich habe, ich habe es schon oft gesagt, mich nur um soziale Fragen
gekümmert. Ich bin über 20 Jahre im Sozialausschuss einer Stadt. Ich bin Vorsitzender
des Arbeitskreises Deutscher Zwangsarbeiter, Bund der stalinistisch Verfolgten hat
sich angeschlossen, neun Landsmannschaften. Ich habe das andere hier als soziale
Aufgabe gesehen, genauso diese Eigentumsfrage. Es erreichen mich erschütternde Briefe
von Menschen. Frauen, die mit 15, 16, 17 Jahren in polnische Todeslager gekommen
sind. Da gab es Arbeitslager, wo jeden Tag zig Leute gestorben sind, die die begraben
mussten vor der Arbeit noch, denen alles weggenommen wurde, die heute von einer
Minirente in Polen leben. Wenn ich so etwas höre, dann meine ich, ich habe eher
noch etwas versäumt, bin zu spät eingeschritten, habe mich zu spät gerührt. Ich
habe also dabei ein gutes Gewissen und ich meine, die Menschen müssten diese humane
Aufgabe auch alle sehen können, wenn sie es wüssten. Die meisten wissen das ja nicht.
Heuer:Ja, aber die Ursache all dieser Übel,
die sie gerade noch einmal beschrieben haben, Herr Pawelka, die Ursache liegt doch
bei uns, bei den Deutschen, die den Krieg begonnen und Polen überfallen haben.
Pawelka: Also es hat schon viele Überfälle
auf Staaten gegeben, auch heute noch. Mir ist nicht bekannt, dass in dieser Weise
dann eine Volksgruppe bestraft worden ist dafür. In Nürnberg war die Vertreibung
von Menschen, von Polen in diesem Falle, einer der Anklagepunkte, weil es ein Verbrechen
gegen die Menschheit war. Die Polen sind natürlich wieder hinterher zurückgekommen.
Aber das kann man nicht so machen. Einmal sieht man Vertreibung als gerechtfertigt
an, als berechtigte Rache oder was auch immer ...
Heuer:Das sagt ja aber niemand.
Pawelka: Aber es wird so gehandelt, es wird
doch so gehandelt. Das ist nicht verständlich. Es ist durch das Völkerrecht nicht
abgedeckt, dass in dieser Weise ... Sagen Sie mir ein Beispiel aus der Geschichte,
wo das so anerkannt worden ist. Ich kenne keines. Im Gegenteil, es ist immer anders
gehandhabt worden. Sie sehen ja auch in Den Haag, jeder Einzelne, der etwas dort
sich hat zu Schulden kommen lassen, war es in dem Krieg auf dem Balkan, der kann
angeklagt werden und verurteilt mit Recht. Dem kann man auch das Eigentum wegnehmen
als Nebenfolge. Völlig einverstanden. Aber nicht Nazi-Opfer oder Widerstandskämpfer
oder neutrale Bevölkerung, die sich hat nichts zu Schulden kommen lassen. Was haben
15-, 16-jährige Mädchen verbrochen gehabt, dass sie so behandelt werden mussten?
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