Enteignungen: Gorbatschow dementiert Kohl
Bodenreform war kein Verhandlungsthema
von Katja Tichomirowa
BERLIN, 1. März. Der frühere Präsident der UdSSR,
Michail Gorbatschow, hat am Sonntag in Berlin der Darstellung der Bundesregierung
widersprochen, die Sowjetunion habe die Beibehaltung der Eigentumsverhältnisse in
der ehemaligen DDR zur Vorbedingung einer deutschen Wiedervereinigung erklärt. Ein
Junktim zwischen einem Restitutionsverbot für die im Zuge der Bodenreform 1945 bis
1949 enteigneten Immobilien und einer sowjetischen Zustimmung zum Einigungsvertrag
habe es nicht gegeben, erklärte Gorbatschow. Eine mögliche Rückgabe der Immobilien
sei im Gegenteil "niemals auf höchster Führungsebene angesprochen" worden. Es sei,
so Gorbatschow wörtlich, "absurd", zu behaupten, er habe den Verzicht auf Restitution
zur Voraussetzung der Wiedervereinigung erklärt.
Die Frage der Eigentumsverhältnisse hätten beide
deutsche Staaten in eigener Verantwortung entschieden. Die sowjetische Seite sei
im Juni 1990 von dem Verhandlungsergebnis lediglich in Kenntnis gesetzt worden.
Gorbatschow widersprach Darstellungen, ein entsprechendes Junktim sei Teil einer
geheimen Zusatzerklärung zum Einigungsvertrag gewesen. "Es gab keinen Politbürobeschluß
der KPdSU und kein ,Gentlemen s Agreement ", betonte Gorbatschow, alle Beschlüsse
seien im Wortlaut veröffentlicht worden.
Die Bundesregierung hatte in offiziellen Stellungnahmen
bislang stets behauptet, die Sowjetunion habe die deutsche Wiedervereinigung von
dem Verzicht auf Rückgabe der enteigneten Ländereien und Immobilien abhängig gemacht.
Eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch die Alteigentümer im Mai 1996
blieb erfolglos.
Zu dem Vortrag Gorbatschows hatte eine Gruppe von
Restitutionsbefürwortern um den Hamburger Kaufmann Heiko Peters eingeladen. Gorbatschows
Warnung, das Thema der Restitution erneut aufzugreifen, ging im Jubel der 2.000
Zuhörer im ICC Berlin über seine Ausführungen unter.
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